Virtual Reality ist im Arbeitsleben angekommen

Messebesucher probieren die VR-Anwendung "Titanium Space" aus, die die Weltenmacher GmbH zusammen mit dem Unternehmen Buderus entwickelt hat.

Text: Christopher Trinks, Foto: Bosch Thermotechnik GmbH

Die Welt, die wir vor Augen haben, verlassen und per Computer in ein völlig anderes, virtuelles Universum mit anderen Eindrücken abtauchen – früher eine klischeehafte Plattitüde über Anhänger der Gaming- und E-Sport-Szene, heute Sinnbild für einen wachsenden Markt mit Zukunftspotenzial.

Längst haben auch andere Wirtschaftszweige abseits der Unterhaltungsbranche die Möglichkeiten von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) für sich entdeckt und nutzbar gemacht. So lässt manch Architekturbüro seine Kunden schon ihr neues Haus erkunden, noch bevor der erste Spatenstich gesetzt ist. Oder in der Medizin, wo sich Ärzte über VR auf komplizierte Operationen vorbereiten und währenddessen wichtige diagnostische Daten mittels einer AR-Brille im Blick halten. Die Technologie versetzt die Nutzer nicht mehr nur in eine künstliche Umgebung, sondern lässt sie dank spezieller Sensoren und Geräte sogar mit ihr interagieren. Abseits der virtuellen Produktpräsentation eröffnet sie damit auch immer mehr Anwendungsfelder für die Berufswelt – und könnte somit ein wichtiger Wegbereiter für die Industrie 4.0 werden.

„Überall wo es gefährlich wird, aber man vorher simulieren kann, macht VR Sinn“

Frank Bürger, IHK-Referent für Technologie- und Innovationsberatung

„Überall wo es gefährlich wird, aber man vorher simulieren kann, macht VR Sinn“, sagt Frank Bürger, IHK-Referent für Technologie- und Innovationsberatung. Genau für einen solchen Zweck wurde der „Flamecoach“ der Düsseldorfer A4VR GmbH konzipiert. Gemeint ist eine Soft- und Hardwarekombination, welche die obligatorische Brandschutzschulung für Mitarbeiter völlig neu erlebbar machen soll. Per VR-Brille werden die Teilnehmer dabei in eine fotorealistische Szenerie des Büro- oder Produktionsalltags versetzt, in welchem der Ernstfall ausgebrochen ist. Bewaffnet mit einem realen, originalgetreuen Feuerlöscher lernen die Mitarbeiter den Umgang mit Löschmitteln und der Bekämpfung kleiner Brände „Ein Duftkompressor simuliert den Rauch und ein Hitzestrahler die Wärme. Es entsteht weder CO2-Verbrauch noch Verschmutzung durch Löschschaum. Die Schulung lässt sich mehrmals wiederholen und kann nach Wunsch auch in einer Schreinerei oder einer Kantine programmiert werden“, sagt Geschäftsführer Jan Thiel, Gründer der Full-Service-Agentur für VR- und AR-Konzepte. Unterstützt wurden die Entwickler dabei von der Werkfeuerwehr des Düsseldorfer Mercedes-Benz-Werks, wo der „Flamecoach“ regelmäßig zum Einsatz kommt. „Ständiges Training einer gefährlichen Situation wie ein Brand reduziert Hektik und Stress im Ernstfall. Oder die Scheu beim Gebrauch eines Feuerlöschers“, sagt Werkfeuerwehrmann Olaf Gersbeck.

Fertigungen hautnah vor Augen

Auch die Thyssenkrupp Infrastructure GmbH, eine Konzerngesellschaft innerhalb des Thyssenkrupp Konzerns, dessen Aufzugsparte wieder in Düsseldorf residiert, nutzt die Möglichkeiten der VR-Technologie. Für die „Bauma 2019“, der weltgrößten Messe, ließ die Infrastructure-Konzernsparte ein patentiertes Linearverbau-System von der A4VR-Agentur in Virtual Reality übersetzen. Das Verfahren sichert tiefe und breite Gruben bei Tiefbauarbeiten. Zudem ermöglicht das auf Schienen basierende System ein Vorbeigleiten der sogenannten Verbauplatten, sodass bei fortschreitendem Bau die Gruben stets linear auf demselben Abstand gehalten werden können. Statt des enormen Aufwands und der Kosten, die für lediglich eine Messewoche mit dem Linearverbau einer Grube vor Ort verbunden waren, erlebten die Kunden am Messestandort die Produkte und deren Eigenschaften über die VR-Brille ebenso hautnah wie in der Realität. „Gerade besonders erklärungsbedürftige Produkte können dadurch anschaulicher und nachhaltiger präsentiert werden. Wir planen, Virtual und Augmented Reality noch weiter zu nutzen“, sagt Silke Meis, Head of Marketing Communications.

Azubi-Unterstützung per VR

VR/AR-Unterstützung bei der Ausbildung ist ein Spezialgebiet des Düsseldorfer Unternehmens „Weltenmacher“. Erste Hilfe, Austausch von Gas-/Heizthermen, Steuerung chemischer Produktionsanlagen – mithilfe speziell entwickelter VR-Programme lernen Auszubildende bereits den Umgang, bevor sie in der Praxis arbeiten und das Risiko einer Fehlbedienung besteht. „Neben der Kostenersparnis, mehr Möglichkeiten zur Standardisierung der Ausbildung und wesentlich flexiblerem Praxislehrteil ist es die Begeisterung der Azubis, die für mich keinen Zweifel daran lässt, dass VR/AR-Anwendungen schon sehr bald in den Ausbildungs-Alltag integriert werden“, sagt Geschäftsführer Boris Kantzow.

Über dieses Thema haben wir auch im IHK Quarterly 02/2021 berichtet.