Fachkräftemangel und hohe Wohnkosten: Neue Lösungen gefragt! Vertreter aus Unternehmen und Politik diskutierten bei der IHK mit Expertinnen und Experten über mögliche Modelle und den Bedarf der Wirtschaft.

Text: Jürgen Grosche, Fotos: Andreas Endermann
Trotz der derzeitigen Wirtschaftsflaute und einer aktuellen Zurückhaltung, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen, brennt der Wirtschaft ein Thema unter den Nägeln: Der Fachkräftemangel wird den Wettbewerb um Nachwuchs und Talente verschärfen. Dafür spricht allein schon die demografische Entwicklung. Unternehmen in Düsseldorf müssen hier besonders kämpfen. Denn Kandidatinnen und Kandidaten schauen ebenso wie die Beschäftigten nicht nur auf den Arbeitsplatz und das Gehalt, sondern auch auf die Wohnkosten, die in der Landeshauptstadt besonders hoch ausfallen. Welche Chancen bieten hier Modelle des Beschäftigtenwohnens? Darum ging es bei einer Veranstaltung, zu der die IHK Düsseldorf eingeladen hatte.
Dirk Lindner, geschäftsführender Gesellschafter der Lindner Unternehmensgruppe und Vizepräsident der IHK Düsseldorf, brachte das Spannungsfeld in seinem Grußwort auf den Punkt: „Ohne ausreichend bezahlbaren Wohnraum ist eine nachhaltige Lösung des Fachkräftemangels kaum möglich.“ Hohe Miet- und Immobilienpreise sowie ein begrenztes Wohnungsangebot stellen, so Lindner, insbesondere für Menschen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, eine erhebliche Belastung dar. Auch die Gewinnung internationaler Fachkräfte werde erschwert. „Die Wohnraumsituation ist eine zentrale Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum droht sonst zu einem Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung zu werden“, sagte Lindner. Er forderte wie auch die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Diskussionen: „Wirtschaft und Politik müssen zusammenarbeiten, um tragfähige Konzepte zu entwickeln.“
Beschäftigenwohnen als Instrument zur Gewinnung von Mitarbeitenden
Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesbauministerium, bestätigte die Einschätzung. In Düsseldorf schlage wirtschaftlich das Herz NRWs. „Wohnen ist zum wichtigsten Standortfaktor geworden.“ Da das Thema auch in anderen Städten drängt, stelle das Ministerium zum Beispiel im Rahmen des Programms „Junges Wohnen“ jährlich 500 Millionen Euro für die Schaffung und Modernisierung von Wohnheimplätzen für Studierende und Auszubildende bereit. Die entscheidende Frage des Abends stellte in dem Zusammenhang Sofie Geisel – Mitglied der Hauptgeschäftsführung der DIHK Service – moderierte die Diskussionen: „Für welche Unternehmen ist Beschäftigtenwohnen unter welchen Voraussetzungen interessant?“
Zur Einordnung des Themas steuerte Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln aktuelles Zahlenmaterial aus eigenen Studien bei. Daraus geht zum Beispiel hervor, dass die Neuvertragsmieten kontinuierlich steigen, zuletzt um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Düsseldorf sogar um 6,6 Prozent. Es sei absehbar, dass sich diese Entwicklung fortsetze, kommentierte Voigtländer die Zahlen. Der Ökonom stellte Modelle vor, mit denen Unternehmen ihre Beschäftigten beim Wohnen unterstützen. Sie reichen vom Ankauf, Bau oder der Vermietung eigener Immobilien über Kooperationen mit Partnern und den Erwerb von Belegrechten in Wohnbauten bis zu Tauschbörsen, Beauftragung von Maklern und finanziellen Zuschüssen.



