Wenn Start-ups flügge werden

In der Region gibt es zahlreiche Start-ups, die sich fest etabliert haben

Start-up: Camper Active GmbH
Benedikt Franke (links) und Markus Becker mit einem Modell der Trockentrenntoiletten. Foto: Andreas Endermann

Text: Daniel Boss, Foto: Andreas Endermann
Für Start-ups, die den Kinderschühchen entwachsen sind, hat sich der Begriff Scale-up etabliert. Nach der ersten Phase – oft mit nur ein oder zwei Leuten an Bord, noch vielen offenen Fragen und Baustellen und noch mehr durchgearbeiteten Nächten – geht es bei diesen jungen Unternehmen bereits um zielgerichtetes Wachstum. Oft geraten die einstigen Start-ups dann etwas aus dem Blick der Öffentlichkeit – und der öffentlichen Förderung. Anders ist das bei „Scale-up NRW“, umgesetzt von der Digital Innovation Hub Düsseldorf/Rheinland GmbH und der German Entrepreneurship GmbH im Auftrag des Landes. Unternehmen, die den entscheidenden Schritt weiter sind, erhalten so Unterstützung bei der Erkundung internationaler Märkte – und beim Sprung ins jeweilige Land oder die Region. Die Unternehmen werden sozusagen auf globaler Ebene flügge. „NRW hat sich zum ehrgeizigen Ziel gesetzt, konkurrenzfähig mit den besten Gründerregionen in Europa und weltweit zu sein. Um das zu erreichen, benötigen wir exzellente Start-ups mit einem Potenzial zu rapidem Wachstum und Internationalisierung“, sagt Dr. Nikolaus Paffenholz, Abteilungsleiter Unternehmensservice der IHK Düsseldorf. Die hiesige Start-(und Scale-)up-Szene beeindruckt mit einer unglaublichen Vielfalt. Junge Unternehmerinnen und Unternehmer entwickeln beispielsweise innovative Lösungen für das Stille Örtchen während des Campingurlaubs oder bringen eine Software auf den Markt, die Produkte per Bildersuche findet. Dabei überspringen sie mancherlei Hürden und professionalisieren ihre Strukturen – oft allerdings, ohne den typischen Start-up-Geist zu verlieren. Liegt doch in dieser besonderen Mischung aus Lockerheit, gesundem Ehrgeiz und viel Spezial-Know-how einer der Schlüssel zum Erfolg.

Idee für ein dringendes Bedürfnis

Dieser Domain-Name reizt zum Zweimal-Hinsehen: www.meinetrenntoilette.de. Hinter der Verkaufs- und Beratungsplattform steht die Camper Active GmbH mit Sitz an der Erkrather Straße in Düsseldorf. Gegründet wurde das Start-up, „um das Prinzip wasser- und chemiefreier Trockentrenntoiletten zu etablieren und damit Reisenden maximale Unabhängigkeit zu ermöglichen“, wie Benedikt Franke erläutert. Gemeinsam mit Markus Becker hat er das Unternehmen vor zwei Jahren gestartet und in diesem Zusammenhang mit Trelino eine eigene mobile Toilettenlösung auf den Markt gebracht.

„Wir nähern uns dem Markt nicht theoretisch an, sondern wissen genau, für wen und zu welchem Zweck wir unsere Produkte entwickeln und was wir beachten müssen“

Benedikt Franke, Gründer der Camper Active GmbH

Das Geschäftsmodell des Start-ups besteht darin, „Funktionalität und Design optimal aufeinander abzustimmen“ und ein Produkt zu kreieren, das optisch eher an ein Möbelstück als an eine Toilette erinnert. Trelino – so heißt das Produkt. Man lege sehr viel Wert auf ein „Wie-zu-Hause-Gefühl“. „Als Menschen, die es lieben unterwegs zu sein, haben wir selbst oft vor den ,drängenden Herausforderungen’ gestanden, mit denen unsere Kunden konfrontiert werden“, sagt Benedikt Franke und verrät ein gutes Stück des Erfolgsgeheimnisses: „Wir nähern uns dem Markt nicht theoretisch an, sondern wissen genau, für wen und zu welchem Zweck wir unsere Produkte entwickeln und was wir beachten müssen, um die Bedarfe unserer Kunden bestmöglich zu erfüllen.“ Nach der erfolgreichen Startphase ist die Camper Active GmbH auf Wachstumskurs. „Wir möchten das Modell der Trockentrenntoilette als nachhaltige Alternative zum Chemieklo über den europäischen Markt hinaus etablieren. Es muss einfach übergreifend ein neues, zeitgemäßes und somit nachhaltiges Konzept für eine mobile Toilette angeboten werden“, findet der Gründer. Vor diesem Hintergrund freue man sich riesig, seit kurzem auch in den USA mit den Produkten präsent zu sein. Eine Hürde größeren Ausmaßes gab es im Zuge der Coronapandemie. Im vergangenen Jahr traten Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Kunststoffgranulat auf, das als Rohmaterial in der Produktion gebraucht wird. Gleichzeitig stieg saisonal bedingt die Nachfrage nach Trockentrenntoiletten. „In dieser Zeit lagen die größten Herausforderungen für uns im Kommunikations- und Erwartungsmanagement unserer Kunden, die wir mehrmals über die Verlängerung von Lieferzeiten informieren mussten“, so Benedikt Franke.

