Rund 75 Prozent aller Bauten in Deutschland müssten energetisch saniert werden oder, wie das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet hat, jährlich mindestens knapp zwei Prozent der Bestandsimmobilien. Doch das Land hinkt hinterher. Auch, weil Sanierungen in der Regel verhältnismäßig lange dauern.Eine mögliche Lösung, um mehr Tempo aufzunehmen: serielles Sanieren.
Text: Dagmar Haas-Pilwat, Fotos: Melanie Zanin
Die erste, gemeinsam von der IHK Düsseldorf und dem Öko-Zentrum NRW GmbH organisierte Veranstaltung „Serielles Sanieren: Gamechanger – für sanierungsbedürftige Bestandsgebäude?!“ zeigt: Die Landeshauptstadt Düsseldorf und die Städte im Kreis Mettmann sind keine Ausnahme. „Wir haben zu viel unsanierten Bestand. Um die Klimaziele erreichen zu können, muss sowohl im Nichtwohn- als auch im Wohnbereich schneller und effizienter energetisch saniert werden“, sagte Marcel Abel, Vizepräsident und Vorsitzender des Ausschusses Immobilienwirtschaft bei der IHK Düsseldorf, gleich zu Beginn. „Wir als IHK wollen den 95.000 Mitgliedern in unserem Kammerbezirk eine Plattform für Information, Austausch und Netzwerken bieten, um so Ideen voranzutreiben und Wege aufzuzeigen“, betonte Abel vor vollem Saal in der IHK-Zentrale. Er ist sich sicher: Nur die Region, die innovative, praktikable Lösungen parat habe, gewinne an Attraktivität und werde zur Vorzeigestadt.
Mehr Tempo bei der Sanierung ist erforderlich
Experten sind sich einig: Serielles Sanieren, bei dem speziell für Dämmung und Witterungsschutz konzipierte, modular vorgefertigte Dach- und Fassadenelemente montiert werden, kann eine vielversprechende Lösung sein, um Sanierungsprojekte schneller, effizienter und wirtschaftlicher umzusetzen. Serielles Sanieren – seriell bezieht sich auf das Herstellungsverfahren der verwendeten Materialien – ist zwar schon seit einigen Jahren bekannt, wird aber noch immer von nur wenigen Unternehmungen eingesetzt. Da verwundert es nicht, wenn laut neuester Studien die Sanierungsrate in Deutschland bei lediglich 0,69 Prozent liegt. „Wir müssen Sanierung neu und wirtschaftlicher gestalten. Das heißt, nicht länger traditionell getrennt nach Gewerken planen, sondern digitalisiert in Modulen“, forderte deshalb Michael Hörnemann, Teamleiter beim Öko-Zentrum NRW.
Die Betriebswirtschaftlerin und Co-Gründerin der greeenNXT GmbH, Ariane Bischoff, betonte die Vorzüge der seriellen Sanierung, die die Baubranche revolutioniere: „Unser Planungsbüro bietet den Eigentümern einen standardisierten Sanierungsprozess, der Zeit, Kosten und Ressourcen spart.“ Sie erläuterte, wie geeignet diese Methode vor allem für großvolumige Bestandsobjekte ist. Abschläge auf den Beleihungswert der Immobilie lassen sich demnach durch energetische Sanierung vermeiden. Die Mieterbelastung hält sich durch die zügige Realisierung im bewohnten Zustand mithilfe vorgefertigter Teile in Grenzen. Entscheidend sind nach Ansicht von Bischoff zudem Faktoren wie Präzision und Zuverlässigkeit, die möglich werden durch digitale Planung und industrielle Vorfertigung einzelner Elemente aus ökologischen und kreislauffähigen Materialien. Ein weiterer Vorteil sei die Kooperation zwischen greeenNXT und der Terhalle Holzbau GmbH, die das serielle Sanieren in Holzbauweise aus einer Hand anbiete – vom Entwurf bis zum maßgeschneiderten Endprodukt, inklusive individueller Bauherrenberatung, professioneller Fördermittelberatung und -beantragung. Das gemeinsame Ziel: Bestandsgebäude fit machen für einen neuen, nachhaltigen Lebenszyklus im Einklang mit dem Klima, den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Eigentümern und Eigentümerinnen.
Das Energiesprong-Prinzip sorgt für reibungslose Abläufe
Bauen im Bestand ist die Königsdisziplin, davon ist Andreas Kipp, Leitung Vertrieb & Marketing der Renowate GmbH, überzeugt. Er entwarf vor den geladenen IHK-Gästen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft anhand bereits realisierter Projekte in der Region einen All-in-one-Sanierungsansatz für eine einfache Kubatur, inklusive der so wichtigen Mieter-Kommunikation. Renowate, ein Zusammenschluss der Rhomberg Bau und LEG Immobilien, will einen Markt für skalierbare Sanierungslösungen schaffen und so für mehr Tempo auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand sorgen. Dabei müsse, um Überraschungen und Kostensteigerungen zu vermeiden, jedes Gebäude in der Bauvorbereitung individuell betrachtet werden. Renowate setzt auf das niederländische Energiesprong-Prinzip. Es beruht auf Digitalisierung und Standardisierung: Vorab werden objektspezifische digitale Abbilder des zu sanierenden Gebäudes gemacht und anschließend in Produktionshallen Fassaden- und Dachelemente vorgefertigt. Eine ähnliche Vorproduktion erfolgt für die Technikelemente.
Für ein Pilotprojekt hat sich auch die größte Genossenschaft der Stadt, die DWG – Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft eG, mit Renowate zusammengetan. „Die serielle Sanierung macht bislang einen kleinen Teil bei der Revitalisierung unserer 8.000 Wohnungen aus“, sagte Heiko Leonhard, Vorstand der DWG. „Das Verfahren ist noch recht teuer, aber auch deutlich schneller.“ Ein Vergleich: Konventionell saniert dauert die Fassadenerneuerung eines Hochhauses ein Jahr, seriell lediglich wenige Wochen. Weitere serielle Sanierungen seien bei der DWG bereits in Planung, zeigt sich Leonhard von den Vorteilen des seriellen Sanierens überzeugt.
Der hohe Sanierungsdruck zwingt zum Handeln
Um Kosten, Fördermittel und Genehmigungen ging es bei der anschließenden Diskussion mit Cornelia Zuschke (Planungsdezernentin der Landeshauptstadt Düsseldorf), Volker Kluitmann (Bereichsleiter Immobilienkunden bei der Stadtsparkasse Düsseldorf), Thomas Meißner (Vorstand Wohnungsgenossenschaft Wohnungsgenossenschaften am Vorgebirgspark eG) und Eike Musall, Professor für Gebäudeperformance an der Hochschule Düsseldorf. Allgemeiner Tenor der Runde: Der Sanierungsdruck ist hoch. Genaue Prozess-Steuerung ist elementar. Genehmigungsverfahren sollen zügiger laufen. Förderung muss einfacher werden.
Fest steht: Das Serielle Sanieren, vor allem auch im Hinblick auf den praktischen Einsatz von KI, steckt zwar noch in den Anfängen, aber es funktioniert. „Die Potenziale sind immens und können eine Schlüsselinnovation zur Überwindung des Sanierungsstaus sein“, betonte Niklas Schulte, IHK-Referent und Organisator der Auftaktveranstaltung. „Als IHK haben uns das Thema auf die Fahne geschrieben. Wir werden das Feedback der Teilnehmenden auswerten und gezielt weitere Informationen anbieten.“
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