Südamerika im Fokus

Beim Handel mit den Mercosur-Staaten gibt es noch viel Luft nach oben. Unternehmen können sich beim NRW-Außenwirtschaftstag mit seiner AHK-Lounge am 21. September in Düsseldorf beraten lassen.

Südamerika im Fokus

Text: Jürgen Grosche
Der Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Argentinien und Brasilien Ende Januar hat den Blick auf eine Region gelenkt, um die es in den Beziehungen zu Europa stiller geworden war. Der Druck, Rohstofflieferungen und Absatzmärkte zu diversifizeren, bringt nun Bewegung in Verhandlungen, die seit 23 Jahren laufen: Die Europäische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und weitere assoziierte Staaten) wollen das 2019 abgeschlossene, aber immer noch nicht ratifiziere Freihandelsabkommen endlich auf den Weg bringen.
Südamerika im Fokus – das könnte auch der Region Düsseldorf neue Impulse geben, betont Andreas Schmitz, Präsident der IHK Düsseldorf: „Wir sollten mit Blick auf den weltweiten Handel die Möglichkeiten nutzen, die das EU-Mersosur-Abkommen bietet.“ Es gelte nun, „die Verhandlungen auf die Zielgerade zu bringen und das Abkommen zu ratifizieren“. Die Chancen, dass es bald so weit ist, seien realistisch. Die Wirtschaft brauche gerade in Krisenzeiten Internationalisierung und Globalisierung, um die Rohstoffversorgung und den Wohlstand sicherstellen zu können und gemeinsame Innovationen voranzutreiben.
„Unternehmen, die sich für die Region interessieren, können sich für Schritte Richtung Mercosur-Länder vorbereiten“, empfiehlt IHK-Expertin Lange, die als Länderreferentin bei der IHK Düsseldorf Südamerika im Fokus hat. „Eine tolle Gelegenheit bietet zum Beispiel der NRW-Außenwirtschaftstag mit seiner AHK-Lounge am 21. September in Düsseldorf, dann sind die Deutschen Auslandshandelskammern aus Brasilien und Argentinien bei uns zu Gast und stehen für Einzelberatungsgespräche zur Verfügung.“

Viele Hürden

In der Region Düsseldorf gibt es hier noch viel Luft nach oben. Hohe Hürden schrecken indes die Unternehmen bislang ab. Brasilien zum Beispiel erhebt hohe Einfuhrzölle. Auch die nicht tarifären Handelshemmnisse, also zum Beispiel Auflagen für Dokumente und spezielle Zulassungsbeschränkungen, bremsen den Handel, erklärt Savas Poyraz, Referent Zollrecht, Handelspolitik, Ausländerrecht der IHK Düsseldorf.
Zu denen, die es trotzdem wagten und Südamerika im Fokus haben, gehört das Velberter Unternehmen Mauell, das Leitwarten und Kontrollräume zum Beispiel für Kraftwerks- und Verkehrsleitzentralen plant und baut. Bereits in den 1970er-Jahren gründeten die Velberter eine Tochtergesellschaft in Brasilien. Damals habe eine große Aufbruchstimmung in der deutschen Industrie geherrscht, in Südamerika Fuß zu fassen, sagt Bernhard Mecking, Geschäftsführer und seit fünf Jahren Inhaber der Mauell GmbH.
Zurzeit sind 12 bis 15 Mitarbeitende in Brasilien für das Unternehmen tätig. Es hat zum Beispiel die Videowände aller Kontrollräume für die Veranstaltungsstätten der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in dem Land installiert. Zölle stören das Unternehmen nicht. „Wir fertigen alles vor Ort“, nennt Mecking als Grund. Weiterer Vorteil des Landes: Viele Deutsche waren nach Brasilien ausgewandert. Der Kontakt mit ihnen half, Sprachbarrieren zu überwinden. Andere Barrieren belasten allerdings schon: Bürokratie, ein undurchsichtiges Arbeits- und Steuerrecht und der Kapitaltransfer, bedauert Mecking. Überweisungen müssten genehmigt werden.

