Antiquitäten und fast Vergessenes

Markus Wildhagen verkauft und verleiht Raritäten aus den letzten 100 Jahren

Markus Wildhagen
Markus Wildhagen verkauft und verleiht Raritäten aus den letzten 100 Jahren.

Text: Sylvia Rollmann, Fotos: Paul Esser
So muss es gewesen sein, damals, in den goldenen 1920er-, den wilden 1950er- oder den schrillen 1970er-Jahren. Hier elegante Sideboards aus tropischen Hölzern, mit feinen Intarsien, auf Hochglanz poliert, dort weich gepolsterte Clubsessel, bunte Tütenlampen und Nierentische. Nur ein paar Meter weiter Plastikmöbel in knalligem Orange und Apfelgrün. In den Hallen der ehemaligen Likörfabrik an der Friedenstraße in Düsseldorf wird die Vergangenheit lebendig. Unter dem Namen „Wandel“ sammelt, verkauft und verleiht Markus Wildhagen Antiquitäten und fast Vergessenes aus den letzten 100 Jahren.

Auch Schrilles aus den 1970ern ist im Angebot.

Stundenlang könnte man das Inventar durchstöbern und doch immer Neues entdecken. Rund 30.000 Stücke hat Wildhagen zusammengetragen und in seinem Loft nach Epochen, Stilen und Themen sortiert. Eine Zeitreise. Möbel und Kunst, Koffer und Sportgeräte, Schmuck und Skulpturen, Lampen und Leuchten. Kontinuierlich wird der Fundus erneuert und sucht seinesgleichen. So gilt Wildhagen europaweit als größter Anbieter von Antiquitäten, Art-Déco- und Vintage-Unikaten.

Stücke mit Geschichte

„Wer hier etwas kauft, der kauft ein Stück Geschichte“, sagt der gebürtige Düsseldorfer. Er liebt es, Dinge zu besitzen, die sonst niemand hat. Seltenes, Wertvolles oder einfach nur Schönes, das die Kunden emotional berührt. An einigen Stücken hängt sein Herz besonders, so etwa an der antiken Art-Déco-Bar, an der er von Zeit zu Zeit einen frisch gebrühten Kaffee genießt, oder dem halbrunden Schreibtisch, der in den 1930er-Jahren dem brasilianischen Botschafter in Berlin gehörte. „Das sind wahre Schätze. Die findet man nicht im Internet“, betont der 53-Jährige, der seine Raritäten auf der ganzen Welt erstanden hat.
Schon mit 14 Jahren packte Markus Wildhagen die Sammelleidenschaft. Zuerst waren es Brillen, dann Bibeln, später Zigarrenpapier. „Mein Großvater war Architekt. Er hat mir früh beigebracht, dass Dinge einen Wert haben und es sich lohnt, sie in Ehren zu halten“, erzählt der gelernte Industriekaufmann. 1993 machte er die Leidenschaft zum Beruf. Im Düsseldorfer Hafen fiel der Startschuss, zunächst auf 200 Quadratmetern. Fünf Jahre später folgte der Umzug an die Worringer Straße, dann, 2011, der Wechsel nach Unterbilk, wo nun 1.300 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Ein notwendiger Luxus, denn „Wandel“ ist Vielfalt.

Wer das Besondere sucht, ist im „Wandel“ richtig.

Requisiten für Hollywood

Mit nahezu jedem Geldbeutel wird man hier fündig. Es gibt das Likörglas für sieben Euro ebenso wie die Bronze-Skulptur für mehrere tausend. Auch unrestaurierte Möbel stehen zum Verkauf. „Der Kunde entscheidet, ob und wie das Stück der Wahl gestaltet wird“, erklärt der Händler. In der eigenen Werkstatt repariert, polstert, beizt und streicht sein Team nach Wunsch. Andere Objekte sind nur für den Verleih bestimmt, damit gestaltet Wildhagen Geschäftsräume und Schaufenster, setzt Firmenevents, Mottopartys und Familienfeiern in Szene. Auch in Theaterstücken und Werbeclips sind seine Requisiten zu sehen.
Sogar in der Filmszene hat sich der Sammler einen Namen gemacht. Produktionen wie „Das Wunder von Bern“, „Babylon Berlin“ oder „Hotel Lux“ statteten ihre Kulissen mit seinen Möbeln und Accessoires aus. Sogar Requisiteure aus Hollywood leihen oder kaufen bei „Wandel“. In „Das Parfum“ sind es Teile des Labors, in „Operation Walküre“ die Möbel und Lampen, im oscarprämierten „Grand Budapest Hotel“ die Zimmerschlüssel. „Mal verleihen wir eine einzelne Streichholzschachtel, mal ganze Lkw-Ladungen.“

Vor der Kamera bei „Bares für Rares“

Seit 2017 steht Markus Wildhagen auch selbst vor der Kamera. In der ZDF-Show „Bares für Rares“ feilscht er mit Kollegen um die Fundstücke privater Anbieter. „Seitdem hat ein regelrechter Bares-für-Rares-Tourismus eingesetzt“, sagt er. Die Kundschaft sei bunter geworden und reise von weither an, um sich bei „Wandel“ umzusehen. Das Problem: „Inzwischen bitten mich schon Elfjährige, ihre vermeintlichen Schätze zu bewerten“, andere kämen mit vollen Lastwagen, so der TV-Händler. „Das ist nicht meine Aufgabe. Ich bewerte keine Antiquitäten, ich verkaufe sie.“ Trotzdem möchte er die Auftritte im Fernsehen nicht mehr missen. „Wir sind ein lustiger Haufen, haben viel Spaß bei dem, was wir tun.“ Und nicht zuletzt wandert dabei zuweilen auch Rares in Wildhagens Fundus – gegen Bares, versteht sich.

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