Wie wichtig Beschäftigten Unterstützung bei der Wohnungssuche ist, zeigte eine Befragung: Für mehr als die Hälfte war ein solches Angebot der wichtigste Grund, sich für das Unternehmen zu entscheiden oder dort zu bleiben. Unternehmen können Beschäftigtenwohnen also durchaus als Instrument nutzen, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Daher überrascht die Zurückhaltung, die sich ebenfalls in den Studien zeigt: Vielen Unternehmen sind der finanzielle und der organisatorische Aufwand zu hoch. Voigtländer appellierte daher an die Arbeitgeber, mit der Wohnwirtschaft zusammenzuarbeiten und den Aufwand als Investment zu sehen, das sich lohnen könne. Der Experte brachte zudem ein Stichwort ins Spiel, das vielen nicht bekannt sei: Wenn ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden Wohnraum zu einer Miete unterhalb des ortsüblichen Marktpreises anbietet, handelt es sich zwar grundsätzlich um einen geldwerten und damit steuerpflichtigen Vorteil, aber innerhalb gewisser Grenzen entfällt die Steuerpflicht auf den Vorteil.
Offener Dialog – Unternehmen, Stadt und Wohnkonzepte
In der anschließenden Diskussionsrunde stellte Bernd Preuss aus der Unternehmensleitung Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln Angebote seines Unternehmens vor, das seit 61 Jahren Werkswohnungen anbiete. Sie fördern, so Preuss, die Mitarbeiterbindung. Wenn die Kinder zur Schule gingen, bleibe die Familie dort. Unternehmen, die selbst keine Wohnungen anbieten wollen, empfahl Preuss, Partnerschaften einzugehen. Es sei dabei auch möglich, die Kontrolle zu behalten; „Qualitätssicherung ist als Steuerungsinstrument wichtig.“
Die Belange der kleinen Unternehmen sprach Kerstin Rapp-Schwan an. Die Gastronomin und IHK-Vizepräsidentin schilderte ihre Branche als „sehr kleinteilig, sehr fragmentiert“. Die Unternehmer und Unternehmerinnen müssten vieles – von der Betriebsleitung übers Marketing bis zum Personal – allein bewältigen. Zusätzlich noch Wohnraum für Mitarbeitende zu organisieren sei für Einzelunternehmer sehr schwierig. Angebote müssten zudem gerecht sein, für alle Beschäftigten sei das nicht umsetzbar. „Wir müssen also etwas schaffen, was diesen Unternehmen hilft“, sagte die Expertin, „kleine Unternehmen brauchen proaktive Unterstützung“.
Dabei kommt auch die Stadt ins Spiel. Planungsdezernentin Cornelia Zuschke stellte die Impulsprogramme Wohnungsbau vor, die Düsseldorf im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat und die zusätzlich zu Förderprogrammen von Land und Bund den Wohnbau ankurbeln sollen. Das Programm senke die Herstellungskosten und sei damit auch für Unternehmen interessant, sagte Zuschke. Viele Unternehmen würden ihre Potenziale nicht kennen. Damit sprach die Planungsdezernentin ein weiteres Thema an: Zwischen Gewerbe- und Wohngebieten gibt es Flächen mit Wohnbaupotenzial. Das Potenzialflächenkataster der Stadt gebe einen Überblick über die Flächenpotenziale auf größeren Brachflächen und in kleineren Baulücken.
Zwar ging die Diskussion damit über das reine Beschäftigtenwohnen hinaus, aber genau darin sah Erik Sassenscheidt, geschäftsführender Gesellschafter der Sassenscheidt-Gruppe und Mitglied des IHK-Immobilienausschusses, einen wichtigen Knackpunkt: „Der Wohnbau an sich muss in der Summe gefördert werden, wir brauchen mehr Wohnbau.“ Das Immobilienunternehmen entwickelt Projekte zum Beispiel im Süden Düsseldorfs. Viele Unternehmer halten Mitarbeiterwohnen für wichtig, berichtet Sassenscheidt, und einige würden gerne Wohnraum anmieten. Der Immobilienexperte rät den Unternehmen, auf Projektentwickler, städtische Gesellschaften und Genossenschaften zuzugehen. Es müsse nicht unbedingt die unternehmenseigene Immobilie realisiert werden. Sassenscheidt brachte andere Modelle ins Spiel, bei denen zum Beispiel Wohnungen im Pool gebaut und angeboten werden.
Dabei kam auch das Stichwort Belegrechte ins Spiel. Diese seien juristisch flexibel gestaltbar, sagte Preuss. Unternehmen müssten sich an den Kosten beteiligen, könnten sich aber auch Mitspracherechte sichern. Zudem seien befristete Mietverträge und stärkere Kündigungsrechte als im sonstigen Mietrecht möglich. Das Thema stieß auf großes Interesse der Veranstaltungsgäste, wie eine anschließende kleine Umfrage zeigte.
Staatssekretär Bösinger betonte als wichtigstes Ergebnis der Diskussion, dass Vernetzung und Zusammenarbeit gestärkt werden müssten. Stadt, IHK und Unternehmen müssten hier zusammenarbeiten, und es gehe insbesondere um die kleinen und mittleren Unternehmen. „Wir brauchen Kümmerer“, so sein Fazit.

Michael Voigtländer

Eric Sassenscheidt
