Recruiting: Digital ist Trumpf

In der Corona-Krise läuft auch die Personalsuche etwas anders

Text: Lothar Schmitz, Foto: Adobe Stock

Wenige Tage vor unserem Telefonat hat Thomas Lüdeke Post bekommen. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es sich um eine Werbesendung oder eine Rechnung gehandelt hätte. Es war aber eine Bewerbungsmappe, auf Papier. Das ist erwähnenswert.
Thomas Lüdeke ist Geschäftsführer der PRCC Personal- und Unternehmensberatung GmbH in Düsseldorf. Die Personalberatung gibt es seit zehn Jahren, sie ist spezialisiert auf Expertinnen und Experten sowie Führungskräfte in Kommunikation und Marketing. Das sechsköpfige Team kommt auf rund 50 Vermittlungen pro Jahr – bundesweit. Außerdem unterstützt es im Outplacement und bei der Überbrückung durch Interim-Manager.

Foto: PRCC

„Bewerbungs-mappen sterben wirklich aus“

Thomas Lüdeke, PRCC Personal- und Unternehmensberatung

Ob er den Interessenten mit der Bewerbungsmappe erfolgreich vermitteln wird, ließ sich zum Zeitpunkt unseres Gespräches noch nicht sagen. „Klar ist aber: Bewerbungsmappen sterben wirklich aus.“
Der Trend ist deutlich: Digital ist Trumpf. „Egal ob Unternehmen direkt rekrutieren oder uns als Spezialisten einschalten – der Bewerbungsprozess wird schneller und digitaler“, sagt Lüdeke. Das beginnt bei Stellenausschreibungen, die sich immer häufiger im Netz finden. Vor allem das berufliche Online-Netzwerk LinkedIn spiele eine wichtige Rolle. Auch Bewerbungen wünschen sich immer mehr Stellenanbieter online. „Und auch Erstgespräche finden inzwischen häufig per Video statt“, berichtet Lüdeke, „erst recht seit Beginn der Corona-Krise, die die gesamte Entwicklung nochmals beschleunigt.“

Digitalisierung kommt an

Lüdeke kennt viele Unternehmen, die auch ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Krise noch stark auf Homeoffice setzen. „Da kommt es bisweilen vor, dass vom Erstkontakt mit einer Bewerberin oder einem Bewerber über Jobinterview und Vertragsabschluss bis zum Onboarding alles digital läuft“, sagt Lüdeke. Der Grund sei klar: Die Geschäfte würden wieder laufen, die Erfahrung mit digitalen Abläufen sei positiv. Die Firmen würden deshalb keine unnötigen Risiken durch zu viele persönliche Kontakte eingehen wollen.
„Das spart Kosten und ist oft effizienter“, betont Lüdeke. Dennoch glaubt er, dass es mit Abebben der Krise wieder mehr Mischformen geben wird. „Einige digitale Elemente werden bleiben, aber Bewerbergespräche oder der Jobeinstieg werden in vielen Fällen wieder persönlich stattfinden – insbesondere bei Führungspositionen.“

Foto: Studio Lars Langemeier

„Firmen haben sich auch vor März schon verstärkt mit digitalen Recruiting-Instrumenten befasst“

Lea Louisa Schröder, StepStone

Bei StepStone beobachtet man ebenfalls einen mächtigen Trend zur Digitalisierung der Personalgewinnung, der schon vor Corona eingesetzt habe. „Quer durch alle Branchen haben sich Firmen auch vor März schon verstärkt mit digitalen Recruiting-Instrumenten befasst“, sagt Kommunikationsmanagerin Lea Louisa Schröder. Auch StepStone selbst als Arbeitgeber führe seit einiger Zeit virtuelle Jobinterviews durch. Sogar das Onboarding – so heißt in der Branche der Jobstart – habe man bereits online gestaltet.
StepStone mit Hauptsitz in Düsseldorf versteht sich als eine der führenden Online-Jobplattformen – in Deutschland und darüber hinaus. Gegründet 1996 ist das Unternehmen inzwischen in mehr als 20 Ländern aktiv und zählt 3.500 Beschäftigte, davon 600 in Düsseldorf. 2019 besuchten nach Firmenangaben monatlich im Schnitt 18 Millionen Nutzerinnen und Nutzer die Website des Unternehmens.

Flexibler als vor der Krise

Die Pandemie hat aber nicht nur den Trend zu digitalen Recruitingprozessen verstärkt. Sie hat auch Folgen für das Bewerberverhalten. „Die Jobsuchenden zeigen sich in der aktuellen Situation flexibler als vor der Krise“, berichtet Schröder. Sie seien insgesamt kompromissbereiter, würden sich auch auf Stellen bewerben, die sie vorher nicht in die engere Wahl genommen hätten.
Zugleich zeigte eine StepStone-Umfrage im Juli, dass Unternehmen wieder häufiger nach neuen Mitarbeitenden suchen. „Auch wenn die deutsche Wirtschaft die Auswirkungen der Pandemie noch deutlich spürt, sieht der Großteil der Arbeitgeber die Chance, sich gerade jetzt die richtigen Mitarbeiter für künftige Herausforderungen zu sichern“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Auch die Zuversicht auf Bewerberseite nehme wieder zu.
Bei PRCC spürt man den Aufwind ebenfalls, die Vermittlungsanfragen für Kommunikations- und Marketingexpertinnen beziehungsweise Marketingexperten nehmen wieder zu. Bis der Briefträger allerdings die nächste Bewerbungsmappe bringt, kann es noch dauern. „Wir bekommen vielleicht noch eine pro Jahr“, erzählt Geschäftsführer Lüdeke, „und die wird als erstes eingescannt, um sie digital weiter zu bearbeiten.“

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