„Klare Kante habe ich mir früher gewünscht!“

Interview mit Thea Ungermann, Geschäftsführerin der Altbier-Manufaktur Schumacher in Düsseldorf, über neue Corona-Schutzmaßnahmen und die Düsseldorfer Altstadt.

Text: Antje Mahn, Fotos: Andreas Wiese
Frau Ungermann, wie setzen Sie die am vergangenen Donnerstag von der MPK-Konferenz beschlossenen neuen Corona-Schutzmaßnahmen um? Was bedeutet das für Ihren Betrieb „Im Goldenen Kessel“ in der Düsseldorfer Altstadt und für das „Stammhaus“ an der Oststraße?

Wir haben im Vorgriff auf das, was zu erwarten war, bereits am 19. Oktober „Im Goldenen Kessel“ und unserem Stammhaus die 2G-Regel eingeführt. Zudem haben wir zur Verstärkung an drei Tagen in der Woche eine Security-Firma für die Eingangskontrolle engagiert. Und natürlich haben wir schon sehr viel früher ein ausgeklügeltes Hygiene- und Belüftungskonzept für beide Standorte entwickelt. Zum Schutz der Gäste haben wir bereits seit langem in der Altstadt die Terrasse eingezäunt.
Unser Service-Personal hat eine 2G Quote von 100 Prozent, denn wenn wir unseren Gästen 2G, Nachweispflichten und AHA + A+L-Regeln als Corona-Schutzmaßnahmen auferlegen, müssen wir diese auch selbst erfüllen und vorleben.

„Die Versäumnisse der Politik über den Sommer machen mich wütend“

Wir werben bei unseren Mitarbeitenden ganz klar für das Boostern und haben dafür auch wieder Termine organisiert. Mit diesen Maßnahmen haben wir uns nicht nur Freunde bei unseren Gästen gemacht, wobei das Stammhaus-Publikum diese stärker goutiert als das Publikum in der Altstadt. Viel Lob haben wir im Übrigen dafür bekommen, dass wir zwei Tage vor dem 11.11. die Feier „Im Goldenen Kessel“ komplett abgesagt haben. Dort gab es bis 11 Uhr nur Frühstück, den eigentlichen Event haben wir unter 2G+-Zugangsberechtigung ebenso kurzfristig in den Innenhof des Stammhauses verlegt.
Um es klarzumachen: Vor (verschärften) Regeln der Corona-Schutzmaßnahmen haben wir keine Angst, darauf können wir uns einstellen und damit können wir auch arbeiten. Wofür ich jedoch kein Verständnis habe und was mich inzwischen auch richtig wütend macht, sind die Versäumnisse der Politik über den Sommer, die jetzt adhoc auf dem Rücken von Gastronomie, Eventgeschäft und Handel ausgetragen werden. Man hat uns quasi sehenden Auges in die 4. Pandemiewelle laufen lassen – mit allen Konsequenzen, die wir nun ausbaden müssen. Eine „klare Kante“ wie nach den jüngsten Beschlüssen der MPK-Konferenz habe ich mir deutlich früher gewünscht – wobei es gut ist, bundesweit jetzt endlich einheitliche Regeln bei den Corona-Schutzmaßnahmen zu haben.

Was bedeutet die Pandemie für Ihre Mitarbeitenden?

Wir sind stolz, ein Familienbetrieb und die älteste Hausbrauerei seit 1838, gegründet auf der Citadellstraße, in 6. Generation zu sein. Den Brauereiausschank „Im Goldenen Kessel“ gibt es bereits seit 1902, das Schumacher an der Oststraße ist in diesem Jahr stolze 150 Jahre jung geworden.

Den Familienbegriff fassen wir aber weiter, unsere zumeist langjährigen Mitarbeitenden gehören einfach dazu. Vor der Krise hatten wir 177 Mitarbeitende, jetzt sind es rund 130. Einige haben uns verlassen, um sich beruflich umzuorientieren. Hinzu kamen Rentner, auslaufende Verträge und auch Kündigungen. Das ist nach wie vor eine für alle Seiten belastende Situation. Schon am 16. März 2020 haben wir „Im Goldenen Kessel“ aufgrund des bevorstehenden ersten Lockdowns am 19. März 2020 geschlossen. Unsere Mitarbeitenden in der Wäscherei, Küche, im Service, in der Brauerei und im Lieferdienst haben wir seinerzeit in drei Gruppen (aktuell nur noch zwei) aufgeteilt, die wir in wöchentlichem Wechsel eingesetzt haben, um das Infektionsrisiko zu senken und Corona-Infektionen gegebenenfalls auch schnell nachverfolgen zu können. In der Phase der Kurzarbeit konnte es so auch passieren, dass einzelne Mitarbeitende innerhalb von zwei Wochen nur an einem Tag gearbeitet haben.

