Die Bundeswehr steht vor umfangreichen Modernisierungs- und Beschaffungsprozessen. Für viele mittelständische Unternehmen eröffnen sich daraus neue Perspektiven – und zwar nicht nur für klassische Hersteller von Rüstungsgütern. Auch Dienstleistungen, IT, Logistik oder Facility Management sind gefragt.
Text: Alexandra von Hirschfeld; Fotos © Andreas Endermann
Um Chancen, Hürden und konkrete Schritte in den Markt zu beleuchten, richtete die IHK Düsseldorf gemeinsam mit den Wirtschaftsförderungen Velbert und Heiligenhaus die Velberter Sicherheitsgespräche im Skyroom der IMS Arena aus. Rund 60 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren und auszutauschen.
Begrüßt wurden die Gäste von Dirk Lukrafka, Bürgermeister der Stadt Velbert, Michael Beck, Bürgermeister der Stadt Heiligenhaus, sowie Julia Niederdrenk, Vizepräsidentin der IHK Düsseldorf. Sie betonte: „Die aktuellen Beschaffungsprozesse sind nicht nur eine sicherheitspolitische Notwendigkeit, sondern auch eine wirtschaftliche Chance für viele Unternehmen aus unserer Region. Gerade der Mittelstand kann mit seiner Innovationskraft und Flexibilität einen wichtigen Beitrag leisten.“


Sicherheitspolitischer Rahmen
Oberst i.G. Dirk Franke vom Landeskommando NRW stellte die Rolle des „Operationsteams DEU“ als Teil der Gesamtverteidigung vor und ordnete die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen ein. Er machte deutlich, dass die Bundeswehr vor einem historischen Modernisierungsschub steht – sowohl bei der Ausrüstung als auch in der Kooperation mit der Wirtschaft.
Sehr konkret wurde es mit Oliver Mittelsdorf, Geschäftsführer der Knapp Service Koblenz GmbH. Das Unternehmen mit 50 Mitarbeitenden liefert seit Jahrzehnten Spezialkabel, elektromechanische Baugruppen und IT-Systeme für militärische Fahrzeuge. Er betonte: „Die Lieferketten sind über Jahre gewachsen, und die Branche ist ausgesprochen risikoavers.“


Zudem verwies er auf hohe Auflagen. Um mit militärischen Produkten arbeiten zu dürfen, seien Sicherheitsmaßnahmen wie Einzäunung, Alarmanlagen, Wachdienste und in bestimmten Fällen sogar ein Kriegswaffen-Tagebuch erforderlich. Auch Zertifizierungen wie ISO 9001 sind Voraussetzung. „Dieses Qualitätsmanagement-Zertifikat ist die Basis, um sich für Projekte im Verteidigungsbereich überhaupt qualifizieren zu können.“
Netzwerke und Nischen als Erfolgsfaktor
Neben den formalen Voraussetzungen hob Mittelsdorf die Bedeutung von Netzwerken hervor. Mitgliedschaften im Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) oder Messeauftritte seien wichtige Türöffner, auch wenn sie nicht sofort zu Aufträgen führen. Chancen böten sich für Mittelständler vor allem in Nischen oder als „verlängerte Werkbank“ für größere Systemhäuser.
Einen weiteren Einblick gab Götz Witzel, Geschäftsführer der WIMCOM GmbH, die seit 2014 über 400 Unternehmen beim Einstieg in die Verteidigungsindustrie begleitet hat. Witzel, selbst ehemaliger Bundeswehroffizier, beschrieb den Wandel seit der Zeitenwende: „Früher gab es wenig Geld und viel Zeit. Heute ist es umgekehrt – ausreichend Budget, aber enormer Zeitdruck.“
Er verwies auf den enormen Kapazitätsausbau: Bislang sei in Deutschland durchschnittlich ein Panzer pro Monat produziert worden – künftig sollen es bis zu zwei pro Tag sein. Damit stehe die Industrie vor ihrem größten Umbruch seit Jahrzehnten. Zugleich wachse das Interesse: „Tausende Firmen wollen aktuell in den Markt. Doch ohne Akkreditierung in den Lieferantenportalen der großen Systemhäuser ist kein Einstieg möglich.“
Witzel wies auch auf die bürokratischen Hürden hin. Teilnahme-Wettbewerbe, komplexe Ausschreibungen und das öffentliche Preisrecht seien Standard. Unternehmen müssten zudem mit der Offenlegung ihrer Kalkulationen rechnen – ein Instrument, das seit den 1950er-Jahren gesetzlich verankert ist, um Missbrauch in monopolistischen Märkten zu verhindern. Positiv sei dagegen die Zahlungspraxis: Rechnungen der Bundeswehr würden zuverlässig innerhalb von 30 Tagen beglichen.


Chancen mit klarer Positionierung
Die Vorträge machten deutlich: Die Verteidigungsindustrie eröffnet Chancen für Mittelständler weit über Panzer und Munition hinaus – von IT und Elektronik über Logistik und Catering bis hin zu Facility Management oder verteidigungsrelevanter Infrastruktur. Doch ohne Vorbereitung, Netzwerk und einen langen Atem ist der Einstieg kaum möglich.
Dr. Nikolaus Pfaffenholz, Geschäftsführer Unternehmensservice bei der IHK Düsseldorf, fasste die Veranstaltung zusammen: „Für viele Mittelständler ist der Verteidigungssektor ein neues Terrain. Die Velberter Sicherheitsgespräche haben gezeigt, dass es sich lohnt, dieses Feld differenziert zu betrachten. Wer sich gut vorbereitet, klare Stärken herausarbeitet und Netzwerke nutzt, kann sich auch in diesem anspruchsvollen Markt erfolgreich positionieren.“
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