„Wir möchten Klimahauptstadt werden“

Interview mit Umweltdezernentin Helga Stulgies, wie der ehrgeizige Plan umgesetzt werden kann.

Umweltdezernentin Helga Stulgies
Die Düsseldorfer Umweltdezernentin Helga Stulgies möchte, dass die Landeshauptstadt als Vorbild im Klimaschutz vorangeht.

Text: Dieter Sieckmeyer, Fotos: Andreas Endermann
IHK Quarterly: Frau Stulgies, wie kann es funktionieren, damit Düsseldorf Klimahauptstadt wird?

Helga Stulgies: Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat sich das ambitionierte Ziel gesteckt, im Jahr 2035 die Klimaneutralität zu erreichen. Das bedeutet zwei Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr. Düsseldorf soll dabei nicht nur Vorbild im Klimaschutz sein, sondern die Stadt möchte zur „Klimahauptstadt“ werden. Dazu investiert Düsseldorf seit 2021 jährlich 60 Millionen Euro für den Klimaschutz. Um das Klimaziel zu erreichen, müssen in allen Sektoren (private Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Industrie, Verkehr sowie städtische Einrichtungen) Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen umgesetzt werden.

Wie wird das praktisch umgesetzt?

Helga Stulgies: Als Grundlage dient jeweils eine Potenzialstudie mit der Systematik einer sogenannten „Merit Order“, die mögliche Maßnahmen in zwei unterschiedliche Gruppen unterteilt: erstens die Vermeidung von Energieverbrauch und zweitens die Dekarbonisierung des dann noch verbleibenden Energieverbrauchs. Nach Einteilung der möglichen Maßnahmen in diese zwei Gruppen folgt deren Betrachtung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit (Effektivität) und Wirtschaftlichkeit (Effizienz). Die Umsetzung der Maßnahmen aus der Studie müsste in einem nächsten Schritt entschieden werden. Im Sektor Private Haushalte handelt es sich vor allem um Maßnahmen zur Steigerung der Sanierungsquote von derzeit ein auf drei Prozent. Zur Unterstützung der Gebäudeeigentümerinnen und Gebäudeeigentümer hat die Stadt Düsseldorf das Förderprogramm „Klimafreundliches Wohnen und Arbeiten“ auf sieben Millionen Förderetat pro Jahr aufgestockt. Hieraus werden auch Anschlüsse an die Fernwärme gefördert. Darüber hinaus wird über die städtische Photovoltaik-Offensive der Bau von Photovoltaikanlagen unterstützt.

Wie sieht die Planung genau aus?

Helga Stulgies: Die Landeshauptstadt muss als Vorbild im Klimaschutz vorangehen. Über eine Solaroffensive bei städtischen Gebäuden soll das Solarpotenzial der Stadt besser genutzt werden. Alle rund 1.800 städtischen Liegenschaften werden, sofern technisch möglich, mit Solaranlagen nachgerüstet. Im Sektor Verkehr stehen hauptsächlich Vorschläge zur Stärkung des Radverkehrs und des ÖPNV, bei gleichzeitig verbessertem Parkraummanagement und die Förderung eines emissionsarmen beziehungsweise -freien motorisierten Individualverkehrs im Fokus.

Was kann die Wirtschaft für die Klimaneutralität tun?

Helga Stulgies: Der Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Industrie gehört in Düsseldorf laut CO2-Bilanz aus dem Jahr 2018 mit rund 38 Prozent weiterhin zu den größten CO2-Emittenten. Der Sektor hat seit 1997 aber auch den höchsten Reduktionsbeitrag mit 66 Prozent zur Minderung der CO2-Emissionen in der Stadt beigesteuert. Dies zeigt, dass Unternehmen nicht nur Emittenten, sondern auch Teil der Lösung auf dem Weg zur Klimaneutralität sein können.

Wie ist es möglich, das in Düsseldorf zu erreichen?

Umweltdezernentin Helga Stulgies

Helga Stulgies: Am 7. Oktober hat die Stadt Düsseldorf den Düsseldorfer Klimapakt mit der Wirtschaft geschlossen. Darin verpflichten sich die Landeshauptstadt und die Initialpartner Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf, Handwerkskammer Düsseldorf und Kreishandwerkerschaft Düsseldorf zu einer Zusammenarbeit im Sinne des Klimaschutzes. Dieser Pakt muss in den nächsten Monaten mit Leben gefüllt werden. Im Rahmen des Paktes sollen Düsseldorfer Unternehmen gewonnen werden, die Stadt bei ihren Klimazielen zu unterstützen. Die bundes- und landespolitischen Vorgaben zum Klimaschutz stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Insbesondere die Verteuerung von Energie und Kohlendioxid-Emissionen stellen zusätzliche Belastungen dar. Darüber hinaus werden Unternehmen mit neuen Anforderungen aus den Folgen des Klimawandels, wie Überschwemmungen und Hitzeperioden konfrontiert. Gleichzeitig stellt das neue Umweltbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger neue Anforderungen an Produkte des alltäglichen Lebens. Langlebigkeit, Umweltverträglichkeit, Recyclingfähigkeit und Klimafreundlichkeit rücken in den Fokus. Dies führt zu einem Innovationsschub in der Wirtschaft, um den neuen Ansprüchen gerecht zu werden und eröffnet Chancen, nachhaltige Produkte erfolgreich auf dem Markt zu etablieren.

Was können Unternehmen tun, die sich daran beteiligen möchten?

Helga Stulgies: Klimapartner können alle Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf werden, die sich zum klimafreundlichen Wirtschaften in ihrem Unternehmen vor Ort bekennen und dies in ihrer Unternehmensphilosophie verankern. In einem ersten Schritt bekunden Düsseldorfer Unternehmen im Rahmen eines „Letter of Intent“ ihr Interesse an einer Teilnahme. Im zweiten Schritt werden die Unternehmen durch eine Geschäftsstelle bei der Stadt mit Informations-, Beratungs- und Förderangeboten sowie durch Vernetzungs-, Austausch- und Kommunikationsangebote im gesamten Prozess umfassend und kostenlos unterstützt. Wird nach dem Dialog abschließend die Klimaschutzvereinbarung mit der Stadt unterschrieben, ist damit der Wunsch verknüpft, dass ein freiwilliger Klimaschutzfahrplan bis zum Jahr 2035 mit dem Unternehmen erstellt und umgesetzt wird.

Mehr im Online-Magazin der IHK Düsseldorf zum Abschluss des Klimapakts und zu Unternehmen, die Vorreiter beim Thema Umweltschutz sind.

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