„Für uns ist er ein Glücksgriff“

Die Agentur Altavia RS:Media hat sich ganz bewusst für die Einstellung eines Kollegen mit Handicap entschieden.

Dennis Niecznik ist Autist, fühlt sich aber trotz des Trubels im Agenturalltag wohl.

Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Paul Esser

Die Düsseldorfer Agentur Altavia RS:Media hat einen schweigsamen, aber überaus talentierten Mitarbeiter. Ihr Mediengestalter Dennis Niecznik ist Autist, fügt sich aber trotz seiner Scheu vor zu viel Trubel bestens in den Agenturalltag ein.

Meetings, kreativer Ideenaustausch, Präsentationen: Wer sich die Arbeit in einer Medienagentur vorstellt, denkt an kommunikative Menschen, die viel miteinander sprechen. Ein Mitarbeiter, der das nicht tut, der still an seinem Platz sitzt und seine Arbeit macht, passt auf den ersten Blick nicht recht ins Bild. Auf den zweiten ist er „ein Glücksgriff, der unser Team absolut bereichert“, sagt Geschäftsführer Guido Richter. Der Chef des Agentur- und Softwarebereiches am Düsseldorfer Standort der unabhängigen Firmengruppe Altavia, die weltweit mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigt und auf Handelskommunikation spezialisiert ist, hat bislang kaum ein Wort mit Dennis Niecznik gewechselt, nennt ihn aber schon „unsere Einstellung des Jahres“. 

Denn der 23-jährige Düsseldorfer, der seit Januar fest zum 40-köpfigen Team gehört, liefert. Er schweigt in Konferenzen, ist am liebsten für sich an seinem Platz, doch genau dort entfaltet sich seine ganze Kreativität und Schaffenskraft. Aufträge, etwa zur Gestaltung eines Plakats, setzt der Mediengestalter einwandfrei um, akkurat, schnell und zuverlässig. „Er ist zu 99 Prozent fehlerfrei“, sagt Richter. Besonders zu der Art von Kommunikation, die Altavia RS:Media anbietet, passe Dennis Niecznik perfekt, findet sein Chef. „Im Handelsmarketing geht es um Genauigkeit und Qualität, es ist ein ziemlich prozessualer Ablauf. Das kommt Dennis entgegen.“

Wie den meisten sieht man auch ihm sein Handicap nicht an“

André Lutz Overrath, Fachberater Inklusion bei der IHK Düsseldorf

Das Unternehmen hat sich ganz bewusst für die Einstellung eines Kollegen mit Handicap entschieden, das Vorgehen ist Teil der Firmenphilosophie. Schon im Eingangsbereich der Agentur prangen die zehn Unternehmenswerte an der weißen Wand hinter dem Empfang. „Menschlichkeit“, „Nähe“, „Austausch“ und „Vertrauen“ zählen dazu. Dahinter steckt die Einstellung, hinter die Fassade zu blicken, Kandidaten eine Chance zu geben, die trotz einer Beeinträchtigung das Unternehmen bereichern, fachlich und persönlich. In wenigen Wochen stellt die Agentur einen weiteren Mitarbeiter mit Handicap ein.

Ihm und auch Dennis Niecznik sieht man ihre Behinderung nicht an. „Das gilt für circa 80 Prozent der Menschen mit Handicap“, sagt André Lutz Overrath, Fachberater Inklusion bei der IHK Düsseldorf. Er unterstützt Unternehmen wie Altavia, die diese Menschen einstellen wollen, stellt Kontakte her, hilft dabei, staatliche Förderanträge auszufüllen und zu stellen, berät in allen Fragen, die sich bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ergeben. Vor allem aber baut er Ängste und Vorurteile ab, die bei diesem Thema immer noch vorherrschen. „Viele denken bei Menschen mit Behinderung an eine Person im Rollstuhl, sehen vor allem die vermeintlichen Schwierigkeiten und Barrieren. Doch die allermeisten sehen aus wie du und ich. Sie sind tolle Mitarbeitende, überaus verlässlich und engagiert, und sie sind eine echte Alternative in Zeiten von Fachkräftemangel. Dennis Niecznik ist dafür ein großartiges Beispiel.“

„Ich kann mir gut vorstellen, hier zu bleiben“

Dennis Niecznik, Altavia RS:Media

Der junge Mann, der seine Ausbildung beim Berufsbildungswerk der Evangelischen Stiftung Volmarstein absolvierte, sagt im Gespräch, dass es ihm schwerfalle, die richtigen Worte zu finden, er lächelt und blickt meist nach unten. Seine Bezugsperson im Unternehmen ist Kollegin Hannah, sie hat einen besonderen Zugang zu ihm, ihr vertraut er besonders. Wenn sie in der Nähe ist, so erzählt es auch sein Chef, ist er sicherer, kommt sich weniger fremd vor in der wuseligen Atmosphäre um ihn herum. Doch nicht nur ihretwegen fühle er sich wohl. „Ich kann mir gut vorstellen, hier zu bleiben. Was mir besonders gefällt, ist, dass ich hier kreativ sein kann“, sagt er. 

Ein blitzgescheiter Geist, schnell und originell, dazu zuverlässig wie ein Uhrwerk. Für jedes Unternehmen ist ein Mitarbeiter wie Dennis Niecznik eine Bereicherung. Ob er viel spricht, ist dann gar nicht mehr wichtig.

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Eine Reihe von Beiträgen zeigt, dass die Ausbildung und die Integration von Menschen mit Handicap auch für die Unternehmen viele Vorteile bietet.

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