Start-up Dive: Blind Date mit dem Algorithmus

Dem Start-up geht es um ein Recruiting, das auf Leistung und nicht auf Geschlecht oder Herkunft schaut.

Start-up Dive
Vier Frauen mit Migrationshintergrund haben das Start-up Dive gegründet und setzen auf eine neue Art des Recruitings.

Text: Daniel Boss, Foto: Andreas Endermann
Vier Frauen mit Migrationsbiografie, zwei Geschwisterpaare, die in Deutschland ihren Weg machen. In ihren Jobs haben sie Führungs- und Managementpositionen in bekannten Unternehmen inne. Die Bandbreite reicht vom Bank- wesen bis zur Kommunikationswelt. Sejla Kljucanin ist Personalexpertin, Selma Music ist in der Finanzindustrie und Wirtschaftsjuristin, Theano Katsidou hat schon verschiedene Projekte und Events geleitet und Osia Katsidou kennt sich bestens in der Öffentlichkeitsarbeit und im Journalismus aus. Die beiden Geschwisterpaare verbindet nicht nur eine langjährige Freundschaft. Auch in den Biographien gibt es Parallelen, die zusammenschweißen. „Meine Schwester und ich sind Nachfahren griechischer Gastarbeiter“, erzählt Osia Katsidou. Sejla und Selma sind mit ihrer Familie in den 1990er-Jahren vor dem Krieg in ihrer bosnischen Heimat geflohen. Zwar konnten alle vier in der Schule und später im Beruf Erfolge feiern. Doch sie alle mussten sich dafür gegen Widerstände aufgrund ihrer Herkunft und des Geschlechts durchsetzen. „Ich habe oft die Zähne zusammen­beißen müssen“, erinnert sich Osia Katsidou, die als Sprecherin für das Start-up Dive fungiert, das das Freundinnen-Quartett gegründet hat. Ihr seien unschöne Dinge passiert, weil man ihr nur wenig zugetraut habe oder sie nicht „die richtigen Leute kannte“. Ihrer Schwester und den Freundinnen sei Ähnliches widerfahren.

Beim Start-up Dive geht es um Mut und Vielfalt

Die Frauen hätten also Grund, verbittert Rückschau zu halten. Aber stattdessen benutzen sie ihre Erfahrungen, um für positive Veränderungen zu sorgen. „Dive“ steht dabei sowohl für die Abkürzung von Diversität als auch für das mutige „Eintauchen“ in eine heikle Materie.  Es ist ein Appell an all jene, „die anders sind und in herausfordernde Situationen tauchen sollen“, heißt es beim Start-up Dive. „Aber vor allem für diejenigen, die Entschei­dungen treffen und dabei mehr Mut zu Vielfalt beweisen sollen.“ Vor zwei Jahren wurde das Unternehmen als GbR gegründet, die Erlebnis-Workshops in Unternehmen anbietet. „Sie richten sich vor allem an den HR-Bereich, wir bekommen aber auch Anfragen aus den Kommunikationsabteilungen“, sagt Osia Katsidou. Das junge Unternehmen will „Erlebnis­formate“ in die Unternehmen bringen, „um den Vielfaltsdiskurs zu beschleunigen und die richtigen Impulse für eine inklusive Arbeitskultur zu setzen“. Einige Monate nach der GbR wurde zusätzlich eine GmbH aus der Taufe gehoben. Ihr Geschäftsmodell ist eine digitale Plattform für „anonymisiertes Recruiting“. Unternehmen können darauf Stellenanzeigen schalten. Treffer ergeben sich allein aufgrund der geforderten Qualifikationen. „Alter, Geschlecht, Herkunft et cetera spielen keine Rolle. Solche Angaben sind außen vor“, erklärt die Gründerin. Ein Algorithmus verbindet Talente mit den Job-Anzeigen. Für Jobsuchende ist die Nutzung kostenlos. Die Finanzierung erfolgt durch die Stellenanzeigen der Unternehmen.

Kultur- und Kreativpilotinnen

Vorbild in Sachen anonymisierte Aus- wahlverfahren seien die USA. „Wir sind aber sicher, dass sich dieses Procedere mit der Zeit in der ganzen Welt durchsetzen wird.“ Es sei schlicht eine Sache der Chancengleichheit, der Fairness. „Zudem kann es sich die Wirtschaft aufgrund des Fachkräftemangels einfach nicht erlauben, kompetente Menschen auszusortieren.“ Daran würde auch die aktuelle Krise nichts ändern. Selma Music drückt es recht nüchtern so aus: „Gleichstellung ist mir nicht nur ein Herzensanliegen. Ich setze bei dem Thema vor allem auf Fakten und vertraue den Zahlen.“ Ihr Projekt bezeichnen die vier Frauen als „europäischen Diversity Accelerator“, der Vielfalt fördere und diskutiere. Ihnen geht es bei Diversity & Inclusion nicht um angesagte Buzzwords. Vielmehr wollen sie Vielfalt gehaltvoll in der DNA von Unternehmen verankern und so Personal- und Kommunikationsstrategien zukunftsfest und nachhaltig gestalten. Im kommenden Jahr wollen sie das Thema und ihre Plattform Dive weiter etablieren. Rückenwind spüren sie dabei durch eine Auszeichnung der Bundesregierung in diesem Jahr. Zusammen mit 31 weiteren Unternehmen dürfen sie sich „Kultur- und Kreativpilotinnen“ nennen. Bei der Auszeichnung stehen die Persönlichkeiten im Mittelpunkt. Die Titelträgerinnen nehmen an einem einjährigen, individuell abgestimmten Mentoring-Programm teil. Dazu gehören Workshops, die Begleitung durch zwei Coaches und der Austausch mit den anderen Teams sowie mit Expertinnen.


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