Text: Jürgen Grosche, Fotos: Andreas Endermann
Die Corona-Krise hat Ihre Arbeit als Werber ja gehörig auf den Kopf gestellt. Die Neuaufstellung ist dann ein Beispiel für Metamorphose par excellence. Was war passiert?
Rainer Kunst: Wir waren mit einer guten Ausrichtung ins Jahr 2020 gestartet. Über mehrere Jahre hatten wir unsere Arbeit immer mehr ausdifferenziert und neun Gesellschaften gegründet. Die Kunst und Kollegen Kommunikationsagentur GmbH war die Mutter-Company. Wir befassten uns mit Werbung, Kunst, Publishing, Veranstaltungen, Markenberatung, Architektur und Vermietung unserer eigenen Räume. Ende 2014 hatten wir das Gebäude an der Florastraße gekauft und hier 2019 alle Aktivitäten und die 40 Mitarbeiter unter einem Dach zusammengeführt. Wir hatten eine große Idee: Der Zusammenschluss sollte alle Teile so richtig zum Fliegen bringen. Aus gemeinsamen Veranstaltungen, Barcamps und Konferenzen sollten neue Geschäfte entstehen. Dann kam Corona.
Die Krise hat Sie sehr getroffen?
Uns sind in der Agentur (Kunst und Kollegen) Anfang März innerhalb von 14 Tagen Honorar-Aufträge in einer sechsstelligen Größenordnung weggebrochen. Und unser „Creative Habitat Flora & Fauna“, also die gerade eingerichteten neuen Räume, stand mehr oder weniger leer. Es gab keine Veranstaltungen mehr, Mieter haben gekündigt. Unser Steuerberater hat uns wegen drohender Zahlungsunfähigkeit geraten, den Weg eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung einzuschlagen. Das taten wir dann auch, aber das war hart. Wir mussten viele Verträge kündigen, auch die von Mitarbeitenden. Ich habe mit allen Gläubigern telefoniert, die in den allermeisten Fällen auch großes Verständnis hatten. Durch das Insolvenzverfahren hatten wir zudem einen dreimonatigen Schutzschirm.
Wie reifte dann die Idee zu etwas Neuem?
Zunächst waren wir davon ausgegangen, das Geschäft so zu strukturieren, dass wir unsere Pläne weiterverfolgen konnten. Im April reifte dann die Idee heran: Wenn wir ohnehin jetzt einen tiefgreifenden Umbruch erleben, dann wäre es besser, zu überlegen, wohin die Reise künftig grundsätzlich gehen soll.
Wir fragten uns: Wer sind wir? Wo liegen unsere Stärken? Wollen wir Agentur sein oder Strategieberatung? Redaktion, Veranstalter oder eine Kreativ-Community?
Bislang war unser Hauptgeschäft die klassische Kommunikation, das klassische Werbegeschäft. Doch in diesem Prozess der Metamorphose hinterfragten wir auch unsere Grundlagen und kamen zur Erkenntnis, dass die Zeit der klassischen Werbung eigentlich vorbei ist.
Haben Sie diese Prozesse alleine bewältigt?
Wir haben uns inspirieren lassen von dem Agenturberater Thorsten Wellmann, der ein Jahr auf Weltreise war und von Tokio bis Chile die erfolgreichsten neuen Agenturen besucht hatte. Mit meiner Frau zog ich mich für eine Weile in die Eifel zurück, um neue Ideen zu entwickeln. Plötzlich wurde uns klar, dass es all das, was uns begeistert, bereits gibt: in der Gesellschaft Flora & Fauna, die bislang für die anderen Unternehmen das administrative Geschäft tätigte. Wir stellten fest: Sie ist eigentlich das Herz unserer Arbeit. So wurde aus der früheren Servicegesellschaft der neue Kern.
„Wir wollen mit dem, was wir tun, Menschen inspirieren.“
Wie sieht der aus? Was ist jetzt neu?
Unser Kern lässt sich zusammenfassen in dem Wort Inspiration. Wir wollen mit dem, was wir tun, Menschen inspirieren. Das funktioniert, wenn sich Kommunikation nicht wie Werbung, sondern wie eine inspirierende Geschichte anfühlt, die die Menschen mit einer Marke verbinden. Solche Geschichten wollen wir in allen Facetten zum Leben erwecken. Analog oder digital – und über Architektur, und da kommen unsere Räume an der Florastraße auch wieder ins Spiel. Sie dienen als Plattform für Kommunikation, Kunst, moderne Arbeitswelt, Architektur, Austausch, Inspiration.
Und wo stehen Sie heute?
Wir haben die Restrukturierung und die Metamorphose abgeschlossen. Das operative Geschäft läuft seit Herbst gut genug, um profitabel arbeiten zu können. Für uns ist die Lage stabil, aber vieles hängt natürlich von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab. Die nächsten Monate werden da noch spannend.
Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 01/2021 berichtet.
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