Neues vom Gericht Januar 2022

Die Themen: Quarantäne im Urlaub, Zuzahlung bei Ersatzlieferung, Werbung für ärztliche Fernbehandlungen, Urlaubsabgeltung bei Insolvenz

Gerichtsurteile

Text: IHK-Redaktion

Quarantäne im Urlaub

Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus. Das Bundesurlaubsgesetz (§ 9 BUrlG) bestimmt, dass bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Eine behördliche Quarantäneanordnung steht einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit aber nicht gleich. Eine Erkrankung wie die Infektion mit dem Coronavirus geht nicht automatisch mit einer Arbeitsunfähigkeit einher. Ein symptomloser Virusträger bleibt an sich grundsätzlich arbeitsfähig, wenn es ihm nicht wegen der Quarantäneanordnung verboten wäre zu arbeiten.
(Neues vom Gericht: Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Dezember 2021, 2 Sa 488/21)

Zuzahlung bei Ersatzlieferung

Die vom Käufer eines mangelhaften Neuwagens geforderte Ersatzlieferung ist auch dann noch möglich und kann daher vom Käufer noch verlangt werden, wenn anstelle des ursprünglich erworbenen Fahrzeugmodells zwischenzeitlich ein Nachfolgemodell auf dem Markt ist. Die Beschaffungspflicht des Verkäufers erstreckt sich auch auf ein neuwertiges Nachfolgemodell, solange der Käufer seinen Nachlieferungsanspruch innerhalb von zwei Jahren seit Vertragsschluss geltend gemacht hat. Weist das Nachfolgemodell jedoch einen erheblichen Mehrwert gegenüber dem ursprünglich erworbenen Fahrzeug auf, besteht der Anspruch auf Ersatzlieferung des Nachfolgemodells nur gegen eine angemessene Zuzahlung durch den Käufer.
Ein erheblicher Mehrwert gegenüber dem ursprünglichen Modell setzt eine Erhöhung des Listenpreises um ein Viertel oder mehr voraus. Unter diesem Wert besteht keine Pflicht des Käufers zu einer Zuzahlung. Ist die genannte Grenze erreicht, ist weiter zu beachten, dass die Zuzahlung durch den Käufer weder seinen Nacherfüllungsanspruch aushöhlen darf noch den Verkäufer von jeglicher wirtschaftlichen Belastung befreien soll. Daher hat der Käufer die Differenz zwischen den Listenpreisen nicht vollständig, sondern in der Regel lediglich in Höhe eines Drittels (in Ausnahmefällen bis zur Hälfte) auszugleichen.
(Neues vom Gericht: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2021, VIII ZR 190/19)

Werbung für ärztliche Fernbehandlungen

Eine Werbung im Internet für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines „digitalen Arztbesuchs“ mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten mit dem Wortlaut „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App“ ist rechtswidrig.
Mit einer solchen Aussage wird für eine Fernbehandlung mit umfassender, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztlicher Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) geworben. Eine solche umfassende Fernbehandlung entspricht nicht den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards. Die Werbung verstößt daher gegen das Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (§ 9 HWG), der ein Werbeverbot für Fernbehandlungen vorsieht – es sei denn, dass für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Mit „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ sind nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint. Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist. Solche Standards können sich vielmehr auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften ergeben.
(Neues vom Gericht: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2021, I ZR 146/20)

Urlaubsabgeltung bei Insolvenz

In der Insolvenz des Arbeitgebers ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung vollständig als Masseverbindlichkeit zu berichtigen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sogenannter starker vorläufiger Insolvenzverwalter) die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch genommen hat. Eine Masseverbindlichkeit ist eine Forderung, die in der Insolvenz vor anderen Verbindlichkeiten in voller Höhe bedient wird, also nicht nur anteilig in Höhe der Insolvenzquote.
Masseverbindlichkeiten liegen vor, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Entscheidet sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, hat er alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Dazu gehören nicht nur Ansprüche, die unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, sondern auch solche, denen keine unmittelbare Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht.
(Neues vom Gericht: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. November 2021, 6 AZR 94/19)

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