Fokus auf den Netzausbau

Aus der IHKFokus auf den Netzausbau

Text: Alexandra von Hirschfeld, Fotos: Meike Schrömbgens
Die Energiewende stellt Nordrhein-Westfalen vor immense Herausforderungen. Als Industriestandort ist das Bundesland nicht nur auf eine stabile Energieversorgung angewiesen, sondern auch auf wettbewerbsfähige Preise. Mit der Veranstaltung 
„Fokus auf den Netzausbau“ brachte die IHK NRW in Düsseldorf Experten aus Energiewirtschaft, Politik, Klimaschutz und Unternehmerschaft zusammen, um Lösungswege zu diskutieren. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl gab die Veranstaltung Impulse, wie das strategische Mammutprojekt gemeistert werden kann.

Die Dringlichkeit der Lage

Der steigende Energiebedarf durch die Transformation hin zu erneuerbaren Energien und die Elektrifizierung der Industrie treffen auf eine unzureichende Netzinfrastruktur. „Die Wirtschaft in Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen – noch nie hatten wir in den IHK-Konjunkturumfragen so schlechte Ergebnisse“, betonte IHK NRW-Präsident Ralf Stoffels eingangs. Besonders kritisch sind die Energiekosten, die im internationalen Vergleich deutlich höher ausfallen. Während Unternehmen in den USA oder China zwischen sieben und zehn Cent pro Kilowattstunde zahlen, liege der Durchschnitt in Deutschland bei 18 Cent – ein enormer Wettbewerbsnachteil, so Stoffels. Dieser Eindruck wird auch durch Umfrageergebnisse der IHK Düsseldorf unterstrichen: Die Auswirkungen der Energiewende im Allgemeinen auf ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit sehen 44 Prozent der Betriebe kritisch oder sehr kritisch.

Netzausbau als Schlüssel zur Energiewende

Die Veranstaltung verdeutlichte, dass ein beschleunigter Netzausbau unverzichtbar ist, um die Energiewende voranzutreiben. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur hob hervor: „Netzausbau ist kein Selbstzweck, sondern essenziell, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und wettbewerbsfähige Preise zu erzielen.“ Die zu meisternden Hürden sind jedoch vielfältig. „Beim Netzausbau stehen wir vor drei großen Herausforderungen: der Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, der Finanzierung sowie dem Fachkräftemangel im Tiefbau und in der Montage – letzterem zu begegnen, könnte ein echter Game-Changer sein“, sagte Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf. Mounier erklärte, dass die Ausbaukapazität in den nächsten fünf Jahren verdoppelt oder verdreifacht werden müsse. Ohne Lösungen für den Fachkräftemangel sei dies nicht umsetzbar. Daher setze man unter anderem verstärkt auf die Ausbildung in diesen Bereichen.

Tauschten sich über den Netzausbau aus: Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Düsseldorf und IHK-Vizepräsident Julien Mounier mit Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, und IHK NRW-Präsident Ralf Stoffels (v.l.).

Stromgebotszonenteilung: eine kontroverse Diskussion

Die Aufteilung der deutschen Stromgebotszone wurde kontrovers diskutiert. Während Vorteile wie effizientere Preissignale und geringere Kosten für die Abregelung von Erneuerbare Energien-Anlagen (sog. Redispatch-Kosten) genannt wurden, warnten Experten vor praktischen Problemen. Müller betonte: „Ein Split des Energiemarkts würde die Solidarität gefährden und Konflikte über Kostenverteilungen auslösen.“ Besonders in Regionen mit wenigen erneuerbaren Energien wie Süddeutschland, könnten die Strompreise stark steigen, während der Norden von günstigeren Preisen profitieren würde – ein Risiko für die Akzeptanz der Energiewende. Zudem sei die technische Umsetzung langwierig. Müller plädierte stattdessen für einen beschleunigten Netzausbau, um Engpässe zu beheben und Redispatch-Kosten zu senken.

Regionale Ansätze und ganzheitliche Planung

Die regionale Dimension des Netzausbaus war ebenfalls ein zentraler Diskussionspunkt. Jürgen Noch, Geschäftsführer der Westfalen Weser Energie, hob das Potenzial erneuerbarer Energien in NRW hervor, das jedoch nur durch einen konsequenten Netzausbau vollständig genutzt werden könne. „Wir müssen den ungesteuerten Ausbau der erneuerbaren Energien endlich lenken, denn wir kommen mit der Netzinfrastruktur nicht hinterher“, sagte er. Auch die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Planung wurde betont. Carsten Liedtke, Sprecher des Vorstands der Stadtwerke Krefeld, forderte sektorübergreifende Ansätze wie die Integration von Windenergie in Wärmesysteme und die Nutzung bestehender dezentraler Kraftwerke. Dr. Fabian Huneke von Agora Energiewende ergänzte: „Elektrifizierung ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung und wird den Stromverbrauch in Deutschland bis 2045 verdoppeln.“ Dafür seien ein schneller Ausbau von erneuerbaren Energien und Speichersystemen sowie eine Reform des Strommarktdesigns erforderlich.

Dennis Höfer, Referent für Klimaschutz und Energiewende der IHK Düsseldorf, betont nach der Veranstaltung: „Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren und der E-Mobilität sowie die Elektrifizierung der Strom- und Wärmeversorgung voranschreiten, desto dringlicher ist eine leistungsfähige Energieinfrastruktur.“ Denn ohne entsprechenden Infrastrukturzugang können Unternehmen sich nicht oder nur eingeschränkt an der Energiewende beteiligen und ihre betrieblichen Klimaschutzziele erreichen. Zudem hänge die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft unter anderem maßgeblich von den Energiepreisen ab. „Vor diesem Hintergrund setzen wir uns als IHK-Organisation für Entlastungen bei Netzentgelten und Umlagen ein, beispielsweise über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt.“

Handlungsdruck und Chancen

Die Veranstaltung der IHK NRW unterstrich die Dringlichkeit des Netzausbaus. Ohne eine harmonisierte Netzstruktur für Strom, Gas und Wasserstoff droht die Energiewende zu stagnieren. Gleichzeitig bietet der Netzausbau Chancen wie geringere Redispatch-Kosten, eine stärkere Integration erneuerbarer Energien und wettbewerbsfähige Energiepreise. Nun ist die Politik gefordert, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit NRW als Industriestandort auch in Zukunft erfolgreich bleibt.


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