Online-Coaching für die Gesundheit

Während ihrer Arbeit im Krankenhaus hat es Dr. med. Mareike Awe und Dr. Marc Reinbach immer gestört, „dass in vielen Fällen nur an den Symptomen herumgedoktert wird“, anstatt die Ursache zu beheben, wie das Unternehmer-Duo erklärt. Und eine der häufigsten Ursachen für Krankheiten seien nun einmal Übergewicht und Stress. „Und genau da setzen wir unter anderem mit unserem Online-Coaching ‚intueat‘ an, mit dem wir bisher über 100.000 Menschen zu mehr Gesundheit verhelfen konnten“, erklärt die Medizinerin einen Teilbereich des Geschäftsmodells. Das Start-up in der e-Health-Branche ist in den vergangenen sieben Jahren ordentlich gewachsen. 40 Leute gehören inzwischen zum Team. Dabei orientiert man sich an mehreren „DNA-Werten“. Dazu gehört unter anderem: „Jeder im Team sieht sich als Unternehmerin oder Unternehmer und übernimmt 100 Prozent Verantwortung für eigene Projekte“, so Dr. Marc Reinbach. „Außerdem konzentrieren wir uns auf die ,Big Dominos’, machen also die entscheidenden Dinge richtig gut anstatt viele Dinge mittelmäßig“, ergänzt seine Kollegin. Heiklen Situationen begegnen die Düsseldorfer mit einem kühlen Kopf. „Auch diese Eigenschaft hat uns sicherlich erfolgreich gemacht“, glaubt Dr. Mareike Awe.

„Wir möchten das bekannteste und erfolgreichste Gesundheits-unternehmen im deutschsprachigen Raum werden“

Dr. Marc Reinbach, Gründer der intumind GmbH

Kritische Momente tauchten zwangsläufig in jedem Unternehmen dann und wann auf. Das Start-up hatte beispielsweise einst mit streikenden Technikproblemen im Mitgliederbereich zu kämpfen, der natürlich essentiell für das Produkt ist. „Glücklicherweise konnten wir immer schnell Lösungen finden“, sagt die Geschäftsführerin. Auf diese Weise kann die Erfolgsgeschichte weitergehen. Die Ziele sind ambitioniert: „Wir möchten das bekannteste und erfolgreichste Gesundheitsunternehmen im deutschsprachigen Raum werden. In wenigen Jahren sollen unsere App und unser Angebot an Online-Coaching-Programmen so bekannt sein, dass wir die erste Anlaufstelle sind, wenn es darum geht, seine Gesundheit, auch die mentale, zu verbessern“, sagt Dr. Marc Reinbach.

Hightech für gesundes Essen

Alexander Eissing hat bereits in jungen Jahren angefangen, mit Freunden Internet-Start-ups zu gründen – „und man kann nach solchen Erfahrungen kaum noch normale Jobs machen“. Eines Tages, er war gerade aus New York zurück nach Deutschland gezogen, schloss er sich einen Monat lang ein und überlegte: „Wie kann man Technologie und Food so miteinander verbinden, um gesundes Essen zu jeder Zeit automatisiert verfügbar zu machen?“ So sei er auf die Idee eines smarten Kühlschranks gekommen, der Produkte selbstständig erkennt, verwaltet und verkauft. Das Geschäftsmodell nannte er „Fresh Food as a Service“. Man stellt Kühlschränke in Unternehmen für die Mitarbeiterverpflegung auf, die im Abo-Prinzip mehrfach in der Woche immer mit frischem Essen befüllt werden, erklärt Alexander Eissing.

