Text: Werner Grosch, Foto: Andreas Endermann
15 Musikerinnen, Musiker und Bands, die Geräusche aus acht Unternehmen nutzen, um daraus Musik der unterschiedlichsten Art zu machen. Vom Punk über technoähnliche Beats oder Hiphop bis zum Popsong. Das ist ein Projekt, dessen Titel „inDUStrial“ eigentlich schon alles sagt: die mittlere Silbe steht für den lokalen Bezug, die letzte für das Experimentelle, und der ganze Name für ein Musikgenre, in dem Bands wie „Die Krupps“ seit Jahrzehnten zuhause sind. Entstanden ist daraus ein Album, es gab Konzerte und Auftritte, unter anderem beim Jahresempfang der IHK Düsseldorf, und eine Fotoausstellung. Und damit ist die Geschichte, die Industrie und verwandte Branchen aus Düsseldorf und der Region mal ganz anders erlebbar macht, noch lange nicht zu Ende.
Ein besonderer Ansatz
Maschinenklänge und Musik verbinden, das ist natürlich kein neues Konzept, aber es ist ein besonderer Ansatz, die lokale Musikszene und die lokale Industrie zusammenzubringen. Die Initiative für „inDUStrial“ ergriffen hat Marko Georg Zaic gemeinsam mit Sabine Fleischer und Carsten Siewert, die in der Kultur- und Veranstaltungsbranche zuhause sind. Beteiligt haben sich Künstlerinnen und Künstler, die aus Düsseldorf kommen oder einen engen Bezug zur Stadt haben. Darunter sind die genannten Krupps und andere längst etablierte Musiker wie Kurt Dahlke, Mitgründer der Band „Fehlfarben“. Mitgemacht haben aber auch weitaus jüngere wie die Singer-Songwriterin Sorayah, der Rapper JayJay oder die Formation LivLars. Ihr Innerstes offengelegt haben die Unternehmen Konecranes, Awista, Fortin Mühlenwerke, Teekanne, Rheinbahn, der Flughafen, der Stadtentwässerungsbetrieb und das inzwischen geschlossene Röhrenwerk Vallourec.
Das Projekt geht weit über die Genregrenzen gewohnter, stampfender, den Krach zur Kunst erhebender „Industrial Music“ hinaus, und gerade diese Vielfalt macht es für Zaic besonders interessant. „Es gibt auch zarte Klänge, die Geräusche von Wasser oder Möwen aus dem Klärwerk zum Beispiel.“ Zaic, im Hauptberuf Referent unter anderem für Kultur im Düsseldorfer OB-Büro, ist in mehrfacher Hinsicht begeistert von der Arbeit und ihren Ergebnissen. „Alle Musikerinnen und Musiker haben etwas für sich gefunden, selbst die, sonst nicht mit solchen Sounds arbeiten und nichts mit Elektronik zu tun haben.“
Die Industrie ist mit rund 50.000 Arbeitsplätzen und fast 1.500 Betriebsstätten in Düsseldorf nach wie vor die größte Teilbranche und damit ein überaus wichtiges Standbein für die Wirtschaft der Landeshauptstadt. Die Industrie am Standort ist forschungs- und wissensintensiv. Hier werden nicht nur Produkte für den Weltmarkt gemacht, sondern Innovationen weiter verkauft. Zudem bilden Industrieunternehmen unter anderem die Basis für die Ansiedlung weiterer Firmen – zum Beispiel aus dem Dienstleistungssektor. Auch der Kreis Mettmann ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort – sowohl für kleine und mittlere Unternehmen als auch für global agierende Konzerne.
„Wir waren sofort angetan von dieser spannenden Idee, Düsseldorfer Industrie und Düsseldorfer Musikszene zusammenzubringen“, berichtet auch Iris Kaplick, Assistentin des Marketingleiters bei Teekanne. Sie hat das Projekt persönlich begleitet und war besonders beeindruckt von der zum Zeitpunkt der Aufnahmen erst 16 Jahre alten Sorayah. „Dass jemand, der so jung ist, so kreativ ist und ein eigenes Stück komponiert, ist toll“, sagt Kaplick. Die Singer-Songwriterin Sorayah dagegen hat einen melodiebetonten, radiotauglichen Popsong produziert. Der Rapper und Sänger JayJay dagegen hat bei Teekanne das Material für ein HipHop-Stück mit knackigem Groove gefunden, das im deutschen Text persönlichen Genuss mit „Pfirsich Maracuja“ dem deprimierenden Zustand der Welt gegenüberstellt. Die Geräusche bei Teekanne haben die Musikerinnen und Musiker unter anderem an Teebeutelverpackungsmaschinen aufgenommen und an Siebanlagen, die Teerohwaren von Verunreinigungen befreien.
inDUStrial setzt auf Vinyl
Natürlich sind auf dem Album auch einige erwartbare Sounds wie das Räderrattern bei der Rheinbahn zu hören. Musikerinnen, Musiker und Unternehmen haben aber bewusst Klischees vermieden und zum Beispiel am Flughafen fast völlig auf dröhnende Turbinen verzichtet. „Die Aufnahmen bei uns sind fast ausschließlich in der Gepäckabfertigungsanlage entstanden“, berichtet Fabian Zachel. Er hat „inDUStrial“ nicht nur als Leiter Public Affairs des Flughafens begleitet, sondern auch als Vorsitzender des Vereins „Zukunft durch Industrie“, der das Projekt zudem eng begleitete. „Wir haben sofort Feuer gefangen, denn auf diese Weise können wir Dinge nach außen transportieren, die normalerweise niemand mitbekommt. Industrie oder in unserem Fall Infrastruktur können wir so ganz anders erlebbar machen. Deshalb wollen wir das Musikprojekt gerne auch bei der nächsten ,Langen Nacht der Industrie‘ einbeziehen“, sagt Zachel.
Das Album ist bei Spotify zu finden und als Vinylplatte bei Hitsville in Düsseldorf zu kaufen. Das Trio um Zaic denkt aktuell über ein weiteres Album nach, plant ein Buch mit Bildern der Fotografen, die die Tonaufnahmen in den Betrieben begleiteten, und verfolgt die Idee eines Austauschprojektes mit der ukrainischen Partnerstadt Czernowitz. Ideen gibt es noch jede Menge, sagt Zaic: „Man findet überall etwas. Das Thema macht süchtig.“
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