Virus als Digitalisierungs-Turbo?

Die Pandemie zwingt viele Unternehmen, verstärkt auf digitale Kanäle zu setzen

Text: Gesa van der Meyden, Foto: AdobeStock

Wie auch immer sich die Corona- Krise in den kommenden Monaten entwickeln wird, eines wird vorerst bleiben: Die Menschen sollen Abstand halten, sich regelmäßig die Hände desinfizieren und eine Atemschutzmaske tragen. Diese „AHA“-Formel rettet Leben, ändert aber auch fundamental die Art, wie wir uns im Alltag bewegen und miteinander kommunizieren. Das stellt die Unternehmen vor ungeahnte Herausforderungen. Kollegen müssen räumlich voneinander getrennt werden oder arbeiten direkt im Home-Office. Aus Konferenzen im Meeting-Raum werden Video-Calls und auch ihre Kunden müssen die Firmen vor allem digital ansprechen, weil persönliche Begegnungen nur erschwert möglich sind. Die neue Realität zwingt die Unternehmen, interne Abläufe zu überdenken. Dr. Matthias Parlings, Geschäftsstellenleiter Metropole Ruhr bei „Digital in NRW – Kompetenz für den Mittelstand“, beobachtet eine „Hybridisierung“ der Arbeitsorganisation. „Das bedeutet, dass Mitarbeiter zum Beispiel drei Tage im Home-Office sind und zwei Tage im Büro. Gerade im produzierenden Bereich ist es wichtig, dass auch die Chefs regelmäßig vor Ort sind. Es sollte keine Trennung in white collar und blue collar geben, also jenen im Anzug, die zu Hause am Rechner sitzen und jenen im Blaumann, die in der Fabrik stehen.“

„Die Mischung macht es.“

Patrick Bottermann, CSCP

Patrick Bottermann vom Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), sieht es ähnlich: „Die Mischung macht es. Viele arbeiten gerne von zu Hause aus, vermissen aber auch den Austausch an der Kaffeemaschine. Generell gehe ich davon aus, dass sich Home-Office als fester Bestandteil der Arbeitskultur etablieren wird. Das Schlüsselwort heißt hier ,Neue Arbeit‘ und wir planen dieses Thema im Rahmen des Angebotes unseres Zentrums für Wirtschaft und digitale Verantwortung, CSR-digital.nrw, mit unseren Partnern wie der IHK NRW breit zu spielen, weil es alle Branchen gleichermaßen betrifft.“ Für Peter Hornik, gemeinsam mit Dr. Klemens Gaida Geschäftsführer des Digital Innovation Hubs Düsseldorf Rheinland, ist die Pandemie ein Treiber der Digitalisierung. „Die flächendeckende Einführung digitaler Tools und Softwarelösungen für Onlinekommunikation und Videokonferenzen ist ein wesentliches Beispiel dafür, dass die digitale Transformation durch die Krise vorangetrieben wurde. Ich glaube, dass langfristig vor allem diejenigen erfolgreich sein werden, die neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen sind.“

Echte Kreativität braucht alle fünf Sinne

Als Anbieter von Softwarelösungen hat das Hildener Unternehmen Mego GmbH damit keinerlei Probleme, musste sich aber dennoch wie alle anderen auf die neue Corona- Situation einstellen. „Wir haben die Krise genutzt, um eine datenbankgestützte, individuelle App für kleine und mittlere Unternehmen zu entwickeln, damit diese ihre Daten zentral organisieren können“, sagt Geschäftsführerin Sabine Yener. „Angesichts der Krise nehmen die Berührungsängste vieler Kunden vor der Digitalisierung ab und sie sind eher bereit, vom Papier wegzugehen. Das ist auch für die Zukunft eine gute Nachricht, weil es uns alle flexibler macht.“ Auch Jørn Rings, Geschäftsführer von Neu – Gesellschaft für Innovation mbH aus Düsseldorf, hat in seinem Unternehmen schon vor der Krise auf mobile Arbeit und digitale Tools gesetzt. Dennoch hat er in den vergangenen Monaten viel darüber gelernt, wann der Einsatz von Technik sinnvoll ist und wann nicht. „Um im Team gute Ideen zu entwickeln, reicht es nicht, auf einen kleinen Bildschirm zu schauen und die anderen zu hören und zu sehen. Dafür braucht es tatsächlich den physischen Raum und die menschliche Nähe sowie eine Ansprache aller fünf Sinne – erst dann wird das Gehirn wirklich kreativ. Wir haben gelernt, dass zu einer Digitalisierung immer auch eine analoge Seite gehört, wie ein guter Kaffee und ein gemütlicher Sessel. Im Grunde hat sich bei uns also beides in der Qualität intensiviert: die digitale sowie die analoge Arbeitswelt.“

„Home-Office spart Zeit und Wege“

Dirk Schmidt, IHK Düsseldorf

Beim Düsseldorfer Unternehmen Sipgate, einem Anbieter von Internet-Telefonie, hat die Pandemie zwar die „Arbeitsumgebung beeinflusst, nicht aber die Art des Austauschs und die Zusammenarbeit“, sagt Sprecher Sigurd Jaiser. „Wir sind eine sehr physische Company mit Boards, Post-Its, jede Menge Austausch am Schreibtisch. Unser großes Portfolioboard, an dem wir uns gegenseitig wöchentlich updaten, ist jetzt digital, erinnert uns aber auch optisch sehr an das physische Board. Wir sind den ganzen Tag in digitalen Teamräumen und Videokonferenzen und – wie im Büro auch – sehr auf Austausch, Transparenz und gemeinsames Arbeiten ausgerichtet. Interessanterweise arbeiten wir also immer noch komplett in synchronem Austausch, was sich bis auf das direkte Umfeld anfühlt wie im Büro.“ Weniger im Büro sind seit Beginn der Krise auch die Mitarbeiter der IHK Düsseldorf, die sich wie die Unternehmen schnell den neuen Gegebenheiten anpassen musste. Dirk Schmidt, stellvertretender IHK-Geschäftsführer Verwaltung und Support, zieht bislang ein positives Fazit. „Der Anteil an Mitarbeitern im Home-Office hat sich deutlich erhöht. Da das Zeit und Wege spart, ist diese Form der Arbeit sehr effizient. Zudem kommt sie unseren vielen Kollegen und Kolleginnen entgegen, die in Teilzeit arbeiten und im Home-Office Beruf und Familie besser vereinbaren können.“ Die höhere Zahl an Webinaren im Vergleich zu den Seminaren vor der Krise bringe ebenfalls Vorteile, auch wenn vielen Beteiligten der persönliche Austausch vor Ort fehle, „mich eingeschlossen“, wie Schmidt sagt. „Bei den Webinaren können wir vielmehr Teilnehmer zulassen als zuvor und müssen keinen Seminarraum organisieren. Ich denke daher, dass wir auch in Zukunft verstärkt auf den Einsatz digitaler Mittel setzen werden.“

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