Brexit: Vorbereitung auf den No-Deal

Viele Unternehmen sind gut aufgestellt, aber es bleiben Fragen offen.

Text: Jürgen Grosche, Foto: Adobe Stock

Ende des Jahres 2020 wird Großbritannien nach dem Austritt aus der Europäischen Union auch den EU-Binnenmarkt verlassen. Noch immer verhandeln beide Seiten über ein Abkommen, das die Wirtschaftsbeziehungen regelt, bislang ohne Ergebnis. Droht ein Zusammenbruch des Handels, oder ist die Wirtschaft auch auf einen No-Deal vorbereitet? Unternehmen schätzen die Lage unterschiedlich ein. „Wir sind gut aufgestellt und auf die neue Situation vorbereitet“, sagt Anika Fischer, Zollbeauftragte der Rhenus Gruppe für Deutschland. Die Rhenus Gruppe ist einer der führenden weltweit operierenden Logistikdienstleister mit 33.000 Beschäftigten an über 750 Standorten weltweit, darunter lokale Präsenzen sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien.

Die Abläufe optimieren

„Wir haben mit Lieferungen und Zolldienstleistungen in und aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten Erfahrung“, sagt die Zollexpertin, „und wir optimieren die Abläufe so, dass die Kunden vom Brexit möglichst wenig mitbekommen.“ Rhenus hat zusätzliche Lagerkapazitäten geschaffen, um Puffer zu bilden und Lieferengpässe zu verhindern. Zudem sind die Rhenus-Beteiligungen sowohl auf EU- als auch auf britischer Seite AEO-zertifiziert und verfügen über alle notwendigen Zollbewilligungen, darunter die als zugelassener Versender und Zugelassener Empfänger. Dadurch können Zollanmeldung und -abfertigung von der Grenze ins Hinterland verlagert werden. Selbst für die Abfertigung an der Grenze gibt es eingespielte Prozesse. „Der bürokratische Aufwand für Transporte aus und in das Vereinigte Königreich wird steigen, ist aber kalkulierbar“, sagt Anika Fischer. Dennoch räumt sie ein, dass viele Fragen noch nicht geklärt sind, etwa die zollrechtliche Ausgestaltung und die finale Höhe der bei einem Austritt entstehenden Zölle.

„Das wird für viele zu teuer, zu kompliziert, zu langsam“

Dr. Tilo Weiß, JSP Safety

Zu den ungeklärten Fragen gehören aber auch einige existenziell wichtige Themen, merkt Dr. Tilo Weiß an. Er ist Geschäftsführer der Düsseldorfer Tochter von JSP Safety, einem britischen Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung. Weiß sieht ein großes Problem darin, dass viele Details, etwa Patentrechte oder Verordnungen für Chemikalien, noch nicht ansatzweise geklärt sind, da ja der große Rahmen noch nicht stehe. Schwere Zeiten sieht er für britische wie EU-Unternehmen ohne Standbein im jeweils anderen Zollgebiet kommen. Zölle seien weniger das Problem, die zahle China auch. Aber insbesondere auf kleinteilige Lieferungen seien die Behörden auf beiden Seiten nicht vorbereitet. „Das wird für viele zu teuer, zu kompliziert, zu langsam“, befürchtet Weiß.
JSP Safety selbst sei gut vorbereitet. Die Entscheidung, ein Tochterunternehmen in Deutschland zu gründen, sei schon vor dem Brexit gefallen. JSP Safety baute vor zwei Jahren eine Produktion von Industrie-Schutzhelmen samt Logistik, Warenlager und Disposition auf und beliefert den europäischen Markt. Nun folgt eine Produktion von Atemschutzmasken. In den beiden Jahren hat JSP 35 Mitarbeiter angestellt. „Die gleiche Zahl folgt in den kommenden zwölf Monaten“, sagt Weiß. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass JSP Safety den Brexit meistern wird.“

Die Geschäftsstruktur muss passen

Betroffen sind auch global tätige Unternehmen, die ihr europäisches Geschäft von Düsseldorf aus betreiben, wie das japanische Unternehmen Marubeni, das seit 1957 in Düsseldorf vertreten ist. Es handelt in verschiedenen Industriesegmenten mit einer breiten Palette von Waren, Ausrüstungen und Rohstoffen. Als Reaktion auf den Brexit hat die europäische Tochtergesellschaft ihre Geschäftsstruktur neu organisiert. „Wir sind zuversichtlich, dass die von uns ergriffenen Maßnahmen sicherstellen werden, dass unser Geschäft nach Dezember 2020 weiterhin reibungslos funktioniert“, sagt Tadashi Terada, General Manager der Niederlassung Marubeni Europe plc in Düsseldorf.

Ist an alles gedacht?

„Viele Unternehmen haben sich, soweit es möglich ist, bereits auf den No-Deal vorbereitet“, weiß Felix Neugart, Geschäftsführer International bei der IHK Düsseldorf. Er rät aber, sicherzustellen, dass Betriebe alle Bereiche auf mögliche Folgen abklopfen. Die IHK hat dazu einige Informationen auf ihrer Webseite eingestellt und die IHK-Experten helfen gerne bei Anfragen. Zudem bietet die Kammer gemeinsam mit dem britischen Generalkonsulat und dem NRW-Wirtschaftsministerium am 19. Oktober auf NRW-Ebene eine größere digitale Veranstaltung zu den handelsbezogenen Regelungen nach dem Brexit an (Informationen dazu unter E-Mail butschen@duesseldorf.ihk.de). „Für NRW ist Großbritannien ein überdurchschnittlich wichtiger Handelspartner“, sagt Neugart. Die Insel hatte 2019 einen Anteil von 5,5 Prozent am gesamten NRW-Export und 3,8 Prozent am Import.

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