Text: Beate Werthschulte; Fotos: Michael Grosler für Marie W.
Da der Prozess einer Unternehmensübergabe mehrere Jahre dauern kann, rät Svenja Hennig, Beraterin Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK Düsseldorf, Unternehmerinnen und Unternehmern etwa in einem Alter von Mitte 50 damit zu beginnen, sich Gedanken über die Nachfolge zu machen. Eine aktuelle IHK-Umfrage hat nämlich gezeigt: Mehr als ein Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer im Rentenalter hat noch keine geeignete Person für die Nachfolge gefunden hat. Deshalb sollte rechtzeitig ein grober Zeitplan aufgestellt werden und die Senior-Unternehmerin oder -Unternehmer sollte sich schon einmal überlegen, ob es innerhalb der Familie oder der Mitarbeitenden überhaupt jemanden gibt, der übernehmen könnte und das auch will, oder ob möglicherweise extern gesucht werden muss.
Dass die Übernahme eines Unternehmens – auch wenn die Rahmenbedingungen stimmen – nicht nur eine große Herausforderung, sondern durchaus ein längerer Prozess ist, kann Sonja Sironen nur bestätigen. Die 47-Jährige hat im Frühjahr vergangenen Jahres das erfolgreiche Velberter Naturkosmetikunternehmen Marie W. von dessen Gründerin Maria Wißler übernommen.
Als Führungspersönlichkeit bei Marie W. etabliert
Die beiden Frauen kennen sich seit rund 20 Jahren, sind gut miteinander befreundet. Und auch wenn Sonja Sironen nicht direkt aus der Kosmetikbranche kommt, kennt sie sich durch frühere Tätigkeiten, unter anderem als Leiterin einer Ayurveda-Kurklinik in Sri Lanka, in diesem Bereich gut aus. „Außerdem habe ich Business Administration studiert und war zuvor schon viele Jahre meines Berufslebens selbstständig“, sagt sie. Eine mögliche Übernahme des Unternehmens, so Sironen weiter, sei aber, als sie vor fünf Jahren als Angestellte bei Marie W. startete, für sie zunächst kein Thema gewesen. Diese Frage stellte ihr Maria Wißler, die sich mit Erreichen des 60. Lebensjahrs aus dem Unternehmen zurückziehen wollte, erst zweieinhalb Jahre später.
Die Entscheidung, das Unternehmen zu übernehmen, fiel Sonja Sironen dann nicht schwer, denn zu diesem Zeitpunkt kannte sie Marie W. bereits von Grund auf. So hatte sie gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit – übrigens auf Wunsch der Unternehmensgründerin – mit ersten tiefgreifenden Veränderungen begonnen und ein Warenwirtschaftssystem eingeführt und aufgebaut. „Das war also schon lange vor der Übernahme meine erste große Herausforderung, denn nicht alle der neun Mitarbeitenden waren sofort begeistert, ich musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten“, erinnert sie sich.
Ein gutes Team
Schnell stand das Team bei Marie W. dann aber hinter ihr und hatte sie als Führungspersönlichkeit akzeptiert, sodass die dann folgende Erteilung der Prokura nicht mehr entscheidend für ihre Rolle im Unternehmen war. Darüber hinaus hatte Maria Wißler ihrer Nachfolgerin von Beginn an ihr Netzwerk vorgestellt und sie mit sämtlichen Kunden und Lieferanten bekannt gemacht. Dass alle der so genannten Schlüsselpartner möglichst frühzeitig informiert werden, hält auch Svenja Hennig für ganz wichtig. Wenn jemand aus dem Kreis der Mitarbeitenden die Unternehmensfolge antrete, so die IHK-Expertin, sollte dieser bereits einige Zeit vor der Übernahme in die Geschäftsführung einsteigen. Dass es bei der Übernahme eines Unternehmens immer zwei Bereiche gibt, die eine große Rolle spielen, bestätigen die Beraterin und die Unternehmerin übereinstimmend. Zunächst muss ein geeigneter Käufer gefunden werden, der möglichst nicht ganz branchenfremd sein sollte. Zudem sollte auch die menschliche Komponente stimmen. Daneben ist der Kaufpreis das entscheidende Kriterium für eine gelungene Übernahme. „Für Maria Wißler und mich war es ganz wichtig, dass wir uns auf einen angemessenen Preis einigen, mit dem wir beide gut leben können“, sagt Sonja Sironen.
„Aufgeben war für mich zu keiner Zeit eine Option“
Sonja Sironen, Marie W.
Aufgrund des großen Vertrauens zwischen den beiden Frauen konnte trotz coronabedingter Umsatzrückgänge eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden – dennoch dauerte der gesamte Prozess etwa zwei Jahre. „Um einen solchen angemessenen Kaufpreis zu finden, müssen Banken das Unternehmen auf Herz und Nieren prüfen. Zudem sollte neben der Beratung, die wir als IHK anbieten – selbstverständlich auch für Existenzgründer, die ein Unternehmen übernehmen – unbedingt eine rechtliche und steuerliche Beratung in Anspruch genommen werden“, erklärt Svenja Hennig.
Sonja Sironen hat ihren Schritt in die erneute Selbstständigkeit übrigens bisher nicht bereut, auch wenn ihr Start als neue Inhaberin von Marie W., nachdem der Vertrag beim Notar unterschrieben war, mehr als holprig war. Von der Hochwasserkatastrophe im Sommer war nämlich auch das Unternehmensgebäude stark betroffen. „Aufgeben war für mich aber zu keiner Zeit eine Option, denn ich kannte ja das Potenzial des Unternehmens. Zudem konnten wir – mit unglaublicher Unterstützung meines Teams und unserer Lieferanten – bereits drei Wochen nach der Überschwemmung schon wieder die ersten Pakete versenden und ich und schaue nun sehr positiv in die Zukunft“, sagt sie.
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