Seit dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Lateinamerika – hier mit dem Argentinischen Präsidenten Alberto Ángel Fernández – haben viele stärker Südamerika im Fokus. Foto: Argentinisches Konsulat Bonn

Hier könnte ein EU-Mercosur-Abkommen dazu beitragen, den gegenseitigen Kapitalaustausch zu erleichtern, hofft Mecking. Vor allem hofft die Wirtschaft auf einen neuen Aufschwung unter dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva – und auf Mercosur, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft in Gang kommt und sich die gesamte Wirtschaftsleistung verbessert.
Meckings Erfahrungen in Brasilien gelten auch für Argentinien, betont Katrin Lange. „Hier wurde vor einiger Zeit das komplette Einfuhrkontrollsystem geändert, und zwar umfassender, als dies in den letzten Jahren der Fall war.“ Die Änderungen betreffen – so Katrin Lange – speziell die Verschärfung der Kontrollen bei der Bezahlung von Importwaren. „Unternehmen berichten immer wieder, dass das neue Einfuhrkontrollsystem immer noch nicht richtig funktioniert, und einige Funktionen erst nach und nach freigeschaltet wurden. So kommt es aktuell zu langen Verzögerungen bei der Stellung und Bearbeitung von Anträgen auf Importlizenzen für Waren und Dienstleistungen. Nur mit genehmigter Importlizenz kann dann auch eine Ware oder Leistung bezahlt werden“, fasst Katrin Lange die aktuellen Erfahrungen von Unternehmen zusammen.
Auf südamerikanischer Seite hat man ebenfalls hohe Erwartungen an das Mercosur-EU-Abkommen. Es habe „für Argentinien und die Mercosur-Länder oberste Priorität“, betont Nazareno Muñoz, Konsul Argentiniens in Bonn. Die Übernahme der Präsidentschaft pro tempore (auf Zeit) des Mercosur durch Argentinien im vergangenen Dezember und der Regierungswechsel in Brasilien seien „ein geeigneter Zeitpunkt, um die Parteien zu einer offenen und umfassenden Analyse der bisherigen und der noch ausstehenden Schritte zum Abschluss des Abkommens zusammenzubringen. Die historische Bedeutung dieser Partnerschaft nimmt angesichts der politischen und handelspolitischen Spannungen in der gegenwärtigen internationalen Ordnung zu.“

Südamerika im Fokus – da ist oft Geduld gefragt

Ein Assoziierungsabkommen mit der EU hat das Potenzial für weitere große Impulse. EU-Unternehmen könnten mit Zollersparnissen von vier Milliarden Euro pro Jahr und einem wachsenden Handelsvolumen rechnen, erläutert Poyraz. Schon jetzt liegt es bei 88 Milliarden Euro. „Das hätte Signalwirkung auf andere Regionen“; der IHK-Experte denkt da zum Beispiel an die Beziehungen zu den USA. Als Beleg nennt Poyraz das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea, in dessen Folge seit 2011 die Zölle auf fast alle Waren abgeschafft wurden. „Das Handelsvolumen ist auf beiden Seiten deutlich gewachsen“, sagt Poyraz.
Große Erwartungen liegen nun auf der EU-Ratspräsidentschaft Spaniens ab Juli. Das Land hat Südamerika im Fokus und pflegt traditionell intensive Beziehungen mit Lateinamerika. Verhandelt wird noch über Umweltfragen. „Unternehmen, die sich für die Region interessieren, können sich aber jetzt schon für Schritte Richtung Mercosur-Länder vorbereiten“, empfiehlt IHK-Expertin Lange. „Eine tolle Gelegenheit bietet zum Beispiel der NRW-Außenwirtschaftstag mit seiner AHK-Lounge am 21. September in Düsseldorf, dann sind die Deutschen Auslandshandelskammern aus Brasilien und Argentinien bei uns zu Gast und stehen für Einzelberatungsgespräche zur Verfügung.“

Europas Rohstofflieferanten

Immerhin geht es nach Zahlen der Europäischen Kommission um die fünftgrößte Volkswirtschaftsregion außerhalb der EU mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen Euro und einen Markt mit 260 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten. Auch auf der Importseite sind die südamerikanischen Staaten interessant, erklärt Katrin Lange: „Sie sind schon lange wichtige Rohstofflieferanten Europas, Beispiele: Getreide, Kautschuk, Salpeter, Holz, Lithium. Der Export von Rohstoffen ist für viele lateinamerikanische Staaten der anteilig größte Posten in der Exportbilanz.“ Einige dieser Rohstoffe seien für Brückentechnologien – Stichwort Schiefergas – oder als Grundstoffe für Schlüsseltechnologien (Lithium, Kobalt, Selen) einzustufen, die in Zukunft eine noch wichtigere Rolle als Vorprodukte für die deutsche Industrie bei der Dekarbonisierung spielen dürften.
In diesem Zusammenhang betonte der argentinische Außenminister Santiago Cafiero: „Wir wollen ein überarbeitetes Abkommen mit der Europäischen Union, das an eine sich verändernde Welt und Wertschöpfungsketten angepasst ist.“ Der Chef der argentinischen Diplomatie betonte dabei laut Muñoz „die Notwendigkeit, Mechanismen für Zusammenarbeit, Investitionen, Technologietransfer und Finanzierung zu finden, um das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen.“


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