Text: Dagmar Haas-Pilwat, Fotos: Andreas Endermann
Lange Zeit hat es gereicht, wenn Unternehmen nur von „Diversity“ gesprochen haben. Inzwischen genügt das Lippenbekenntnis nicht mehr: Vielmehr ist es essentiell, Vielfalt in der Unternehmenskultur zu leben, um erfolgreich zu sein. „Es ist einfach falsch, Menschen ohne wirklich guten sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Vielseitigkeit ist bereichernd“, sagt Frank Rösner. Und weil der Geschäftsführer von KaDoMo bereits vor 20 Jahren das Naheliegende getan hat, die Stärken von Menschen mit Mobilitätseinschränkung für seinen Betrieb erkannte und diese seitdem als Mitarbeitende einstellt, zählt die barrierefrei gestaltete Mobilitätsmanufaktur in Hilden bundesweit zu den erfolgreichsten ihrer Art. Möglich macht das die Vielfalt der Talente.
„Eine Behinderung bedeutet bei uns keine Einschränkung, sie ist eine Zusatzqualifikation, die dem Unternehmen nützt“, erklärt der 59 Jahre alte Chef und ergänzt: „Wenn zu uns ein Kunde kommt, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist und seinen Wagen behindertengerecht umbauen lassen will, dann wird er individuell, auf Augenhöhe beraten – und das im wörtlichen Sinne. Denn viele meiner Mitarbeiter sind selbst körperlich eingeschränkt und können aus eigener Erfahrung die besten Tipps geben.“
„Diversität muss absolute Normalität sein“
Frank Rösner, KaDoMo
Angepasst an die speziellen Bedürfnisse der Fahrenden stattet die Mobilitätsmanufaktur Kombis, Bullis und sogar Rolls Royce oder Ferraris entsprechend aus: angefangen bei Handgashebeln für Menschen mit bewegungseingeschränkten Beinen bis hin zu kompletten Lift- und Rampensystemen für die Autofahrt im Rollstuhl. Dabei wurde von Beginn an die Integration von Menschen mit Einschränkungen in den ersten Arbeitsmarkt als selbstverständlich vorgelebt: Das zeigt sich im kaufmännischen Bereich, dort ist die Hälfte der 30 Mitarbeitenden behindert. Im gewerblichen Bereich liegt der Anteil bei zehn Prozent.
Für Frank Rösner, dessen mehrfach ausgezeichneter Inklusionsbetrieb auch Geflüchteten und Langzeitarbeitslosen eine Chance gibt, ist Andersein keine Schwäche, sondern eine Kraft. Sein Ziel ist: „Diversität muss absolute Normalität sein“.
Zum Thema Vielfalt sind wir auch mit Larissa Leienbach ins Gespräch gekommen. Sie ist Diversity & Inclusion Managerin bei Uniper – jetzt reinhören!
Diese Forderung kann Stephan Jäger, Berater für Fachkräftesicherung der IHK Düsseldorf, nur unterstreichen: „Es gilt die Chancengerechtigkeit von Menschen mit Behinderungen, jeden Geschlechts und Alters, individueller kultureller und sozialer Herkunft sowie unterschiedlicher sexueller Orientierung zu fördern“, sagt er. Denn Unternehmen, die Vielfalt der Talente können, seien besser, zukunftsorientierter und -sicherer gerüstet.
Jäger und sein Team motivieren insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, sich Diversität zu Nutze zu machen: Die Vielfalt unserer Gesellschaft sollte als Vorteil wertgeschätzt und von den Unternehmen als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor anerkannt werden. „Das ist nicht einfach, dazu muss jeder seiner Wohlfühlzone verlassen und Veränderungen zulassen“, betont der IHK-Experte. Doch Firmen, die sich offensiv zur Vielfalt bekennen, können damit werben und so ihre Wettbewerbsfähigkeit als attraktiver Arbeitgeber steigern.
Als am 31. Mai 2022 der 10. Deutsche Diversity-Tag (DDT) stattfand, zeigte auch die IHK #FlaggefürVielfalt. Betriebe werden ermuntert, die Charta der Vielfalt zu unterzeichnen, um so die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Unternehmenskultur in Deutschland voran zu bringen. Mehr als 4.600 Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben in Deutschland bereits unterzeichnet. Im IHK-Bezirk Düsseldorf sind es mehr als 150 Unternehmen.
„Die Charta ist das größte Netzwerk für Vielfalt in Deutschland, die Unternehmen profitieren nicht nur vom Erfahrungsaustausch miteinander, sondern auch von der öffentlichen Wahrnehmung“, erklärt der Experte.
