Neues vom Gericht Herbst 2022

Verjährung von Urlaubstagen, gefälschte Corona-Impfnachweise, Kündigung bei Sicherheitsverstößen, „rechts vor links“ auf dem Parkplatz

Wann verjähren Urlaubstage?

Für Urlaubsansprüche gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt aber nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Anspruch wahrzunehmen. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer muss daher über die Frist informiert worden sein. Ohne diese Information bleibt der Urlaubsanspruch auch über die drei Jahre hinaus bestehen.
Der Hinweis kann per E-Mail oder als Brief erfolgen. In jedem Fall muss er konkret und individuell sein. Da die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, darf die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, nicht vollständig auf ihn verlagert werden. Andernfalls könnte sich der Arbeitgeber seinen eigenen Pflichten unter Berufung auf einen fehlenden Antrag der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers auf bezahlten Urlaub entziehen. Der Arbeitgeber hat zwar ein berechtigtes Interesse daran, nicht mit Urlaubsanträgen konfrontiert zu werden, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Er ist aber nicht schutzwürdig, wenn er diese Situation selbst verursacht hat, indem er die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, den Anspruch tatsächlich wahrzunehmen.
(Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. September 2022, Rs C-120/21)

Gefälschte Corona-Impfnachweise

Die Fälschung eines Impfpasses durch einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin kann ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers durch seinen Arbeitgeber darstellen. Dabei kommt es aber auf den Einzelfall an. Die aufgrund eines gefälschten Impfnachweises grundsätzlich zulässige außerordentliche Kündigung kann dennoch an der stets erforderlichen Interessenabwägung scheitern. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin eine Betriebszugehörigkeit von 19 Jahren vorweisen kann und die Fälschung des Impfnachweises sofort eingesteht. Bei der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, falls der Arbeitgeber selbst ebenfalls gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen hat.
(Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2022, 3 Sa 374/22; Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2022, 8 Sa 326/22)

Kündigung bei Sicherheitsverstößen

Auch Abmahnungen im Arbeitsverhältnis müssen verhältnismäßig sein. Eine Abmahnung ist aber nicht grundsätzlich deshalb unverhältnismäßig, weil nur ein leichter Pflichtverstoß des Arbeitnehmers vorliegt und zuvor keine Ermahnung oder Rüge als milderes Mittel erteilt worden ist. Eine Abmahnung darf der Arbeitgeber daher auch dann erteilen, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer vergisst, ein Fach seines Schreibtischs mit sensiblen Akten abzuschließen. Voraussetzung: In einer Richtlinie des Arbeitgebers zur Informationssicherheit ist geregelt, dass Beschäftigte ihre Schreibtischfächer abschließen, ihren Rechner beim Verlassen des Arbeitsplatzes sperren müssen und Dokumente nicht offen herumliegen lassen dürfen.
Erfolgt dieser Pflichtverstoß wiederholt, ist auch eine anschließende Kündigung verhältnismäßig und damit wirksam. Zudem kann eine Abmahnung selbst bei erstmaligem und nur leichtem Pflichtverstoß verhältnismäßig sein, wenn die Flüchtigkeitsfehler und Nachlässigkeiten des Mitarbeitenden als bestandsgefährdend anzusehen sind.
(Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 7. April 2022, 9 Sa 250/21)

Gilt „rechts vor links“ auf dem Parkplatz?

Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Für die Unfallfolgen auf dem Parkplatz eines Baumarkts kann daher eine hälftige Haftungsquote in Betracht kommen.
Zwar sind die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen sind jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deshalb keine Vorfahrt. Das gilt auch dann, wenn der Betreiber die Geltung der StVO angeordnet hat. Anders ist dies nur, wenn die Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter können zum Beispiel die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben.
(Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 2022, 17 U 21/22)


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