Kleider machen Klima: der Green Deal und die Textilindustrie

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Text: Dr. Susan Tuchel, Fotos: Global Textile Scheme GmbH, Andreas Schneider, Repair Rebels GmbH
Die Textilbranche ist nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur für 10 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Nach der am 13. Juni 2024 dieses Jahres verabschiedeten EU-Verordnung steht sie nun unter dem Druck, ihre Produktionsprozesse nachhaltig und ihre Lieferketten transparent zu machen sowie Kleidungsstücke herzustellen, die langlebiger, reparierbar und recycelbar sind. Der Countdown läuft: Innerhalb von drei Jahren muss das EU-Recht national umgesetzt werden, und dafür gibt es bereits geeignete Instrumente wie die EcoDesign-Richtlinien, das Right to Repair und der Digitale Produktpass. Sie haben das Potenzial und die gesetzliche Verpflichtung, die gesamte Textilindustrie in Deutschland grundlegend zu verändern.

Eine Säule des Green Deal ist der Digitale Produktpass (DPP). Er soll die Transparenz in den Lieferketten der Textilindustrie erhöhen, indem er detaillierte Informationen über die Herkunft, Zusammensetzung und Umweltauswirkungen von Produkten bereitstellt. Jeder Kleidungsartikel wird mit einem digitalen Datensatz ausgestattet, der Informationen über seine Herstellung, verwendete Materialien und mögliche Recyclingwege enthält. Einer, der die Zeichen der Zeit weit vor dem 13. Juni 2024 erkannt hat, ist Andreas Schneider. Noch während der Corona-Pandemie ging er mit Global Textile Scheme (GTS) auf den Markt.

Eine neue EU-Verordnung setzt die Textilindustrie unter Druck, ihre Produktionsprozesse nachhaltig und ihre Lieferketten transparent zu machen sowie Kleidungsstücke herzustellen, die langlebiger, reparierbar und recycelbar sind.
Andreas Schneider, Global Textile Scheme GmbH

„Technisch gesehen handelt es sich um das erste end2end-Klassifizierungssystem der Textilbranche mit definierter Semantik“, erklärt Andreas Schneider, der mit 60 Jahren sein Start-up in Düsseldorf gründete. Er hat einen B2B-Branchen-Standard für den automatisierten Datenaustausch zwischen Zulieferfirma, Produzierenden, Brands Retailern und Plattformen entwickelt – die erste standardisierte Branchensprache für den Datenaustausch von der Faser bis zum Recycling. Damit das funktioniert, werden alle textilen Daten mithilfe der GTS-Language in einen Code übersetzt. „Alle relevanten Produktdaten von Rohstoffen, Zutaten, Fertigprodukten inklusive Zertifikate, E-Commerce, Nachhaltigkeitseigenschaften etc. können hier hoch- und heruntergeladen werden, und zwar in jeder Sprache“, führt der Unternehmer aus. Schneider weiß, dass die Kreislaufwirtschaftstransformation in der Textilindustrie noch ein exotisches Thema ist: „Aber wir verhalten uns als Branche einfach nicht vernünftig und verantwortungsvoll.“ Und deshalb ist er in Brüssel bei CIRPASS 2 mit an Bord, einem EU-finanzierten Projekt, das die Implementierung des DPP unterstützt: „Es kann einfach nicht sein, dass zwei Unternehmen aus Asien mit 400.000 Paketen täglich unter dem Radar den Markt hier überschwemmen.“

„Es kann einfach nicht sein, dass zwei Unternehmen aus Asien mit 400.000 Paketen täglich unter dem Radar den Markt hier überschwemmen.“