Bereichernd, bunt und lebendig
Jäger ist überzeugt davon, dass „Firmen, die Diversität heute nicht als Chance begriffen haben, sie bald als existenzielle Notwendigkeit erfahren werden müssen“. Zumal da Studien zeigen, dass spätestens in zehn Jahren der Mangel an Fachkräften doppelt so hoch sein wird. „Vielfalt und eine offene Gesellschaft sind die Zukunft der Arbeitswelt. Dazu gehört ein wertschätzendes Arbeitsumfeld frei von Vorurteilen und Stigmen.“
Bereichernd, bunt und lebendig – so sollen sie sein die idealen, international- und geschlechter-durchmischten Teams, sagt Claudia Thienenkamp. Als Referentin für Personal und Ausbildung arbeitet sie beim Familienunternehmen Dücker in Langenfeld, das automatisch gesteuerte Transportbänder in die ganze Welt liefert. Die international agierende Firma gilt als Marktführer im Bereich der Fördertechnik und internen Logistik für die Wellpappenindustrie.
Mehr als 20 Nationen sind unter den 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Standorten in Langenfeld und Monheim vertreten (weltweit sind es 900 Angestellte). Von Ghana, den Niederlanden über Portugal und Polen bis hin zu Marokko und Syrien reicht das Spektrum. „Wenn alle Formalitäten erledigt sind, wird bald auch eine ukrainische Flüchtlingsfamilie bei uns arbeiten“, sagt Thienenkamp.
In der Fertigung, im technischen und kaufmännischen Bereich sei man von den Nationalitäten her extrem divers aufgestellt. „Das ist ein großer Vorteil, diverse Teams liefern bessere Ergebnisse und tragen zum Erfolg des Unternehmens bei“, betont die Personal-Fachfrau. Die verschiedenen Sprachen, Kulturen und Wertesysteme, die Vielfalt an Persönlichkeiten, Prägungen und Erfahrungen seien nach außen positiv für die internationale Kundschaft. Nach innen erzeugten die Vielfalt der Talente Reibung, welche kreativer und innovativer sei. „Der richtige Mix im Team ist entscheidet. Dabei spielen Herkunft, Alter und Geschlecht keine Rolle. Entscheidet ist die Frage: Passt der- oder diejenige zu uns“, erklärt Claudia Thienenkamp.
Doch da mangelt es häufig an weiblichen Mitarbeiterinnen. „Ich wünsche mir mehr Frauen in technischen Berufen, in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Physik)“, sagt Wirtschaftsingenieurin Julia Dücker, eine von vier Geschäftsführerenden an der Spitze des Familienunternehmens. Frauen sollten generell mehr den Mut haben, einen aus veralteter Sicht eher typisch männlichen Beruf zu erlernen.
Die Vielfalt der Talente machts
Aktiv versuchen die Langenfelder, das Thema anzugehen: Das Engagement in Sachen Ausbildung ist stark und die Präsenz in Schulen ist deutlich erhöht, um frühzeitig potenzielle Bewerberinnen aufmerksam zu machen, sie in den Betrieb zu locken. „Wir fragen die Schülerinnen, was sie sich von uns als Arbeitgeber wünschen und erklären was sie beispielsweise in der Automatisierungs- und Systemtechnik erwartet“, erklärt Claudia Thienenkamp.
Sie weiß um die Vorteile von weiblichen Mitarbeiterinnen und gibt ein Beispiel: „Seitdem wir in der Endmontage eine Frau eingestellt haben, hat sich das positiv aufs Klima ausgewirkt. Der raue Ton unter den Männern hat sich verändert, die Hilfsbereitschaft ist gestiegen.“
Diversität wird bei Dücker bewusst gelebt und das bedeutet auch: „Jeder, der es braucht, bekommt sein passendes Arbeitszeitmodell. Wir machen Teilzeit möglich, auch bei Auszubildenden“, so die Personalexpertin. Sensibilität und Kreativität seien gefragt, um qualifizierte Mitarbeiterinnen zu gewinnen. Dazu zählten auch so banale Dinge wie passende Berufsbekleidung. „Frauen wollen sich am Arbeitsplatz wohlfühlen. Also darf der Overall kein Sack, sondern muss in der richtigen Damengröße sein.“
Fazit: Sich für Vielfalt zu engagieren, ist keine einfache Problemlösung, sondern eine Managementaufgabe. Heißt: Ziele müssen gesetzt, Maßnahmen implementiert und Erfolge gemessen werden.
Weitere Beiträge zum Thema Diversity im Online-Magazin der IHK Düsseldorf.
Fragen, Anregungen oder konstruktive Kritik zum Online-Magazin der IHK Düsseldorf? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.
Die Redaktion