Die Wirtschaft im Rheinland steckt im dritten Rezessionsjahr – dennoch bleibt das Thema Fachkräftemangel ein Dauerbrenner. Laut neuem IHK-Fachkräftereport sind fast die Hälfte aller Unternehmen betroffen. Besonders gesucht: beruflich qualifizierte Mitarbeitende und Nachwuchskräfte.
Text: Susan Tuchel, Fotos: Meike Schrömbgens
Während viele Unternehmen im Rheinland auf einen konjunkturellen Aufschwung hoffen, bleibt der Arbeitsmarkt angespannt – nicht nur in Düsseldorf, sondern im gesamten Rheinland. „Viele Unternehmen möchten durchstarten, aber ihnen fehlt das Personal. In allen Branchen“, fasst Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK, die Lage zusammen. Besonders spürbar sei das Problem in Bauwirtschaft, Einzelhandel und Dienstleistungen, aber auch die Industrie sucht händeringend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber.
Die Zahlen im gerade erschienenen Fachkräftereport der IHK-Initiative Rheinland sind alarmierend. Im Schnitt sind 46 Prozent der Unternehmen vom Fachkräftemangel betroffen, im Industriebereich liegt die Quote sogar bei über 50 Prozent. „Der größte Engpass betrifft die beruflich Qualifizierten – also Menschen mit einer abgeschlossenen Ausbildung und einer anschließenden Fortbildung etwa zum Meister oder Techniker“, erklärt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf.
Berghausen fordert: „Die Politik muss die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung stärker in den Fokus nehmen.“ Denn obwohl berufliche Aufstiegsfortbildungen wie Meister oder Fachwirt dem Bachelorabschluss gleichgestellt sind, erkennt die Gesellschaft ihren Wert oft nicht an. Hinzu kommt: Die Unternehmen kämpfen zunehmend damit, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.
Konecranes: Fachkräftesicherung in der Praxis
Am Produktionsstandort von Konecranes in Düsseldorf präsentierte die IHK-Initiative Rheinland ihren neuen Fachkräftereport. Das Unternehmen fertigt mobile Hafenkrane und Containertransporter und beschäftigt am Standort rund 1.000 Mitarbeitende. Der Bedarf an gewerblich-technischen Fachkräften sei „kontinuierlich hoch“, sagte Daniela Komolafe, Talent Acquisition Managerin. Aktuell sind rund 60 Stellen ausgeschrieben, vor allem für Mechaniker, Elektroniker und Schweißer.
Konecranes setzt deshalb auf Sichtbarkeit – online, über Social Media und klassische Stellenbörsen, aber auch lokal durch Banner, Plakate und Kooperationen mit Schulen. Zudem nutzt das Unternehmen die Belegschaft als Botschafter und weibliche Angestellte als Role-Models. „Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert nach wie vor am besten“, berichtet Komolafe. Zur Nachwuchsgewinnung bietet Konecranes Praktika, Schultage im Unternehmen und Kampagnen an Verkehrsknotenpunkten an.
Ein weiterer Baustein ist die Weiterbildung: „Wir verstehen Qualifizierung als Investition in die Zukunft“, betont Tanja Walterscheidt, Senior Talent Acquisition Specialist. Fast alle Auszubildenden werden übernommen und haben die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Das sei nicht nur ein Bindungsinstrument, sondern sichere langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Und viele junge Menschen entdecken, dass sich eine 35-Stunden-Woche positiv auf die Work-Life-Balance auswirkt.
Mehr Tempo, weniger Hürden
Die IHKs im Rheinland fordern Entlastung bei der Bürokratie, flexiblere Arbeitszeiten und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Arbeitszeiten müssen zum Leben passen, sonst bleiben Arbeitsplätze unbesetzt“, so Berghausen. Vor allem im Gastgewerbe oder in der Hotellerie führt das starre Arbeitszeitgesetz zu Schließungen, weil Personal fehlt.
Auch das Thema Zuwanderung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Fachkräftereport nennt Indien, die Türkei, Russland und den Kosovo als wichtigste Herkunftsländer. Doch Berghausen mahnt: „Wir haben nicht zu wenig Instrumente, wir haben zu wenig Tempo in den Verfahren.“ Die IHKs begrüßen daher die Initiative des Landes, Welcome Center aufzubauen, fordern jedoch eine flächendeckende Umsetzung über das Rheinische Revier hinaus.
Die Hauptsache sei, alle Zielgruppen zu erreichen, betont Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer IHK Mittlerer Niederrhein. Dazu zählen nicht nur Fachkräfte aus dem Ausland, sondern auch rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland ohne Berufsabschluss sowie Schülerinnen und Schüler, die nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden. „Wir stehen am Anfang eines Generationenwechsels“, sagt Berghausen. Umso wichtiger sei es, junge Menschen frühzeitig für eine Ausbildung zu begeistern. Die IHKs setzen dabei auf gezielte Maßnahmen wie Ausbildungsbotschafter, Speed-Datings und Beratungsangebote. Trotz aller Herausforderungen zeigt sich Berghausen zuversichtlich: „Der Zug ist langsam, aber er bewegt sich. Wenn wir an allen Stellschrauben drehen, bleibt Düsseldorf ein starker Wirtschaftsstandort.“
Hier geht es zum Fachkräftereport 2025
https://www.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/6630756/66562a53e225e39729a4a846ee5689fd/rz-ihk-fachkra-ftereport-iir-digital-data.pdf
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