Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Hans-Jürgen Bauer
Beim jüngsten Zusammentreffen des Stammtischs Inklusion, organisiert von der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) der IHK Düsseldorf, ging es nicht nur um Fördermittel zur Einstellung von Menschen mit Behinderungen. Es ging vor allem darum, wie sehr Unternehmen von mehr Diversität profitieren. Ein Beispiel: Gastgeber Mercedes-Benz.
Es ist ein Werk, das nahezu jeder Mensch in Düsseldorf kennt: Seit 62 Jahren dreht sich das weithin sichtbare runde Logo des Autobauers Mercedes-Benz auf dem Dach des Gebäudes im Stadtteil Derendorf. Rund 5.600 Mitarbeitende aus 40 Nationen produzieren hier 140.000 Sprinter pro Jahr, 54 unterschiedliche Modelle des Transporters gehen von der Landeshauptstadt in die Welt. „Egal, in welchem Land Sie sich befinden – wenn Sie dort einen Mercedes-Sprinter sehen, stammt er aus dem Werk in Düsseldorf“, sagt Matthias Schlüter, erste Vertrauensperson für Menschen mit Behinderung bei der Mercedes-Benz AG in Düsseldorf.
Hier trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jüngsten Stammtischs Inklusion auf Einladung der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) der IHK Düsseldorf, um sich darüber auszutauschen, welche finanziellen Förderungen es für Unternehmen gibt, die Menschen mit Behinderung einstellen oder ausbilden möchten. Die EAA informiert, berät und unterstützt Arbeitgebende niedrigschwellig bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Beschäftigten.
„Einsatzbereitschaft von unschätzbarem Wert“
André Lutz Overrath, Berater für Inklusion bei der IHK Düsseldorf, gab zunächst einen kurzen Überblick: „Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, um Menschen mit Handicap zu unterstützen und erfolgreich in das Berufsleben einzugliedern. Das Inklusionsamt des Liegenschaftsverbands Rheinland (LVR) fördert insbesondere die nichtbehinderungsgerechte Arbeitsausstattung. Ziel ist es immer, möglichst viele Menschen mit Behinderung in Arbeit und Ausbildung zu bringen. Für Arbeitgebende kann das eine Chance sein, neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Ihrem Betrieb zu schaffen und Fachkräfte zu gewinnen.“
Dass Unternehmen davon in vielerlei Hinsicht profitieren, bestätigte Matthias Schlüter. Rund 920 Personen mit Handicap arbeiten im Düsseldorfer Mercedes-Werk. Viele von ihnen sind langjährige Mitarbeitende, die nach einem Unfall oder durch eine Krankheit ihren Job nicht mehr so ausüben konnten wie vorher. „Einige mussten von der Produktion in die Verwaltung wechseln. In anderen Fällen brauchten wir ergonomische Stühle oder einen arbeitsplatznahen Parkplatz auf dem Gelände. All das lohnt sich, weil wir auf diese Weise Menschen weiter beschäftigen können, deren Erfahrung und Einsatzbereitschaft von unschätzbarem Wert für uns sind.“
REWE-Unternehmer mit Inklusionspreis ausgezeichnet
Letztlich ist es aber zweitrangig, ob die Mitarbeitenden mit Behinderung schon lange dabei sind oder neu eingestellt werden – sie verändern Abläufe und Strukturen im Unternehmen zum Vorteil aller, findet Matthias Schlüter. „Wir bekamen zum Beispiel einen gehörlosen Kollegen, der von den Lippen ablesen kann. Daraufhin haben wir alle Beteiligten darum gebeten, bei gemeinsamen Treffen ruhig, langsam und deutlich zu sprechen. Schnell hat sich gezeigt, dass auf diese Weise alle mehr von den Meetings haben und sie viel entspannter ablaufen.“
Ähnlich positive Erfahrungen mit der Einstellung von Menschen mit Behinderung hat auch ein anderer Teilnehmer des Stammtischs Inklusion gemacht. David Hegemann ist Besitzer von fünf REWE-Märkten in Düsseldorf und wurde vor kurzem mit dem Inklusionspreis für die Wirtschaft ausgezeichnet. Seit sieben Jahren beschäftigt Hegemann Menschen mit Behinderung, inzwischen hat er zehn Mitarbeitende mit Einschränkungen und seit diesem Sommer auch den ersten Auszubildenden im Rollstuhl. „Ich habe ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Die Kolleginnen und Kollegen sind zu 100 Prozent loyal und hochmotiviert. Mir ist sehr wichtig, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und in meinen Märkten alle Menschen gleichbehandelt werden – ob mit oder ohne Handicap.“
„Ein riesiges Kapital, das noch zu häufig ungenutzt bleibt“
Eine Mitarbeiterin mit einer psychischen Erkrankung, die elf Jahre lang in einer Werkstatt für angepasste Arbeit beschäftigt war, hat sich bei ihm vorgestellt. „Heute hat sie eine sozialversicherungspflichtige unbefristete Stelle bei uns, und kann sich keiner mehr vorstellen, wie es ohne sie wäre. Das ganze Team war bei ihrer Hochzeit, meine Assistentin war ihre Trauzeugin“, erzählt Hegemann aufrichtig begeistert. Viele Kundinnen und Kunden wüssten von seinem Engagement und würden deshalb gezielt zu ihm kommen. „Dadurch ist es sogar ein finanzieller Gewinn, auch wenn das nicht meine Hauptmotivation ist.“ Unterstützt wird Hegemann von Roderich Dörner, HR-Partner Inklusion bei REWE-West. „Wir sprechen mit Förderträgern, nutzen Einzelintegration oder bauen Inklusionsabteilungen auf und freuen uns, dass immer mehr der REWE-Märkte im Westen dem Beispiel von David Hegemann folgen. Es lohnt sich für alle.“
Davon ist auch André Lutz Overrath überzeugt. „Menschen mit Behinderungen bilden nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ein riesiges Kapital, das noch zu häufig ungenutzt bleibt. Das müssen wir ändern.“