Sicherheitswirtschaft im Aufbruch

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Autorin: Dr. Susan Tuchel / © AHK Baltikum
„Die Verteidigung von Vilnius ist die Verteidigung von Berlin“ – der Satz von Bundeskanzler Friedrich Merz vom Mai 2025 anlässlich der dauerhaften Stationierung der deutschen Panzerbrigade 45 an der NATO Ostflanke, war in Vilnius noch allgegenwärtig, als Ende November eine Unternehmensdelegation nach Litauen reiste, um an der German Baltic Defence Industry Conference teilzunehmen. Organisiert hatten die Unternehmensreise die IHK Düsseldorf im Schulterschluss mit weiteren IHKs und die Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen (AHK). Rund die Hälfte der 30-köpfigen Delegation kam aus Nordrhein-Westfalen – darunter auch Heismann Drehtechnik aus Velbert sowie die Messe Düsseldorf.

Litauen rüstet auf und sucht Partner

Wer sich im Angriffsfall verteidigen möchte, muss notfalls Waffen, aber auf jeden Fall im Vorfeld viel Geld in die Hand nehmen. Schon heute fließen etwas mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts Litauens in den Verteidigungsetat. Ab 2026 soll der Anteil schrittweise auf fünf bis sechs Prozent steigen. Damit würde das Land zu den NATO-Staaten mit dem höchsten Verteidigungsanteil zählen. Sichtbar wird das auch an Projekten wie der Investition von rund 300 Millionen Euro, mit der Rheinmetall ein Munitionswerk aufbaut.

Aus Sicht der IHKs war die Konferenz in Vilnius, an der alle Verteidigungsminister der drei baltischen Staaten sowie rund 300 Entscheiderinnen und Entscheider aus der Branche teilnahmen, ein willkommener Anlass, den Unternehmen aus der Region ein Gefühl für die Sicherheitslage vor Ort zu geben. Drei Tage lang besuchte die Delegation Unternehmen aus den Bereichen Drohnentechnologie, Lasertechnik und sensorgestützte Aufklärung, traf Vertreter aus Politik, Streitkräften und Wirtschaft, darunter auch die Geschäftsführerin von Rheinmetall Litauen, die über die Investitionen ihres Unternehmens vor Ort berichtete.  Besonders eindrücklich, so Ralf Schlindwein, Geschäftsführer International der IHK Düsseldorf, sei für ihn die Klarheit gewesen, mit der Litauen seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausrichte: „Innerhalb der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gibt es eine große Akzeptanz und Geschlossenheit, wie man sich zur Verteidigungs- und Sicherheitswirtschaft positioniert.“

Gleichzeitig lernten die Teilnehmer ein Verteidigungsökosystem kennen, das stark technologiegetrieben, sehr agil und nah am Einsatz ist. Unternehmen wie Granta Autonomy oder Brolis Semiconductors entwickeln Drohnen und Infrarotlasersysteme, die direkt an der Front in der Ukraine erprobt werden. Ingenieure holen vor Ort das Feedback von der Front ein und lassen deren Erfahrungen direkt in neue Produktversionen einfließen.

Neue Geschäftsfelder für den Mittelstand

Für Unternehmen aus dem IHK Bezirk Düsseldorf bietet Litauen viele B2B-Optionen: „Zum Beispiel im Bereich der Drohnentechnologie gibt es für den Mittelstand Möglichkeiten zu kooperieren. Drohnen brauchen unter anderem Kameras, Sensorik, Antriebstechnik, stabile Gehäuse, präzise Getriebe. Wer heute Kamerasysteme für Fahrzeuge entwickelt oder hochspezialisierte Metallteile fertigt, kann sich in der Sicherheitswirtschaft neue Geschäftsfelder erschließen“, sagt Schlindwein.

Einen weiteren Lerneffekt vermittelte der Blick in die Werkhallen. Bei Granta Autonomy werden die Drohnen noch weitgehend handwerklich gebaut. Statt vollautomatisierter Fertigungslinien dominieren kleine, spezialisierte Teams. Für deutsche Mittelständler eröffnet das Chancen: Wenn die Stückzahlen steigen, wächst der Bedarf an industrieller Produktion im größeren Maßstab – und damit an Partnern, die genau das können.

Neben den fachlichen Einblicken war für die Delegation vor allem eines wichtig: Orientierung in einem Markt, der sich rasant verändert. Die Reise sollte, so Schlindwein, Unternehmen „für die Situation an der NATO Ostflanke sensibilisieren“ und einen realistischen Eindruck vermitteln, wie die Verteidigungsindustrie im Baltikum arbeitet. Dazu gehörte auch das Networking innerhalb der Gruppe. Mehrere Teilnehmer loteten während der Reise mögliche Kooperationen untereinander aus. Für die IHK Düsseldorf war die Premiere auch ein Testlauf: Wie groß ist das Interesse, wie stark die Dynamik, welche Fragen bewegen die Unternehmen? „Es ging darum, Einblick in die Verteidigungsindustrie vor Ort zu gewinnen und potenzielle B2B-Kooperationen anzubahnen“, fasst Schlindwein zusammen. Und der Bedarf an Austausch reißt nicht ab: Schon jetzt ist klar, dass die Sicherheitswirtschaft zu einem festen Thema im IHK Bezirk wird – und zu einem Feld, in dem mittelständische Unternehmen frühzeitig ihre Position finden sollten.


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