Text: Jürgen Grosche, Fotos: Andreas Endermann
Es sind schwierige Zeiten für alle. Besonders die Industrie steht massiv unter Druck. Die IHK Düsseldorf thematisierte daher jetzt in einer Podiumsdiskussion mit Unternehmerinnen und Unternehmern, Politikerinnen und Politikern, einer Gewerkschaftsvertreterin und Expertinnen und Experten, wie es um die Zukunftsfähigkeit der Industrie in Düsseldorf steht. Das Ergebnis des Austauschs zur Industriepolitik vorneweg: Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf, zeigte sich „beeindruckt vom gemeinsamen Plädoyer für die Industrie“.
Marion Hörsken, Geschäftsführerin bei der IHK Düsseldorf, die die Diskussionsrunden gemeinsam mit Nikolai Juchem, Vorstandsmitglied der Initiative Zukunft durch Industrie, moderierte, lenkte zunächst den Blick von der Krise auf die Stärken der Stadt, etwa die Vielzahl von Hidden Champions oder die wachsende Start-up-Szene. „Vieles spricht dafür, dass Düsseldorf als Industriestandort eine Zukunft hat.“
„Ich bin froh, dass wir ein solcher Industriestandort sind. Das soll auch so bleiben“, griff Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf, das auf. Derzeit drohe aber eine Deindustrialisierung. Der Kohleausstieg sei zwar beschlossen, die künftige Energieversorgung aber nicht gesichert. „Wir reden nicht nur über Preise, sondern über Verfügbarkeit.“ Keller warnte davor, dass Unternehmen deswegen abwandern.
Das wäre für die Stadt fatal, wie Schmitz an Zahlen zeigte: 100.000 Arbeitsplätze und damit ein Viertel aller Beschäftigten in der Stadt sind in Unternehmen aus dem Netzwerk der Industrie tätig. „Wenn wir keine wertschöpfenden Arbeitsplätze mehr haben, droht sozialer Unfrieden“, mahnte Jutta Zülow, Unternehmerin und Vorsitzende der Unternehmerschaft Düsseldorf und Umgebung.
Angespannte Energie-Situation
Für die Stromerzeugung sei es richtig, die Kernenergie zu behalten, meinte Zülow weiter. „Aber wir müssen auch Steinkohlekraftwerke in Reserve wieder hochfahren.“ Gas solle vielmehr der Chemieindustrie zugute kommen. Das betonte Sigrid Wolf, Geschäftsführerin der DGB-Region Düsseldorf und Bergisch-Land ebenso. Energiesicherheit sei wichtig für die Aluminium- und Chemieunternehmen. Sie verwies darauf, dass Industriearbeitsplätze gut bezahlt und auch deswegen erhaltenswert seien. „Wir brauchen die Kaufkraft, damit die Menschen die Produkte der Industrie kaufen können.“
Wie dramatisch die Situation ist, erklärte Daniel Kleine, Präsident von Henkel Deutschland: „Viele Industrieunternehmen bekommen keine Versorgungsverträge mehr und stehen zum Jahreswechsel ohne Strom- und Gasverträge da.“ Die Industrie brauche dringend verlässliche Rahmenbedingungen. Ditmar Schulz, Kaufmännischer Leiter in der Papierfabrik Julius Schulte Söhne, belegte an konkreten Zahlen die prekäre Energiesituation. Das Unternehmen stellt in Bilk aus Altpapier 50 Prozent des deutschen Bedarfs an Röllchen für Toilettenpapier her. Vor zwei Jahren habe der Gaseinsatz für eine Tonne Papierherstellung noch 20 Euro gekostet, aktuell in der Spitze bis zu 700 Euro.
Ringen um Flächen
Das Papierunternehmen ist ein Beispiel für weitere Themen, die der Industrie am Herzen liegt: Flächen und Verkehr. In Bilk kann das Unternehmen nicht expandieren. So wären wenigstens freie Verkehrswege erforderlich, um Waren und Rohstoffe schnell an- und abliefern zu können. Schulz äußerte daher den Wunsch um mehr Unterstützung bei der Gestaltung von logistischen Wegen. Wie die Industrie selbst aus der Verkehrsnot eine Tugend macht, zeigt das Helrom-Projekt von Henkel, das Kleine vorstellte. Trailerwagen des Unternehmens Helrom ermöglichen ein unkomplizierte Verladen von Lkw auf Schiene und umgekehrt. „Ein Lokführer ersetzt 40 Lkw-Fahrer“, erläuterte Kleine und verwies auch auf die CO2-Einsparungen.
Groß ist die Sorge in der Industrie über die Konkurrenz beim Flächenbedarf mit anderen Zielen, etwa dem Wohnbau. Hier hat zumindest der Düsseldorfer Masterplan Industrie für etwas Beruhigung gesorgt. „Es ist uns gelungen, Flächen für die gewerblich-industrielle Fertigung zu sichern“, sagte Oberbürgermeister Keller. Das gelte auch für das freiwerdende Gelände des Röhrenherstellers Vallourec in Düsseldorf-Rath. „Wir dürfen solche Flächen nicht immer der Wohnraum-Planung anheimfallen lassen“, mahnte IHK-Präsident Schmitz dennoch, „wir wollen, dass Düsseldorf weiterhin ein Industriestandort bleibt“.