„Wie kann man Technologie und Food so miteinander verbinden, um gesundes Essen zu jeder Zeit automatisiert verfügbar zu machen?“

Alexander Eissing, Gründer der Livello GmbH

Heute entwickelt und verkauft sein Düsseldorfer Start-up Livello kleine automatisierte Store-Lösungen, „die sich direkt beim Kunden befinden und sich zum neusten Kanal im Einzelhandel entwickeln“. Neben der Technologie bietet man auch ein Foodservice Partnernetzwerk. Mit dabei sind unter anderem Lebensmittel-Hersteller, Catering-Unternehmen und Lieferdienste. Sie kümmern sich europaweit um die Befüllung und den Betrieb der Geräte. Jedes Jahr und in jeder Phase der Entwicklung von Start-ups tauchen laut Alexander Eissing neue kritische Momente und Herausforderungen auf. „In der Entstehung, wenn ein Team und Produkt aus dem Nichts gezaubert werden müssen. In der Markteinführungsphase, wenn man die ersten Kunden überzeugen und begeistern muss. In der Wachstumsphase, wenn die Komplexität aller Prozesse stetig steigt.“ Besonders hart sei es in der Coronazeit gewesen, da die meisten Geräte in Unternehmen als Verpflegungslösung aufgestellt worden sind. „Und wenn die Büros leer sind, so fehlt auch die Kundschaft und die Investionsbereitschaft von Partnern.“ Die positiven „Post- Corona-Ergebnisse“ seien, „dass Menschen eine hohe Affinität für neue Technologien und digitales Einkaufen entwickelt haben, dass sie heute lieber kontakt- und bargeldlos bezahlen, und dass die Industrie viele Prozesse automatisiert, was unserem Geschäftsmodell sehr entgegenkommt“. Livello entwickelt seine Software ständig weiter und führt neuartige Technologien ein: Es geht um „Deep Analytics“, „Smart BI“, „Predictive Forecasting“ und ähnliches. Eines Tages sollen diese AI-Funktionen eine intelligente Lieferkette darstellen, „die hoffentlich Food Waste eliminieren kann“.

Schneller finden mit Bildern

Bilder sind sowohl für uns Menschen als auch für Maschinen deutlich einfacher lesbar und interpretierbar als Text. Zusätzlich kann viel mehr Information in der gleichen Zeit übertragen werden. Kommunikation über Text und Sprache ist sehr umständlich und nicht effizient. „Insbesondere die Kommunikation mit Maschinen bedarf diverser Übersetzungen. Daher bin ich davon überzeugt, dass zukünftig ein bedeutender Teil der Kommunikation zwischen uns Menschen, zwischen Menschen und Maschinen und zwischen Maschinen über Bilder erfolgen wird.“ So erklärt Dr. Anna Lukasson-Herzig, Gründerin und Geschäftsführerin der Nyris GmbH, die Idee hinter ihrem Start-up. Nyris vermietet eine Software zur visuellen Suche, die in beliebiger Applikation integriert werden kann. „So ermöglichen wir Unternehmen, mit Bildern zu suchen statt mit Text, und so schnell und unkompliziert Produkte, Ersatzteile, Bauteile und vieles mehr sicher zu identifizieren.“ Sie sieht darin den ersten logischen Arbeitsschritt, vor allem in Bereichen, die vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind – eine Analyse, die für den Erfolg sämtlicher Start-ups notwendig ist.

„Ich bin hartnäckig und geduldig“

Dr. Anna Lukasson-Herzig, Gründerin der Nyris GmbH

„Im Ersatzteilgeschäft etwa hilft unsere Software dabei, die Produktivität der wenigen Experten deutlich zu erhöhen oder ungelernte Kräfte anspruchsvolle Tätigkeiten durchführen zu lassen.“ Zu den Referenzen gehören laut Unternehmen unter anderem Ikea, Trumpf oder auch Fortuna Düsseldorf. Ihren persönlichen Erfolg bringt die Unternehmerin, die ihr Studium der Werkstofftechnik an der RWTH Aachen mit Auszeichnung als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat, so auf den Punkt: „Ich bin hartnäckig und geduldig.“ Von Hindernissen, wie eine um sechs Monate verspätete Auszahlung bewilligter EU-Mittel, lässt sie sich nicht lange beeindrucken. Aktuell freut sich das Team über einen ganz besonderen Meilenstein: „Wir eröffnen ein neues Büro in Chicago.“ Ein toller Schritt in Richtung Internationalität, den sich viele Start-ups wünschen.

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