Eine neue Oper Am Werhahn

Pro & Contra: Ist der Neubau in der Düsseldorfer Innenstadt eine gute Idee?

Text: Dieter Sieckmeyer, Illustration: Maria Corbi

Pro: Gründlich denken beim Opern-Bau

Die Innenstädte werden sich in den nächsten Jahren durch Corona, Homeoffice, Einzelhandelssterben und Internethandel massiv verändern. Darum bietet sich beim Neubau der Oper eine große Chance, Weichen in mehrerlei Hinsicht für die Zukunft zu stellen. Kulturbauten sind mehr als reine Zweckbauten, sie sind öffentliche Orte der Begegnung und Diskursplattformen für eine vitale Stadtgesellschaft und strahlen weit über eine Kommune hinaus. Deshalb geht es in der jetzigen Phase darum, den Bürgerdialog zu suchen und sich die Fragen zu stellen: Was muss Oper für die Zukunft leisten können? Was erwarten die Bürger von einem Multi-Mix-Gebäude, in dem unter anderem auch eine Oper enthalten ist? Ich halte es für wichtig, bei einem für die Stadtgesellschaft so zentralen Bauwerk groß zu denken. Gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Attraktivierung eines ganzen Stadtviertels.

Dr. Hagen W. Lippe-Weißenfeld ist gelernter Bankkaufmann, war lange Vorstand der Kunstsammlung NRW und entwickelt als Geschäftsführender Gesellschafter mit seiner Projektschmiede GmbH architektonische und digitale Projekt für Städte und Verwaltungen. Foto: Projektschmiede GmbH

Ein Neubau auf dem Kaufhof-Gelände Am Wehrhahn mit einer Fläche von 8.400 Quadratmetern eröffnet völlig neue Chancen. Wenn man die gegenüberliegende Fläche von Karstadt mit in die Planung einbezieht, sind es sogar rund 15.000 Quadratmeter. Dort kann dann viel mehr als ein Opernhaus entstehen – ein klimaneutraler Multifunktions-Bau mit Handel und Gastronomie, Kunst und Kultur, in dem zum Beispiel auch ein Fotoinstitut Platz findet. Ich denke an eine umfassende städtebauliche Quartiersentwicklung, die eine synergetische Verbindung verschiedener Bedarfe ermöglicht und überdies an einen traditionsreichen, historischen Kulturstandort – Tonhalle(nstraße)! – anknüpft. Und die mit Blick auf die Lage innerhalb des Blaugrünen Rings vielleicht auch unter Mobilitätsgesichtspunkten der Zukunft eine Tonhallenstraße verzichtbar macht, so dass beide Grundstücke zu einem Quartier verschmelzen können. Wenn beide Grundstückseigentümer – René Benko (Kaufhof) und die Berliner Ärzteversorgung (Karstadt) – gemeinsam mit der Stadt einen internationalen Architekten-Wettbewerb ausloben, sollten diese potenziellen Quartiersentwicklungsmöglichkeiten unbedingt mit einfließen. Es braucht nicht weniger als einen städtebaulich großen Wurf, einen echten Quantensprung, der weitere positive Impulse für die Stadtentwicklung nach sich zieht! Fest steht, dass der Neubau der Oper ein großes Zukunftsprojekt für Düsseldorf ist, was herausragende Chancen für die Stadtentwicklung bietet. Wir dürfen auf keinen Fall verpassen, hieraus etwas Gutes für die Bürgerschaft zu machen

Contra: Die Chance der Hofgarten-Oper

Es gibt einen Unterschied zwischen Ort und Raum. Ein Ort ist mit Emotionen und Erinnerungen aufgeladen, vom Treffen mit Freunden oder beeindruckenden kulturellen Begegnungen. Ein Aspekt, der auch bei der Standort-Diskussion der Deutschen Oper am Rhein eine starke Rolle spielen sollte. Die Oper ist ein Ort, nicht nur einfach ein Raum, den man beliebig versetzen kann. Der Neubau am jetzigen Standort ist eine große Chance. Seit die Deutsche Oper am Rhein 1875 eröffnet wurde, haben sich viele andere Gebäude herum angesiedelt. Sie ist Teil des Stadtbildes, eines Ensembles, das im Kontext mit anderen ikonenhaften Bauwerken gesehen werden muss, vom Dreischeibenhaus über die Kunsthalle, dem Schauspielhaus von Pfau bis zum Kö-Bogen I und II.


Marcel Abel ist seit dem Ende seiner Ausbildung 1999 bei Jones Lang Lasalle und leitet als Geschäftsführender Direktor das Düsseldorfer Büro mit 110 Mitarbeitern. Außerdem ist er Handelsrichter beim Landgericht Düsseldorf. Foto: JLL

Als Hofgarten-Oper und Teil eines kulturellen Rundgangs kann das Haus einen entscheidenden Beitrag zur Stadtentwicklung leisten, wenn nicht nur analog zelebriert wird, sondern eine Öffnung auch für Nicht-Opern-Gänger stattfindet. Dazu gehören eine kreative Gastronomie ebenso wie eine Vielzahl von digitalen Zusatzangeboten und Workshops für die Öffentlichkeit und Schulen. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren viele angrenzende Gebäude neu entwickelt werden, insbesondere an der Kö-Westseite, nachdem die Banken HBSC und die Commerzbank den Standort verlassen haben. Architektonisch könnte die Hofgarten-Oper dabei eine entscheidende Rolle spielen. Ganz im Gegensatz zu einem Standort Am Wehrhahn. Da wäre die Oper nur ein Raum, ein Modul inmitten von Kommerz, ein Junior-Partner des Konsums. Das wäre eine vertane Chance. Dass ein Neubau an dieser Stelle eine Interims-Lösung ermöglicht, darf keine Rolle spielen. Eine Oper wird für mehr als 80 Jahre gebaut, das ist nachhaltig. Stattdessen kann man die Bauzeit nutzen, um andere Bereiche aufzuwerten, so wie der Cirque du Soleil das gemacht hat. Eine provisorische Oper könnte in Mörsenbroich, Lierenfeld oder auf dem Großmarkt stehen. Das sind Standorte, die dann mit anderen Augen gesehen und entwickelt werden können. Die Hofgarten-Oper ist eine Chance für die ganze Stadt. Nutzen wir sie.

Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 02/2021 berichtet.