Mobilitätskongress Rheinland

Expertinnen und Experten forderten gewaltige Anstrengungen, um den Güterverkehr auf der Schiene zukunftsfähig zu machen

IHK-Mobilitätskongress

Text: Werner Grosch, Fotos: Thilo Schmülgen
Marode Strecken, uralte Stellwerke, fehlende Kapazitäten, Mangel an Logistikflächen – wenn man die Diagnose des Bahn-Güterverkehrs im Rheinland hört, erscheint Heilung schwierig. In dieser Bestandsaufnahme sind sich Industrie, Verkehrsunternehmen und IHKs absolut einig. Das zeigte sich deutlich beim IHK-Mobilitätskongress Rheinland in Köln. Eine neue Studie, die das Beratungsunternehmen agiplan im Rahmen des Kongresses vorstellte, bestätigt das düstere Bild.
Für die Untersuchung im Auftrag des Vereins Logistikregion Rheinland und der IHK-Initiative Rheinland wurden vorliegende Forschungsarbeiten analysiert und zudem ausführliche Interviews mit Expertinnen und Experten aus Unternehmen wie ThyssenKrupp, Henkel, RWE Power oder Evonik geführt. Allesamt Betriebe, die große Empfänger und Versender von Gütern auf der Schiene sind und teils sogar eigene Werksbahnen betreiben. Neben den bekannten Infrastrukturproblemen zeigt die Studie deutlich weitere Probleme. Dazu gehören eine „geringe Kundenorientierung im Baustellenmanagement der DB Netz AG“, aber auch „ungenutzte Potenziale der Digitalisierung“. Der Fachkräftemangel verschärfe zudem die vorhandenen Nöte.

Markus Walke, Manager beim Transportunternehmen DSV und Vorsitzender des Logistikregion Rheinland e.V., verdeutlichte in einer Podiumsdiskussion die Herausforderungen: „Wir haben bei uns etwa 10.000 bahnfähige Trailer, aber um die auf die Bahn bringen zu können, fehlen uns Gleisanschlüsse, Abfahrtszeiten und Logistikflächen.“ Markus Micken von der ThyssenKrupp Steel Europe AG forderte eine weitaus bessere Kombination aller Verkehrsträger, und dabei dürfe das Schiff nicht vergessen werden. Nach Ansicht von Walke betrachtet die Politik aber immer noch Schiene, Straße, Luftfahrt und Schifffahrt meist getrennt „und verschiebt das Problem vom einen zum anderen“. Auf die Frage, ob er Licht am Ende des Tunnels sehe, sagte er: „Nur weit entfernt“.
Einig waren sich die Vertreterinnen und Vertreter von Industrie, Logistik und auch Verkehrsbetriebe wie der DB und dem Nahverkehrsunternehmen go.rheinland darin, dass gewaltige Anstrengungen erforderlich sind, um den Güterverkehr auf der Bahn zukunftsfähig zu machen. Bekanntlich will der Bund den Anteil der Schiene am Güterverkehr bis zum Jahr 2023 von heute knapp 20 auf dann 25 Prozent steigern. „Allein dafür waren etwa 52 Milliarden Euro an Investitionen notwendig“, sagt Inga Molenda, die die neue Studie vorstellte.

Forderungskatalog beim Mobilitätskongress Rheinland

Aber es geht nicht nur ums Geld. Unisono forderten die Teilnehmenden beim Mobilitätskongress Rheinland eine engere Zusammenarbeit aller Beteiligten und nicht zuletzt eine Beschleunigung von Plan- und Genehmigungsverfahren, um die Ertüchtigung des Netzes voranzubringen. Auch dies ein klares Ergebnis der Studie, die einen konkreten Forderungskatalog der Wirtschaft enthält:

  • Die zeitnahe Beseitigung von Engpässen im Schienennetz durch Reparatur- und Kapazitätserweiterungsmaßnahmen. Ein Beispiel dafür ist die Beschleunigung des Baus der dritten Gleise zwischen Oberhausen und Emmerich sowie zwischen Aachen und Köln.
  • Besonders gefragt seien Eisenbahninfrastrukturunternehmen, also vor allem die DB Netz, bei der Organisation eines „kundenorientierten und effizienten Baustellenmanagements“.
  • Die Ausweisung weiterer Logistikflächen für den Güterumschlag und die Entwicklung verkehrsgünstig gelegener Industrie- und Gewerbegebiete mit Gleisanschluss.
  • Zur Effizienzsteigerung müsse die Digitalisierung der Schiene und des Rollmaterials vorangetrieben werden.
  • Etwaige Wettbewerbsverzerrungen im System „Bahn“ selbst und solche zugunsten des Verkehrsträgers Straße müssten abgebaut werden.
  • Die nachhaltige Finanzierung müsse sichergestellt werden.

Gönke Kraft, Head of Control Tower bei der DB Cargo, räumte beim Kongress die Probleme bei der Bahn insgesamt offen ein: „Unser Netz ist stark überaltert, wir haben primitive Stellwerke, und die Pünktlichkeit ist auf Rekordtief.“ Als Maßnahme zur Verbesserung kündigte sie eine völlig neue Vorgehensweise bei der Erneuerung an, die unter anderem statt vieler „kurzer“ eine „lange“ Baustelle mit Voll- statt Teilsperrungen und die parallele Arbeit aller Gewerke vorsieht.
In einer weiteren Podiumsrunde diskutierten Industrievertreter mit Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.rheinland, und Andreas Schröder, NRW-Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, wie Güter- und Personenverkehr künftig ein funktionierendes Gesamtsystem bilden könnten. Das schlichte Fazit: Wenn das Netz gut ausgebaut und zeitgemäß gestaltet ist und die Engpässe beseitigt sind, kommen beide sich nicht mehr – wie heute oft – in die Quere.


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