Dass dabei der Blick über die Stadtgrenzen neue Perspektiven eröffnen kann, zeigt das Unternehmen Teekanne in Düsseldorf-Heerdt in direkter Nachbarschaft zu Neuss. Auf Düsseldorfer Seite ist das Gelände begrenzt. „Wir wollten erweitern und haben ein Grundstück in Neuss gefunden“, schilderte Frank Schübel, Geschäftsführer von Teekanne. Besonderer Clou dabei: Die beiden Städte haben mit dem Unternehmen einen Gewerbesteuer-Split vereinbart. „Die Städte arbeiten gut zusammen“, freute sich Schübel denn auch.
Generell äußerte er drei Bitten an die Politik in Form von Prioritäten: Unternehmen brauchen Unterstützung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Weiter: Genehmigungsverfahren müssten flexibler und schneller laufen. Schließlich: Deutsche Aufsichtsbehörden sollten die Umsetzung des europäischen Green Deals „mit Augenmaß begleiten“. Überbordende Verwaltungsarbeiten verursachen neben allen aktuellen Problemen zusätzlichen Druck.
Gemeinsame Ziele in der Industriepolitik
Der Diskussionsabend brachte auch die Industrie mit der Politik direkt ins Gespräch. Vertreter und eine Vertreterin der Ratsfraktionen betonten die Relevanz der Industrie für die Stadt. „Wir stehen zur Industriepolitik“, sagte Rolf Tups, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion, der insbesondere die Kooperation von Politik und Wirtschaft lobte. Norbert Czerwinski, Vorsitzender der Ratsfraktion von Bündnis 90/ Grüne, betonte die „klare Aussage, dass wir bei der Gewerbesteuer verlässlich bleiben“. Mit Bezug auf das Vallourec-Gelände forderte Sabrina Proschmann, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, gegebenenfalls über das Vorkaufsrecht dafür zu sorgen, dass Flächen für die Industrie vorgehalten werden. Mirko Rohloff, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion, empfahl der Stadt, eine aktive Ansiedlungspolitik zu betreiben. Und der Gewerbesteuersatz müsse nicht nur gehalten, sondern eher gesenkt werden.
„Wir müssen vieles beschleunigen und auch an die nächste Generation denken.“
IHK-Präsident Andreas Schmitz
In vielen Punkten unterstützte die Politik die Unternehmensforderungen, etwa, für Planungssicherheit zu sorgen (Tups) oder, mit Nachbarkommunen zusammenzuarbeiten und zum Beispiel Standorte gemeinsam zu entwickeln (Rohloff). Für die Verkehrspolitik müsse man die Menschen begeistern, meinte Czerwinski. Proschmann lenkte den Blick auf die Wohnpolitik: Finanzierbarer Wohnraum sei wichtig, um Fachkräfte-Nachwuchs zu finden. Sie brachte Azubi-Wohnheime, Werkswohnungen oder mehr Genossenschaften ins Spiel.
Die Politik hatten auch Gelegenheit, ihre Wünsche an die Industrie zu äußern. „Bleiben Sie in Düsseldorf“, appellierte Tups in der Erwartung, dass die Unternehmen „möglichst viele Arbeitsplätze erhalten und schaffen“. „Machen Sie Druck, dass wir in der regionalen Kooperation weiterkommen“, forderte Czerwinski. Proschmann freute sich über das vorhandene Grundvertrauen und lobte Kooperationen wie die Zusammenarbeit von Henkel mit den Stadtwerken oder den Ausbildungs-Pop-Up-Store von IHK und HWK bis Ende September in den Düsseldorf Arcaden in Bilk. Rohloff wünschte sich mehr Wissenstransfer und Zusammenarbeit mit Hochschulen und Start-ups sowie eine bessere Verkehrsanbindung von Industrie- und Gewerbegebieten.
Blick nach vorne
„Wir müssen noch einiges tun“, lautete das Fazit, das Oberbürgermeister Keller zum Abschluss der Diskussionen zog. „Der Ernst der Lage ist nochmals deutlich geworden.“ Keller habe aber auch eine „Grundzuversicht gespürt; das stimmt mich zuversichtlich.“ Keller freute sich über das „klare Bekenntnis zu Düsseldorf“. Gemeinsam könne das Netzwerk aus Industrie und anderen Partnern die Herausforderungen annehmen. Impulse nahm Keller mit aus den Diskussionen zum Beispiel um Flächen, Verkehrserschließung oder die interkommunale Kooperation.
„Wir müssen Kompetenz in der Bewältigung von Unsicherheit entwickeln“, fasste IHK-Präsident Schmitz die Diskussionen zusammen. An die Politik gerichtet sagte Schmitz: „Wir müssen vieles beschleunigen und auch an die nächste Generation denken.“ Aus den Diskussionen griff er eine Anregung auf, mehr Werbung für die Industrie zu machen. „Wir müssen klarmachen, dass Düsseldorf ein Industriestandort ist, damit Düsseldorf eine lebenswerte Stadt mit sicheren und guten Arbeitsplätzen bleibt.“
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