Die Pragmatiker der Fortin Mühlenwerke

In diesem Jahr feiern die Fortin Mühlenwerke 90-jähriges Bestehen. Das liegt auch an der zupackenden Mentalität der beiden Geschäftsführenden Gesellschafter.

Fortin Mühlenwerke
Ulrich Schumacher und Robert Lamers (links) sind die Geschäftsführenden Gesellschafter des Familienunternehmens.

Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Andreas Endermann
Am Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel, trafen Ulrich Schumacher (57) und Robert Lamers (50) eine Entscheidung. Die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter des Familienunternehmens Fortin Mühlenwerke kauften am 24. Februar dieses Jahres einen Heizöl-Tank. „Wir wollten vorbereitet sein, falls es wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland zu einem Engpass kommt“, sagt Schumacher, dessen Urgroßvater das Unternehmen am 8. August 1932 gegründet hat.
Um das per Schiff an ihrem Standort im Hafen angelieferte Getreide verarbeiten zu können, verbraucht der Betrieb rund fünf Tonnen Dampf pro Stunde. „Fällt der Dampf aus, ist der Betrieb nach drei Minuten vom Netz, der sonst an sechs Tagen die Woche 24 Stunden läuft. Deswegen brauchen wir eine permanente Energieversorgung. Sollte Gas ausfallen, können wir im Notfall auf Öl zurückgreifen, auch wenn das aus ökologischer Sicht natürlich nicht ideal ist“, sagt Lamers.

Solar-Panels auf allen Flachdächern

Deshalb hat die Geschäftsführung gleichzeitig ihre Bemühungen intensiviert, unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden. Alle Flachdächer auf dem Firmengelände sind mit Solar-Panels ausgestattet. Durch die Verbrennung von Haferschalen könnte das Unternehmen regenerative Wärme erzeugen. „Wir stehen dazu im Austausch mit der Stadt und den Stadtwerken. Unser Ziel ist es, in drei bis vier Jahren unabhängig von fossilen Brennstoffen zu sein“, betont Lamers. Das Unternehmen wolle einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass Düsseldorf sein selbst gestecktes Ziel erreicht, bis 2035 klimaneutral zu werden.
Bislang kam Fortin Mühlenwerke, das zu 98 Prozent Hafer, aber auch Weizen, Gerste, Dinkel und Roggen verarbeitet und an Müsli- und Cerealienhersteller, Großbäckereien und Lebensmitteleinzelhändler in mehr als 60 Länder verkauft, trotz hohen Bedarfs vergleichsweise gut durch die Energiekrise. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Chefs Krisen als Aufforderung zum Handeln begreifen und sich nicht damit aufhalten, auf Hilfe von außen zu warten. Im Fall der steigenden Energiepreise loteten sie schon früh mögliche Gegenmaßnahmen aus, suchten Gespräche mit der Düsseldorfer Netzgesellschaft, um im Notfall eine Versorgung sicher zu stellen.


Von der Politik hätte sich Lamers, der sich als Mitglied der IHK-Vollversammlung und den IHK-Ausschüssen für Verkehr und Logistik sowie für Außenhandel und dem Finanzausschuss in vielfältiger Weise für die Belange der Wirtschaft engagiert, früher konkrete Maßnahmen gewünscht. Solche, die sich an den realen Bedürfnissen der Gesellschaft orientieren. „Während der Pandemie galten wir als systemrelevant, doch in der Energiekrise hieß es dann: Erst versorgen wir die Privathaushalte, dann die Industrie. Doch was haben die Bürger davon, bei 21 Grad zuhause zu sitzen, wenn sie keine Lebensmittel haben?“
In den ersten Monaten des Jahres habe extreme Unsicherheit geherrscht, weil die Politik sich nicht zu klaren Regeln habe durchringen können. „Kunden haben uns gefragt, wann wir abgeschaltet werden. Keiner wusste, wie es weitergeht. Das sollte bei einer erneuten Mangellage anders sein. Wir brauchen konkrete Ansagen seitens der Politik und eine ehrliche Kommunikation, die sich weniger an Ideologie orientiert, sondern an der Praxis“, sagt Lamers.

Vier Monate Zwangspause der Fortin Mühlenwerke als Chance

Trotz der gegenwärtigen Krisen steht der europäische Marktführer, der rund 90 Mitarbeitende aus 15 Nationen beschäftigt, 90 Jahre nach der Gründung gut da. Dabei gab es schon 2011 ein Ereignis, das dem Unternehmen extrem zusetzte. Ein Großbrand zerstörte das Werk nahezu komplett, vier Monate lang stand die Produktion still, der Schaden lag bei 14 Millionen Euro. „Da ging schon das Kopfkino los: Was machen wir jetzt, wenn wir für lange Zeit vom Netz gehen müssen und alle Kunden zur Konkurrenz abwandern?“, erinnert sich Ulrich Schumacher.
Doch auch damals hielten sich er und sein Kollege Robert Lamers nicht lange mit trüben Gedanken auf, sondern wurden aktiv. Viele Wettbewerber boten ihre Unterstützung an. Durch massive Zukäufe aus ganz Europa konnte Fortin einen Großteil seiner Kunden auch weiterhin beliefern, das Gebäude und die Produktionsanlagen wurden kernsaniert und auf den neuesten technischen Stand gebracht. Davon profitiert das Unternehmen bis heute. „Keiner macht gern vier Monate Pause, aber wir haben die Zeit für einen Reset genutzt“, sagt Lamers.


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