Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Paul Esser
Im Alter von fünf Jahren erkrankte der Afghane Nawid Aslami an Kinderlähmung. Obwohl er sein rechtes Bein nicht benutzen kann, gelang ihm 2017 die Flucht nach Deutschland. Heute ist er Qualitätsprüfer bei der Firma Eszet Autogentechnik GmbH und ein Paradebeispiel für gelungene Integration und Inklusion. Und er macht einen Job, der es in sich hat.
Denn wenn Nawid Aslami einen Fehler macht, kann es buchstäblich knallen. Der 30-Jährige ist unter anderem dafür verantwortlich, Gasventile und Kupplungen auf ihre Dichte zu prüfen. Übersieht er hierbei auch nur eine winzige undichte Stelle, kann schleichend Brenngas austreten. „Sollte es dann einen Funkenschlag in der näheren Umgebung geben, haben wir ein großes Problem“, sagt sein Chef und Firmeninhaber Olaf Brückmann, 54, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Michael leitet.
„Nawid Aslami hat direkt einen super Eindruck gemacht“
Olaf Brückmann, Eszet Autogentechnik GmbH
Zunächst stellte der 1957 von Ludwig Schmitz gegründete Betrieb Sicherheitsgeräte, Kupplungssysteme sowie zentrale Gasversorgungsanlagen für die Autogentechnik her. Bei dieser Technik wird Acetylen zum Schweißen mit Sauerstoff verbrannt, wobei Temperaturen bis zu 3.200 Grad Celsius erzeugt werden. Seit 1979 führt die Firma auch die gesetzlich geforderten Prüfungen dieser Anlagen durch und hat sich damit ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. „Nur wir sind gleichzeitig Hersteller und Komplettdienstleister“, sagt Brückmann.
Heute zählt die Firma nach eigenen Angaben in Deutschland zu den Marktführern auf ihrem Gebiet und hat sehr viel zu tun. So viel, dass Olaf Brückmann im vergangenen Jahr auf eine Zeitarbeitsfirma zurückgreifen musste, um die Aufträge abzuarbeiten. „Über diese Firma kam Herr Aslami zu uns und hat direkt einen super Eindruck gemacht. Er war motiviert, sympathisch und hat sehr gut ins Team gepasst. Als wir dann erfahren haben, dass die Zeitarbeitsfirma ihm kündigen will, haben wir beschlossen, ihn zu übernehmen.“
„Ich möchte arbeiten, damit ich alles selbst bezahlen kann“
Nawid Aslami, Eszet
Aslami half zunächst in der Produktion mit. Einige Arbeitsschritte musste er wegen seiner Prothese auslassen. Aber weil er sehr gewissenhaft war, beschlossen die Chefs, ihn in der Qualitätskontrolle einzusetzen. Dabei kann er sitzen oder stehen und braucht vor allem Konzentration und ein gutes Auge. Das Unternehmen hat sich seine eigene Fachkraft geschaffen und somit einem Menschen zu einem Job verholfen, der mit denkbar schwierigen Voraussetzungen ins Leben gestartet ist. „Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben. Gerne darf er bis zur Rente bleiben“, sagt Olaf Brückmann.
Nawid Aslami lächelt, wenn er solche Sätze hört. Obwohl er erst seit fünf Jahren in Deutschland ist, kann er sich problemlos auf Deutsch unterhalten. Er bewegt sich trotz Prothese schnell, fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit und geht ins Fitnessstudio, um Rücken und Knie zu trainieren. „Ich möchte arbeiten, damit ich alles selbst bezahlen kann. Die Arbeit hier macht mir Spaß, und ich mag die Kollegen“, sagt Aslami.
Für André Lutz Overrath, Fachberater Inklusion bei der IHK Düsseldorf, ist Nawid Aslami einer der Gründe, warum er seinen Job so gerne macht. Er hat das Unternehmen Eszet beim Antrag auf einen Eingliederungszuschuss unterstützt, der in der Regel 40 bis 60 Prozent des Arbeitgeberbruttogehalts umfasst und von der Agentur für Arbeit gewährt wird. Einen Antrag auf Einstellungsprämie beim Landschaftsverband LVR wurde ebenfalls gestellt und bewilligt. „Dieser Fall ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine Erfolgsgeschichte. Er zeigt, wie gut Integration und Inklusion gelingen können und wie Firmen dem Fachkräftemangel ein Schnippchen schlagen können, indem sie hochmotivierte junge Menschen wie Nawid Aslami ausbilden und beschäftigen.“
Technik kann helfen
Als Overrath die Firma besuchte, schlug er beim Blick auf Aslamis Arbeitsplatz vor, einen so genannten Trippelstuhl zu beantragen, der sich in alle Richtungen verstellen lässt. So ist Aslami mobil, kann im „Stehen sitzen“ und muss nicht einseitig das gesunde linke Bein belasten. Die Bewilligung steht noch aus, aber Overrath ist zuversichtlich. „Die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit funktioniert hier sehr gut“, sagt er.
Zu gern würde Nawid Aslami seiner Familie zeigen, wie sein Leben in Deutschland aussieht, doch sie nachzuholen, ist derzeit so gut wie unmöglich. „Sie sitzen in Kabul fest, meine Brüder finden keine Arbeit, meine Mutter darf nicht aus dem Haus. Kontakt haben wir nur, wenn das Internet mal funktioniert“, erzählt er.
Dennoch hat er fast immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Er zeigt, was gehandicapte Menschen erreichen können, wenn man sie lässt.
Im Online-Magazin der IHK Düsseldorf sind weitere Beiträge zum Thema Inklusion zu finden.
Unternehmen, die Menschen mit Handicap beschäftigen wollen, können sich an André Lutz Overrath, Fachberater Inklusion bei der IHK Düsseldorf, wenden.
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