Das ist für Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, nicht eben einfach, denn sie sind Trubel gewohnt, schätzen das Gespräch mit unseren (Stamm-)Gästen und den Austausch untereinander. Hinzu kommt der völlig andere Wach-Schlaf-Rhythmus, wenn zu Hause „eine ruhige Kugel“ geschoben werden muss im Gegensatz zu den gewohnten Arbeitszeiten.
Das fehlende Miteinander und die fehlende Kommunikation waren für unsere alleinlebenden Mitarbeitenden besonders schlimm, aber auch für die in Partnerschaften oder in Familie Lebenden nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Wir haben den Kontakt zu ihnen wöchentlich über handschriftliche Briefe mit positiven und Mut machenden Botschaften gehalten und auch sehr viele persönliche und vertrauliche Gespräche am Telefon geführt. Das hat – Ironie der Pandemie – uns in der großen Schumacher-Familie noch stärker zusammengeschweißt.

Welche Befürchtungen haben Sie angesichts steigender Inzidenzen?

Ganz ehrlich: Die Inzidenzen interessieren mich nicht mehr. Mit großer Sorge aber blicke ich auf unsere Intensivstationen und die steigenden Hospitalisierungsraten. Ich bin entsetzt über die Gleichgültigkeit, den Egoismus und die mangelnde Solidarität der Ungeimpften, denen wir letztendlich den jetzigen Schlamassel zu verdanken haben. Die Diskussion über die Einführung einer Impflicht ist richtig, kommt aber meiner Meinung nach viel zu spät. Der Umgang mit der Pandemie und den Corona-Schutzmaßnahmen sollte nicht der individuellen Entscheidung überlassen werden, sondern erfordert ein solidarisches Handeln unserer Gesellschaft. Im Hinblick auf unser Geschäft stellt uns die vierte Welle vor Probleme, weil wir erneut keine Planungssicherheit haben und uns nicht weiter entwickeln können. Fragen wie: Muss ich die Mitarbeitenden erneut in Kurzarbeit schicken? Starte ich geplante Umbaumaßnahmen jetzt oder lasse ich es lieber bleiben? Stelle ich neue Mitarbeitende ein und wenn ja, wie kann ich diese gewinnen? Wie lange können wir den eingeschränkten Geschäftsbetrieb finanziell noch aufrechterhalten? belasten mich sehr.

Und nach über 20 Monaten Pandemie ist die Luft in Sachen Kreativität und „Ärmel hochkrempeln“ einfach raus. Aber wie sagt man im Rheinland so schön: „Et is wie et is“ – und muss einfach weitergehen.

Welche Hilfe erwarten Sie von der (Kommunal-)Politik beziehungsweise was fordern Sie?

Ich erwarte deutlich mehr Rückhalt. Nehmen wir mal die Altstadt als Veranstaltungsfläche der Stadt Düsseldorf. Schon vor der Pandemie hat sich diese gewandelt – und sicher nicht zu ihrem Besseren. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mit meiner Großmutter nach dem Opernbesuch den Abend in der Altstadt ausklingen ließ. Das ist heute leider undenkbar. Wer sich davon überzeugen möchte, kann sich das Ganze nach 22 Uhr bei einem Rundgang von der Heinrich-Heine-Allee zum Apollo-Theater und vom Rheinufer bis zur Kö einmal anschauen. Das ist einfach ernüchternd. Die Straßen sind zugemüllt mit Verpackungsabfällen, Gläser und Flaschen werden irgendwo abgestellt oder zertrümmert. Vor Ort sind dann Gruppen unterwegs, die das ursprüngliche Altstadt-Publikum längst vertrieben haben.

Et is wie et is

Wir haben bereits mehrere Treffen mit der Stadt gehabt und dankenswerterweise dürfen nun zumindest die Poser nicht mehr durch Düsseldorfs gute Stube rasen. Darüber hinaus wünschen wir uns eine Fahrverbotszone für E-Scooter, auch die Mühlenstraße sollte abgepollert werden. Wir fordern ein Glasverbot für die Altstadt – was ja bereits an allen Karnevalstagen vor den Corona-Schutzmaßnahmen erfolgreich erprobt worden ist. Es sollte auch dringend über die Zahl und Öffnungszeiten der Kioske gesprochen werden, denn was nutzen alle Anstrengungen der Gastronomie, wenn es darüber hinaus ausreichende Möglichkeiten der Alkoholbeschaffung gibt? Und wir fordern von der Politik deutlich mehr Kontrollen mit härteren Konsequenzen, damit sich eine tödliche Attacke – wie auf dem Burgplatz geschehen – nicht wiederholen kann. Kurzum: Wir möchten den Niedergang der Altstadt aufhalten und den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern sowie ihren Gästen die „längste Theke der Welt“ zurückgeben. Dazu bieten wir der Politik unsere tatkräftige Unterstützung an.

Im Online-Magazin der IHK Düsseldorf sind weitere Beiträge zum Umgang der Unternehmen mit der Corona-Krise zu finden.

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