Notfallplan Gas: Für den Fall der Fälle

Ein Ende der Gaslieferungen aus Russland würde die Wirtschaft vor große Herausforderungen stellen. Ein Grund zur Panik besteht aber nicht. IHK bietet Webinarreihe an.

Notfallplan Gas

Text: Gesa van der Meyden
Seit Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, steht ein mögliches Ende der Gaslieferungen des Landes nach Deutschland im Raum. Darum hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits am 30. März die erste Stufe vom „Notfallplan Gas“ ausgerufen, die sogenannte Frühwarnstufe. Im Zuge dessen berät regelmäßig ein Krisenstab aus Behörden, Energieversorgern und Netzbetreibern die Lage und stellt sicher, dass die Versorgung gewährleistet ist.
Dabei bleibt es zunächst auch, obwohl Habeck am 23. Juni die zweite Stufe des Notfallplans aktiviert hat, die Alarmstufe. Grund waren die in den Tagen zuvor bereits reduzierten russischen Gaslieferungen über die Pipeline Nordstream 1 sowie Sorgen, dass nach deren routinemäßigen Wartung ab Mitte Juli ein noch stärkerer Engpass eintreten könnte.
Auch in dieser zweiten Stufe kümmern sich weiterhin „die Marktakteure noch in Eigenregie um die Entspannung der Lage“, wie es bei der Bundesnetzagentur heißt. Insofern hat sich für sie deshalb noch nichts geändert. Das kann sich aber schnell ändern, da nun die Bundesnetzagentur jederzeit § 24 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) aktivieren kann. Dann hätten betroffene Energieversorgungsunternehmen auch trotz bestehender Verträge entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen.
Schließlich wird in der letzten Eskalationsstufe, der Notfallstufe, die Agentur zum „Bundeslastverteiler“, das heißt, der Staat entscheidet, wer vorrangig mit Gas versorgt wird. Priorität haben sogenannte geschützte Kunden wie Privathaushalte, Kliniken und soziale Einrichtungen sowie Vertreter der Daseinsvorsorge wie Polizei und Feuerwehr.

Kostenfreie Webinarreihe der IHK Düsseldorf
Die IHK Düsseldorf bietet an drei Terminen kostenfreie, digitale Morningbriefings an, um vorrangig Gewerbe- und Industrieunternehmen über den Notfallplan Gas, die aktuelle Versorgungslage, Fördermöglichkeiten und eigene Maßnahmen zur Energiereduzierung zu informieren. Das Morningbriefing findet digital jeweils um 10 Uhr an folgenden Terminen statt: 27. Juli, 3. August, 10. August. Die IHK Düsseldorf veranstaltet die Webinare für IHK NRW, die Anmeldungen erfolgen über die Homepage der IHK Düsseldorf.

Obwohl wir noch eine Stufe von diesem Verteilungsszenario entfernt sind, rät Gerd H. Diestler, Konjunkturexperte der IHK Düsseldorf, dringend allen Unternehmen, einen eigenen Notfallplan Gas zu entwickeln. „Dazu gehört in jedem Fall, Kontakt zum Versorger aufzunehmen, Produktionsprozesse zu identifizieren, bei denen Gas eingesetzt wird, und festzustellen, ob, wie und unter welchen Voraussetzungen der Gaseinsatz reduziert oder ersetzt werden kann. Zum Beispiel kann es Prozesse geben, die im Betrieb weniger essenziell sind und gegebenenfalls gestoppt werden können, ohne dass der gesamte Produktionsprozess zum Erliegen kommt. Zudem sollten die Unternehmen prüfen, ob die Herstellung kritischer Produkte auf Halde möglich ist.“
Häufig haben die Versorger bereits nach Ausrufung der Frühwarnstufe von sich aus den Kontakt zu ihren Kunden aufgenommen, so auch die Stadtwerke Hilden. Deren Geschäftsführer Hans-Ullrich Schneider hat seinen eigenen Krisenstab gegründet, der proaktiv auf die Unternehmen zugegangen ist, die von einem Lieferstopp oder Mangel betroffen wären. „Zunächst einmal ging es darum, zu beruhigen, da wir noch weit vom wirklichen Notfall entfernt sind. Es besteht also kein Grund zur Panik. Dennoch ist es wichtig, dass die Unternehmen wissen, wie der Ablauf ist und welches Szenario unter welchen Bedingungen eintritt.“

