Autofreie Innenstadt – eine gute Idee?

Innenstädte ohne Autos - was spricht dafür, was dagegen?

Autofreie Innenstadt

Pro: Ich plädiere für mehr Mut


Städte sind für die Menschen da, nicht für tonnenweise Stahl, der herumsteht, die Straßen verstopft, die Gesundheit der Menschen gefährdet und die Aufenthaltsqualität mindert. Der autofreien Stadt gehört die Zukunft, sie ist klimapolitisch zwingend erforderlich. Wir müssen die Städte klimawandel-resilient gestalten. Innenstädte brauchen mehr Platz für Grün und umweltfreundliche Mobilität – aber weniger Autos. Es gibt zudem kein Recht auf den Parkplatz. Der öffentliche Raum gehört allen. Aber er wird über die Maßen vom Auto belegt, und das zu geringen Kosten. Das kann nicht angehen. Ich plädiere für mehr Mut. Die Widerstände gegen den Wandel sind groß. Dabei vergleicht sich Düsseldorf doch gerne mit Städten wie Paris, Rom, Stockholm oder Mailand. Dort aber setzt man darauf, das Auto aus der Stadt zu verdrängen. Letztlich wird auch der Einzelhandel davon profitieren, wenn die Innenstadt neugestaltet wird. Die Königsallee zum Beispiel hat schon viel Grün. Aufenthaltsqualität und Erlebnischarakter steigen, wenn die Autos verschwinden, dafür aber mehr Leben auf die Straße kommt.

Autofreie Innenstadt
Dirk Jansen, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, ist Geschäftsleiter des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen
Foto: Alexandra Kowitzke/KlimaDiskurs.NRW

Die Menschen halten sich dann gerne dort auf und konsumieren auch mehr. Man muss natürlich entsprechende Push- und Pull-Faktoren setzen. Zum „Zuckerbrot“ gehört, dass die Innenstadt erreichbar bleibt. Für Besucher aus der Region und dem ländlichen Raum muss es ausreichend Park+Ride-Plätze geben. Dazu einen gut funktionierenden, pünktlichen und sauberen öffentlichen Nahverkehr. Bei der Preisgestaltung hat es für den ÖPNV mit dem 49-Euro-Ticket bereits eine wesentliche Verbesserung gegeben. Auf der anderen Seite wäre als „Peitsche“ darüber nachzudenken, eine Citymaut einzuführen. In London oder in Stockholm funktioniert diese sehr gut. Notwendig ist auch, Parkraum konsequenter zu bewirtschaften und mehr Autoverkehrsflächen umzuwidmen, freizumachen für Grün, umweltfreundlichen Verkehr und mehr Aufenthaltsqualität. Für Menschen, die in der Stadt wohnen und das Auto brauchen, sind mehr Quartiersgaragen erforderlich. Mit der autofreien Innenstadt würde nicht nur die Lebensqualität steigen, sondern auch der Wirtschaftsstandort gestärkt werden.

Contra: Geschäfte müssen mit dem Auto erreichbar sein

Düsseldorf ist eine Einkaufsstadt mit Geschäften, die es im Umkreis von 200 bis 300 Kilometern nicht gibt. Das Angebot kann man nicht mit dem anderer Städte vergleichen. Die Geschäfte leben gerade jetzt davon, dass sie mit dem Auto erreichbar sind. Vor den aktuellen Krisen hatten Messegäste aus aller Welt und Besucher aus Russland und der Ukraine einen hohen Anteil an den Umsätzen, doch ihre Zahl ist stark zurückgegangen.
Umso wichtiger sind nun die Kunden aus der Region, aus den Benelux-Staaten und dem weiteren Umfeld.
In den Parkhäusern sieht man zum Beispiel Autos aus Hannover, Limburg im Westerwald und aus dem Ruhrgebiet ohnehin. Die Menschen reisen mit dem Auto an und erwarten, dass sie in der Nähe der Geschäfte parken können. Die Königsallee ist hier auch für die anderen Einkaufsstraßen ein Zugpferd. Zum Lebensgefühl der Kö gehört der Luxus. Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage ändern vermögende Menschen ihren Konsum kaum. Sie werden weiterhin für gute Umsätze in Düsseldorf sorgen.

Autofreie Innenstadt
Peter Wienen, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Königsallee
Foto: IG Kö

Für viele von ihnen ist das Auto ein Statussymbol. Sehen und gesehen werden – das funktioniert gerade auf der Kö sehr gut. Die Präsentationen haben Unterhaltungswert, deshalb sind die Außenterrassen wichtig. Dazu gehört auch der Autoverkehr auf beiden Seiten des Kö-Grabens. Das gebietet schon der Symmetriegedanke, der hinter dem Konzept der Allee, einem denkmalgeschützten Gründenkmal, steht. Damit dieses erfolgreiche Modell der Prachtmeile leben kann, braucht es die Akzeptanz der Bürger. Düsseldorf ist in den zurückliegenden Jahren in die Mitte Europas gerückt. Auch Handelsunternehmen – insbesondere aus dem Luxussegment – schauen darauf, wie sich die Stadt entwickelt, wer dort vertreten ist. Für sie hat der Standort als Marketinginstrument einen hohen Stellenwert, nicht nur wegen der Umsätze. Daher ist es wichtig, dass die Menschen gerne in die Geschäfte kommen, und dafür braucht es einen guten Zugang per Auto. Eine autofreie Innenstadt wäre im höchsten Maße kontraproduktiv. Im Übrigen wird sich die Frage nach Emissionsbelastungen in wenigen Jahren durch die Umstellung auf Elektromobilität ohnehin lösen.

Text: Jürgen Grosche, Foto (oben): Andreas Endermann


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