Neue globale Herausforderungen

Neben den Corona-Folgen ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Komponenten ein Thema, das die Unternehmen zurzeit besonders umtreibt.

Vera Calasan ist Vorstandsvorsitzende der Excellence AG, einem weltweit tätigen Spezialisten für Ingenieurdienstleistungen.

Text: Daniel Boss, Foto: Grzegorz Bieniek

Vera Calasan und ihr Team stehen noch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. „Das Virus hat auch aus außenwirtschaftlicher Perspektive einige Auswirkungen auf unsere Prozesse gehabt“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Excellence AG mit Hauptsitz in Düsseldorf. Der weltweit tätige Spezialist für Ingenieurdienstleistungen mit rund 240 Mitarbeitenden musste einige Großprojekte aufgrund der Entwicklungen in den vergangenen eineinhalb Jahren kurzfristig abbrechen beziehungsweise ruhen lassen. Als Beispiel nennt Vera Calasan eine neue Biogasanlage in Schweden: „Die Inbetriebnahme vor Ort war zum geplanten Zeitpunkt nicht möglich, da unsere Mitarbeitenden wegen Corona das Land verlassen mussten.“ Der IT-Part habe jedoch weiterlaufen können – vom Homeoffice aus. Betroffen waren und sind weitere Inbetriebnahmen in sogenannten Hochinzidenzländern wie Brasilien und Indien. Zu einem Umsatzeinbruch bei der Excellence AG habe das allerdings nicht geführt. Und die Unternehmerin ist davon überzeugt, dass sich die Lage mit fortschreitender Eindämmung der Pandemie normalisieren wird.

„ohne Chips kein Datenfluss“

Vera Calasan, Excellence AG

Ihr brennt inzwischen ein anderes Thema auf den Nägeln: „der weltweite Chip-Mangel“. Auch hier spiele Corona eine Rolle: „Der dadurch ausgelöste Boom in der Unterhaltungselektronik für daheim und in der Medizintechnik hatte einen Run auf Chips zur Folge.“ Hinzu kamen die, wie sie es nennt, „Diskrepanzen“ zwischen China und den USA: „Chinesische Telekommunikationskonzerne haben den Markt leergekauft, um sich für die nächste Zeit abzusichern und von den USA unabhängig zu machen.“ Das Stichwort lautet Halbleiter-Boykott. Daten seien bekanntlich das Öl des 21. Jahrhunderts, so Vera Calasan. „Und ohne Chips kein Datenfluss.“ Betroffen ist unter anderem die wichtige deutsche Autoindustrie, „die immer mehr auf IT setzt“. Probleme innerhalb der Lieferkette spüren natürlich auch die Zulieferer und Dienstleister wie die Düsseldorfer Excellence AG. Vera Calasan hat noch ein weiteres, bedeutsames Beispiel: „Windräder benötigen ebenfalls Chips. Ohne Halbleiter funktioniert die gesamte Energiewende nicht.“ In Sachen Chipherstellung müssten daher zeitnah Lösungen gefunden werden.

„Schwarze Schwäne“ als Belastungsprobe

Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Komponenten ein Thema, das die Unternehmen zurzeit besonders umtreibt. Die Transportkapazitäten im Containerbereich sind pandemiebedingt bereits knapp. „Kommen dann noch ,Schwarze Schwäne’ wie die Blockade des Suez-Kanals hinzu, sind die Lieferketten einer enormen Belastungsprobe ausgesetzt“, sagt Ralf Schlindwein, Geschäftsführer International der IHK Düsseldorf. Mehr und mehr Unternehmen im IHK-Bezirk würden daher ihr Lieferkettenmanagement überdenken. „Manche begeben sich auf die Suche nach Lieferanten im näheren EU-Ausland, andere denken sogar über eigene Produktionsstätten für Schlüsselkomponenten nach“, so Schlindwein.
Zu den weltwirtschaftlichen Herausforderungen sollen zeitnah politische Vorgaben für das Lieferkettenmanagement hinzukommen.

„Für die regionale Wirtschaft steht die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards außer Frage“

Ralf Schlindwein, IHK Düsseldorf

Auf EU-Ebene wurden seitens des Europäischen Parlaments fast zeitgleich erste Eckpunkte, die zum Teil deutlich über den deutschen Vorschlag hinausgehen, definiert. „Dabei steht für die regionale Wirtschaft die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards außer Frage. Vielerorts führen unsere Mitglieder durch ihr Auslandsengagement höhere Standards als ortsüblich ein oder flankieren ihr geschäftliches Engagement durch soziale und kulturelle Projekte, die eine nachhaltige Entwicklung vor Ort unterstützen“ sagt der Geschäftsführer International. Die Vorgaben gehen aus Sicht der regionalen Wirtschaft deshalb zu weit und sind wenig praxisnah ausgestaltet.
Damit die NRW-Exportwirtschaft trotz dieser Herausforderungen weiterhin erfolgreich bleiben kann, hat sich die Außenwirtschaftsförderung in NRW im vergangenen Jahr neu sortiert. In der NRW.Global Business GmbH sind die ehemals eigenständigen Gesellschaften NRW Invest und NRW International miteinander fusioniert. „So können wir mehr Schlagkraft für die Unternehmen in NRW erzeugen und den Standort noch besser als zuvor vermarkten und entwickeln“, sagt Felix Neugart, Geschäftsführer von NRW.Global Business. Dafür arbeitet man eng mit der IHK Düsseldorf und den weiteren IHKs in NRW zusammen. „In Pandemie-Zeiten haben wir unser Angebot auf Webinare, virtuelle Events sowie digitale Reisen umgestellt. Wir freuen uns aber auch wieder auf Präsenzveranstaltungen und physische Reisen spätestens im kommenden Jahr, die dann durch neu entwickelte digitale Elemente ergänzt werden“, betont Felix Neugart. Dabei nehme man Zukunftsthemen wie Wasserstoff, Elektromobilität und Biotech besonders in den Blick.

In ihrer Sitzung im Mai hat die Vollversammlung der IHK Düsseldorf ein Positionspapier verabschiedet. Darin bekennt sich die regionale Wirtschaft eindeutig zur unternehmerischen Verantwortung für menschenrechts- und umweltkonforme Lieferketten. Die aktuellen Gesetzespläne gehen jedoch zu weit. Außerdem hat die IHK eine Initiative für nachhaltiges Lieferkettenmanagement gestartet.

Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 02/2021 berichtet.

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