Nach dem Erfolg im Vorjahr ging die Start-up Fuck-up-Night in Düsseldorf am 10. April in die zweite Runde. Gründerinnen und Gründer berichteten offen von Fehlentscheidungen, Rückschlägen und Neuanfängen – und zeigen damit, dass Scheitern kein Tabu ist.
Text und Foto: Nadja Christ
Zum zweiten Mal veranstaltete die IHK Düsseldorf gemeinsam mit dem TechHub.K67, Ignition und Marketer UX die Fuck-up-Night. Das Format bietet Gründerinnen und Gründern eine Bühne, um offen über persönliche Rückschläge und den Umgang mit gescheiterten Projekten zu sprechen. Über 100 Gäste aus der Start-up- und Unternehmensszene aus Düsseldorf und dem Kreis Mettmann kamen im Co-Working-Space TechHub.K67 zusammen, um aus den Erfahrungen anderer zu lernen und sich auszutauschen.
Durch das Programm führte Dr. Nikolaus Paffenholz, Abteilungsleiter Unternehmensservice der IHK Düsseldorf. Auf der Bühne sprachen Gründer Deniz Ates und Gründerin Julia Rohde. Beide teilten ihre persönlichen Geschichten über das Scheitern und wie sie es geschafft haben, nach dem Hinfallen wieder aufzustehen.
Ein Anruf, der alles veränderte
Für Ates begann alles vielversprechend: Im Jahr 2020 gründete er zusammen mit seinen zwei Studienfreunden Constantin Soffner und Timo Gatta das Start-up Who Moves – eine digitale Plattform, die internationalen IT- und MINT-Fachkräften den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert. Nach einer erfolgreichen ersten Finanzierungsrunde Ende 2023 standen die Zeichen auf Wachstumskurs. Im Frühjahr 2024 sollte ein weiterer Investor dazu kommen. Zur Absicherung wollte das Start-up alle Unterlagen steuerrechtlich überprüfen lassen. Doch kurz vor Abschluss geriet mit einem einzigen Anruf alles ins Wanken.




Der Steuerberater informierte Ates, dass die Finanzierung platzt. Ursache war eine Fehlberatung der damaligen Steuerkanzlei: „Wir hatten schon so manche Krise bewältigt, deswegen sind wir erst einmal ruhig geblieben und haben unseren Investoren sowie dem zukünftigen Investor die Situation geschildert“, erzählt Ates. Das Start-up geriet dadurch in eine massive finanzielle Schieflage. „Ich saß vor meinem Laptop und dachte, die Welt bricht vor mir zusammen. Die Konten wurden immer leerer und leerer“, erinnert er sich.
Doch aufgeben war für den 32-Jährigen nie eine Option. Stattdessen lernte der junge Gründer aus der Krise: Er wechselte die Steuerberatung und setzte dabei gezielt auf eine Kanzlei, die Start-ups versteht, bat bei Behörden und Versicherungen um Zahlungsaufschübe und nahm auch kleinere, zuvor abgelehnte Aufträge an. Am Ende zahlte sich das Durchhalten aus: Im vergangenen Jahr konnte Who Moves seinen Umsatz gegenüber 2023 verfünffachen. Deswegen kann Ates an diesem Abend die Bühne mit einem Lächeln verlassen und empfiehlt allen Unternehmerinnen und Unternehmer: „Never fear to fuck up!“
Zwischen Großkonzern, Investoren und Insolvenz
Auch die zweite Speakerin kennt den Moment, wenn alles zusammenzubrechen droht. „Erfahrung schützt vor Scheitern nicht“, sagt Rohde. Anders als Ates ist sie eine erfahrene Gründerin, die schon mehrere Start-ups erfolgreich aufgebaut und verkauft hat. Im Jahr 2022 machte sie mit dem Start-up Corbiota den nächsten Schritt. Das Unternehmen für nachhaltige Tierernährung ist aus dem BASF-Inkubator Chemovator hervorgegangen. Die Ausgangslage war vielversprechend: eine innovative Idee, ein Großkonzern sowie 17 Investoren. Doch bürokratische Hürden stellten sich in den Weg: „Das Problem war, dass unser Hauptprodukt aus Nutztieren bestand. Dadurch war Corbiota in Europa nicht förderfähig.“ Rohde und ihr Team planten, sich auf den US-Markt zu konzentrieren. Doch als sie eine USA-Förderung verloren, fehlten dem Start-up 250.000 Euro. Aufgrund der komplexen Investorenstruktur ließ sich die Finanzierungslücke nicht schließen. Die erfahrene Gründerin traf eine Entscheidung, vor der sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer fürchten: die Insolvenz.
Was ihr in dieser Zeit besonders geholfen hat, war der Zusammenhalt ihres Teams. Trotz aller Widrigkeiten blieben die Mitarbeiter an ihrer Seite: Niemand kündigte, niemand warf ihr etwas vor – auch nicht, als es kein Gehalt mehr gab. „Diese Loyalität hat mich tief berührt. Wenn das Team stimmt, kommt ihr durch jede Krise“, erzählt sie. Nach der Insolvenz von Corbiota entschied sich Rohde, einen Neuanfang zu wagen: „Ich gründete AgriBIOME und mein gesamtes Team sowie ein Teil der Bestandsinvestoren folgte mir. Gemeinsam überarbeiteten wir unser Produkt und starteten erfolgreich in den USA durch.“




Zuspruch von allen Seiten
Die Erfahrungen von Ates und Rohde stießen im Publikum auf großes Interesse. Die Unternehmerinnen und Unternehmer konnten die Herausforderungen gut nachvollziehen. So auch Uwe Roeninger, Gründer und CEO von mybreev, einem international tätigen E-Learning-Studio mit Sitz in Viersen, das seit 1998 digitale Lern-Formate entwickelt. Er kritisiert: „Die Fehlerkultur in Deutschland ist furchtbar. Als Unternehmer habe ich selbst schon viele Fails erlebt. Wir müssen darüber reden, damit wir voneinander lernen können. Sonst machen wir die Fehler umsonst.“
Paffenholz fasste den Abend zum Abschluss der Veranstaltung treffend zusammen: „Scheitern gehört zum Unternehmertum genauso dazu wie der Erfolg. Die IHK Düsseldorf unterstützt daher Start-ups bei der Gründung und begleitet Unternehmen, um sicher durch Krisen zu kommen. Denn Scheitern ist erst einmal nichts Schlimmes, sondern eine Erfahrung, durch die man dazu lernt.“
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