Erfolgreicher Kampf um Normalität

Saara Gira lebt mit kognitiven Einschränkungen. Sie arbeitet fest im Restaurant dean&david. Ihr Chef ist darüber sehr glücklich.

Kampf um Normalität
Saara Gira mit Murat Kara, Leiter der Filialen von dean&david in Düsseldorf.

Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Wilfried Meyer
Während Saara Gira zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen das Restaurant der Kette dean&david in der Düsseldorfer Altstadt für das Mittagsgeschäft vorbereitet, hat sie ein dezentes Lächeln im Gesicht. Es ist ihr anzusehen, dass sie gern hier ist. Ihr Blick ist offen und wach, routiniert erledigt sie die nötigen Handgriffe. Wer ihr bei der Arbeit zusieht, käme nie auf die Idee, dass es Menschen gibt, die ihr diesen Job nie zugetraut hätten und dass sie ihren Kampf um Normalität erfolgreich führt.
Die 22-Jährige lebt seit ihrer Geburt mit kognitiven Einschränkungen. „Es gab Komplikationen, mein Gehirn wurde eine Zeit lang nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Deshalb habe ich Probleme in Mathematik und logischem Denken“, erzählt die junge Frau aus Neuss. In der Grundschule hatte Saara Gira in einigen Fächern Probleme, mitzukommen. Es fällt ihr schwer, sich längere Zeit am Stück zu konzentrieren.

Fleißig und diszipliniert

Später besuchte Saara Gira eine Hauptschule für Kinder mit Förderbedarf. Es folgte ein berufsvorbereitendes Jahr und eine zweijährige Ausbildung bei der Jugendberufshilfe im Bereich Hauswirtschaftslehre. Sie bestand alle Prüfungen, weil sie unbedingt ein eigenständiges Leben führen wollte. Wenn sie an ihre Geburt denkt, hadert sie manchmal noch. „Bis zur Geburt war ich kerngesund. Ich hätte ein normales Leben gehabt“, sagt sie. Im Alter von 16 Jahren kam als Folge der Gehirnschädigung eine Psychose hinzu, außerdem wurde das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Saara Gira nimmt Medikamente, es geht ihr gut.
Der Hauptgrund dafür ist das Leben, das sie sich aufgebaut hat. Sie hat den Kampf um Normalität erfolgreich aufgenommen. Obwohl es in ihrer Jugend immer wieder Menschen gab, die ihr sagten, sie würde es nie auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, ließ sich Saara Gira nicht beirren. Sie war fleißig, diszipliniert und eines Tages einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie besuchte eine Freundin, die bei dean&david arbeitete, einer Restaurantkette, die ausschließlich mit frischen Zutaten arbeitet und auf sämtliche ungesunden Ernährungszusätze verzichtet. Das Essen wird in recyclebaren Boxen ausgeliefert, es gibt nirgendwo Plastik. Die drei Düsseldorfer Filialen des 2007 in München gegründeten Unternehmens, das heute in seinem Segment Marktführer in Europa ist, leitet Murat Kara.

Er und Saara Gira kamen bei ihrem Restaurantbesuch ins Gespräch, sie erzählte, dass sie einen Job suchte. Ein wichtiger Schritt bei ihrem Kampf um Normalität. Kara wusste zunächst nichts von ihren Einschränkungen, bot ihr ein Praktikum an. Später lernte er ihre Betreuerin aus ihrer integrativen Wohngruppe kennen und erfuhr, dass Saara Gira anders ist als andere Frauen in ihrem Alter, aber den gleichen Wunsch nach Unabhängigkeit und einem selbst bestimmten Leben hat. „Nachdem das Praktikum und die Probearbeit super gelaufen waren, habe ich sie fest eingestellt“, sagt Kara.
Nach rund einem Jahr Zusammenarbeit ist er dankbar, dass sie Teil des zehnköpfigen Teams ist. „Sie ist fleißig, verlässlich und absolut ehrlich“, erzählt der Chef. Sie ist fester Bestandteil der Belegschaft, in der sich alle duzen und die sich als Familie versteht. „Keiner möchte sie missen, für viele ist sie wie eine kleine Schwester.“ Von ihren Einschränkungen merke er kaum etwas, nur ab und zu müsse er sie „reseten“, sagt Kara und lacht. „Ich gebe ihr dann eine kleine Pause, um sich wieder zu sammeln. Das ist kein Problem.“

Der Kampf um Normalität hat Vorbildcharakter

Murat Kara ist grundsätzlich ein Chef, der Menschen eine Chance gibt, die es vermeintlich schwerer haben, arbeitet eng mit der Agentur für Arbeit zusammen. Er packt aber niemanden in Watte. „Saara Gira muss genauso arbeiten wie alle anderen. Sie hat den gleichen Arbeitsvertrag wie ihre Kollegen.“ Ihre unbefristete Stelle hat es ihr ermöglicht, eine eigene Wohnung zu finden, in der sie nun mit ihrem Verlobten lebt. Sie führt das Leben, das sie sich lang erträumt hat.
„Saara Giras Beispiel hat Vorbildcharakter und gibt meiner Arbeit recht“, sagt André Lutz Overrath, Fachberater Inklusion bei der IHK Düsseldorf, der Unternehmen und Menschen mit Handicap zusammenbringt. „Diese Menschen sind motiviert, loyal und ehrlich. Das macht sie für Arbeitgeber besonders wertvoll.“
Murat Kara sagt, er freut sich schon jetzt auf die nächsten Jahre mit Saara Gira. Und wieder zeigt sie ihr dezentes Lächeln. „Ich mich auch“, sagt sie.


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