Das Pinguin-Prinzip

Für Jugendliche ist es wichtig, sich bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz im „eigenen Element“ wiederzufinden.

Yale Yilmaz, Ausbildungslotsin bei der IHK Düsseldorf, moderiert das digitale Blind-Date eines Bewerbers und der Vivalu GmbH.

Text: IHK-Redaktion, Foto: Paul Esser

Für Unternehmen, die ausbilden möchten, ist es wichtig, dass Auszubildende sich von Anfang an wohlfühlen. Beide Seiten – junge Menschen wie auch Mitgliedsunternehmen – unterstützt die IHK Düsseldorf deshalb durch Services in der Berufsorientierung und Arbeitsplatzvermittlung. Was aber tun, wenn Präsenzveranstaltungen entfallen, die Jugendlichen hingegen nach wie vor Orientierung und – mehr noch – ihre berufliche Perspektive suchen? Für das Team von Jens Peschner, Bereichsleiter für Ausbildungsberatung bei der IHK Düsseldorf, brachte die Pandemie genau diese Herausforderung mit sich: Innerhalb kürzester Zeit mussten neue und passgenaue Digitalformate entwickelt werden, mit denen die Zielgruppen nicht nur erreicht, sondern auch deren Bedarfe gedeckt werden konnten. Dass dafür zusätzliche Vorarbeit notwendig sein würde, war Peschners Team dabei direkt klar. Zunächst habe man mit Befragungen von Schulen sowie Unternehmen begonnen und diese dann sehr schnell ausgewertet, sagt er. „Das war eine Grundvoraussetzung für uns, um innerhalb kürzester Zeit handlungsfähig zu sein – und das waren wir als Matching- Team erfreulicherweise bereits einen Monat nach dem ersten Lockdown 2020.“

„Es geh um die Frage, ob die ‚Chemie‘ zwischen beiden Parteien stimmt“

IHK-Ausbildungslotsin Yale Yilmaz

Von den neuen Möglichkeiten werden Ausbildungsplatzsuchende und Unternehmen nun langfristig profitieren – auch, weil Formate wie das digitale Azubi-Blind-Date oder das Azubi-Speed-Dating Digital nach der Pandemie weiterhin stattfinden sollen. Innovativ sind die Angebote dabei nicht nur, weil sie ohne Präsenz auskommen, sondern weil ihnen eine besondere Philosophie zugrunde liegt. So löst sich das Vermittlungsformat des digitalen Azubi-Blind-Dates zum Beispiel von Formalkompetenzen, die bei Bewerbungsverfahren häufig im Fokus stehen: Jugendliche, die eventuell nicht die besten Noten mitbringen, bekommen hier die Chance, ihre Stärken und ihre Motivation zu präsentieren. Die Gespräche werden IHK-seitig nicht nur moderiert, sondern auch auf die Einhaltung bestimmter Regeln geprüft. „Es gibt Regeln wie ‚Du darfst nicht fragen, um welches Unternehmen es sich handelt!‘ oder ‚Sie dürfen nicht fragen, welche Note er/sie in Mathe hat!‘“, so IHK-Ausbildungslotsin Yale Yilmaz. Es gehe folglich zunächst um die Frage, ob die „Chemie“ zwischen beiden Parteien stimmt.

Es zählt nicht die Zwei plus in Mathematik

Online-Beratungen gehören bei der IHK zum täglichen Geschäft.
Foto: IHK Düsseldorf

Auch auf Unternehmensseite kommt die Idee gut an. „Fürsorge, Empathie, Haltung und Neugier sind für uns die Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Zusammenarbeit, nicht eine Zwei plus in Mathematik. Solche Werte kann man nur im persönlichen Gespräch ermitteln, und zwar am besten unbelastet von Lebensläufen und Zeugnissen“, sagt Andrea Wagener, Director Finance der Vivalu GmbH in Düsseldorf. Eine weitere Erkenntnis des IHK Matching-Teams: Die digitalen Bewerbungsprozesse sollten für Jugendliche möglichst einfach gehalten sein. Beim Azubi-Speed-Dating Digital haben Ausbildungsplatzsuchende und Unternehmen in Zehn-Minuten-Slots die Möglichkeit, einander kennenzulernen – die Bühne für das Gespräch bereitet die IHK. Der Upload des Lebenslaufes entfällt für die Jugendlichen zudem komplett. „So werden Hürden abgebaut. Gleichzeitig wird berücksichtigt, dass nicht alle jungen Menschen über dieselben Digitalkompetenzen verfügen“, so Peschner.

Von Pinguinen und digitalen Ausbildungsbotschaftern

Um mit möglichst wenig Hemmnissen in ein Bewerbungsgespräch starten zu können, sollte man sich als Bewerberin oder Bewerber zunächst darüber im Klaren sein, was man eigentlich möchte. Die wichtigste Frage dabei: Welches Umfeld braucht es, um die eigenen Potenziale bestmöglich entfalten zu können? Um die Bedeutung des passenden Umfeldes zu veranschaulichen, nutzt Eckhart von Hirschhausen die „Pinguin-Metapher“. Während der Pinguin sich an Land eher etwas unbeholfen fortbewegt, fühlt er sich im Wasser nicht nur besonders wohl, sondern ist auch noch blitzschnell. Bewerberinnen und Bewerber sollten sich fragen: Was ist mein – im übertragenen Sinn – Wasser? Das mehrstündige digitale Berufswahltraining der IHK Düsseldorf orientiert sich daher an genau dieser Leitfrage. Während es bei der fast dreistündigen Veranstaltung via Live-Stream also „direkt ins Klassenzimmer“ geht und das IHK-Beratungsteam die Interaktion mittels Doppelmoderation begleitet, können Schülerinnen und Schüler für sich herausfinden, was sie im beruflichen Kontext zum Wohlfühlen brauchen. Häufig hat das Team der IHK zur Unterstützung Azubis aus Unternehmen dabei. Diese digitalen Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter können am authentischsten erzählen, wie eine Ausbildung eigentlich abläuft.

„Für mich waren die digitalen Einsätze eine besondere Erfahrung“

Lisa Trapp, Ausbildungsbotschafterin

Auch Lisa Trapp ist Ausbildungsbotschafterin. Sie arbeitet bei der Orthomol GmbH in Langenfeld und hat in diesem Jahr ihre Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen. „Für mich waren die digitalen Einsätze eine besondere Erfahrung. Ich konnte jungen Menschen einen tollen Ausbildungsberuf vorstellen und Vorurteile gegenüber einer Ausbildung abbauen“, zieht sie ihr Resümee. Die Verantwortung, die Ausbildungsbotschafterinnen und Ausbildungsbotschafter sowie externe Partnerinnen und Partner in Zusammenarbeit mit der IHK Düsseldorf übernommen haben, um Jugendlichen und Unternehmen auch in Krisenzeiten bei Fragen rund um das Thema Ausbildung zur Verfügung stehen zu können, hat sich ausgezahlt. Lob gibt es auch von Seiten der Schulen. So weist Bettina Wohlrab, Lehrerin und Koordinatorin der Studien- und Berufsorientierung an der Carl-Fuhlrott-Realschule in Erkrath, auf die Bedeutung der digitalen Ausbildungsbotschafter „in einer Zeit, in der zentrale Bausteine der beruflichen Bildung weggebrochen sind“ hin. „Als unsere Abgangsklassen in Fragen der beruflichen Orientierung weitgehend auf sich allein gestellt waren, erwies sich die IHK als verlässlicher Partner“, sagt sie.

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