„Die Unternehmen sollen die Chance haben, wichtige Prozesse zu beenden“

Hans-Ullrich Schneider, Stadtwerke Hilden

So melden die Stadtwerke Hilden regelmäßig die Menge des in ihrem Einzugsgebiet benötigten Gases an die Open Grid Europe GmbH (OGE), die das Fernleitungsnetz betreibt und auf Bundesebene zusammenführt, wo wieviel Gas geliefert wird. „Es kann also sein, dass die OGE sagt: Ihr in Hilden müsst Last vom System nehmen, sprich den Gasverbrauch reduzieren. Wir geben diese Informationen dann an die betroffenen Kunden weiter und kontrollieren online, ob sie den Verbrauch tatsächlich reduzieren. Selbst abschalten können wir nicht und auch niemanden sanktionieren, der sich weigert. Allerdings geben wir diese Information dann an die OGE weiter“, sagt Schneider, dessen Team rund um die Uhr einsatzbereit ist.
Dabei wird Unternehmen, die in besonderem Maß auf Prozesswärme durch Gas angewiesen sind, ein gewisser Spielraum eingeräumt. „Die Unternehmen sollen die Chance haben, wichtige Prozesse zu beenden, zum Beispiel das Wärmen eines Bottichs mit heißem Glas. Wenn sie den erkalten lassen müssen, sind das Material und der Bottich unbrauchbar“, sagt der Chef der Stadtwerke. Zudem achten die zuständigen Akteure darauf, wo die Gasreduzierung am wenigsten Schaden anrichtet. „Ein abgeschaltetes Schwimmbad ist im Zweifel nicht so dramatisch wie das Abschalten eines Unternehmens mit großer Produktionsstraße, vom dem viele Arbeitsplätze abhängen.“

Notfallplan Gas vorbereiten

Selbst in der zweiten von drei möglichen Eskalationsstufen muss kurzfristig niemand befürchten, ohne Gas dazustehen. „Selbst wenn Russland heute sagt, wir liefern nichts mehr, gäbe es noch Reserven, die einen Produktionsstopp erstmal verhindern. Das haben ja auch die Tage des Lieferstopps Mitte Juli über die Pipeline Nordstream 1 gezeigt“, sagt Diestler. „Aber, diese Reserven sind knapp. Und immer klarer zeigt sich, dass auf den Gaslieferanten Russland kein Verlass ist. Wie es dann im Herbst oder Winter aussieht, steht somit auf einem anderen Blatt“. Deshalb hat Bundesminister Robert Habeck am 21. Juli ein weiteres Energiesicherungspaket vorgelegt, um rechtzeitig zusätzliche Maßnahmen einzuleiten und für den Worst Case vorbereitet zu sein. „Denn jede Einsparung beim Gasverbrauch bereits jetzt hilft, eine viel schlimmere Notlage im Herbst oder Winter zu vermeiden“, betont Diestler. Für Anfang Oktober wollen dann das Ministerium, die Bundesnetzagentur und der Trading Hub Europe (THE) ein zusätzliches Produkt anbieten. Es soll sicherstellen, dass ausreichend Gas vorhanden ist, um im Fall der Fälle die Netze stabil zu halten. Das soll durch eine Auktionsplattform organisiert werden, auf der Lieferanten oder Industriekunden Gasmengen anbieten können, die sie nicht selber benötigten.


Hilfreiche Informationen zu dem Thema gibt es auch im Internetauftritt der IHK Düsseldorf.

Tipps zu Energiesparen mit kleinen Schritten sind im Online-Magazin der IHK Düsseldorf zu finden.

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