Andreas Schneider, Global Textile Scheme GmbH

Es gibt Modeketten, die produzieren jede Woche eine neue Kollektion – Fast Fashion nennt sich das Geschäftsmodell, das auf dem permanenten Neukauf von Kleidung basiert. Rund 60 Kleidungsstücke kauft jede Person in Deutschland im Schnitt jährlich neu. „Dabei hätten wir Stand heute Kleidung für die nächsten sechs Generationen auf unserem Planeten“, sagt Monika Hauck. Die Gründerin der Düsseldorfer Repair Rebels GmbH hat über Innovationsmanagement und Unternehmertum promoviert und weiß, wie wenig innovativ und digital die Textilbranche im Reparieren von Kleidung ist. Aber nicht nur die Branche. Laut einer Greenpeace-Umfrage war etwa die Hälfte der Deutschen noch nie in einer Änderungsschneiderei. Besonders jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren bringen Kleidung selten zum Schneider oder Schuster. Das wollte Monika Hauck ändern. Reparieren sollte so einfach sein wie onlineshoppen.

2022 gründete sie eine digitale Plattform, die auf das Reparieren und Ändern von Kleidung und Schuhen spezialisiert ist und auch Reparaturlösungen für Modemarken und Einzelhändler anbietet. „Wir haben ein breites Netzwerk von Handwerksbetrieben und verbinden Online-Service mit lokalen Akteuren und nachhaltigem Handeln. Innerhalb Düsseldorfs und Kölns bieten wir eine Tür-zu-Tür-Lieferung mit dem E-Fahrrad an“, erklärt Hauck. Dafür wurde sie 2023 mit dem Bundespreis Ecodesign in der Kategorie „Service“ ausgezeichnet. Die Unternehmerin geht davon aus, dass der Vintage- und Second Hand-Trend weiter zunehmen und den Bedarf an Reparatur- und Änderungsdienstleistungen erhöhen wird. Langfristig würden auch Modeunternehmen nicht umhinkommen, die Reparaturen gleich miteinzupreisen, die Kreislaufwirtschaft also gleich ins Geschäftsmodell zu integrieren, ist Hauck überzeugt.

Eine neue EU-Verordnung setzt die Textilindustrie unter Druck, ihre Produktionsprozesse nachhaltig und ihre Lieferketten transparent zu machen sowie Kleidungsstücke herzustellen, die langlebiger, reparierbar und recycelbar sind.
In Düsseldorf und Köln bietet Repair-Rebels eine Tür-zu-Tür-Lieferung mit dem E-Fahrrad an.

Produkte müssen zukünftig so gestaltet werden, dass sie besser recycelt werden können. Die Daten, die über ein Pflegeetikett abgerufen werden, geben Aufschluss über das Produkt und seine stoffliche Zusammensetzung, was für die Kreislaufwirtschaft von großer Bedeutung ist. Wer Kleidung weiterverkaufen möchte, kann einfach auf die Produktdetails zugreifen, um Interessierten Informationen über das Produkt, den ursprünglichen Hersteller und den Ort der Produktion zu geben. Dann kann jeder für sich entscheiden, ob das Produkt „nachhaltig produziert“ wurde, oder nicht. Simone Busch, Umwelt- und Energieberaterin bei der IHK Düsseldorf, geht davon aus, dass der Verbrauch von Fast Fashion, der zu zwei Dritteln im Hausmüll landet, abnehmen und „green washing“ nicht mehr funktionieren wird.

„Unternehmen, die diesen Wandel mitgestalten, können von den gesetzlichen Vorgaben profitieren und nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich arbeiten.“

Simone Busch, IHK Düsseldorf

„Der Digitale Produktpass wird in den nächsten Jahren ein großes Thema werden, das viel Arbeit und Ressourcen kostet.“ Wer hier nicht rechtzeitig handele, müsse am Ende mit Strafen rechnen. Aber in dem Übergang zu einer kreislaufproduzierten Produktion sieht die Expertin auch eine Chance für Innovationen: „Unternehmen, die diesen Wandel mitgestalten, können von den gesetzlichen Vorgaben profitieren und nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich arbeiten.“


Beiträge aus den Unternehmen im IHK-Onlinemagazin.

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