Digitalisierung im Handel

Digitalisierung und KI bieten auch dem Handel viele Chancen. Bei Lena Moos gibt es einen digitalen Baukasten für das perfekte Brautkleid.

Digitalisierung im Handel
Bräute können ihr Kleid zunächst auf dem Bildschirm zusammenstellen, bevor es in eines der Geschäfte geht.

Text: Nina Mützelburg, Fotos: LeMoos
Der stationäre Einzelhandel leidet seit Jahren unter dem immer stärker werdenden Druck durch Onlineangebote und die Nachwirkungen der Pandemie. Morgens die Ladentüre öffnen, reicht vielerorts längst nicht mehr aus, um zu bestehen. Doch Digitalisierung und KI bieten auch dem Handel große Chancen, ihre Systeme zu optimieren, mehr Service für die Kunden zu bieten und sich neue Zielgruppen und damit auch Umsatz zu erschließen. Dafür müssen sich die Unternehmer mit dem Wandel auseinandersetzen. Das führt häufig in ganz neue Gefilde, die mit dem Kerngeschäft nichts mehr zu tun haben, wie Lena Moos weiß. Sie ist seit mehr als 20 Jahren im Brautmodengeschäft, lange Zeit als klassische Einzelhändlerin ohne Onlineshop und Social-Media-Auftritten. Dann hat sie ein Baukastensystem für Brautkleider entwickelt und musste sich für die Vermarktung bisher unbekannte Kanäle erschließen. Das System ermöglicht durch 500 verschiedene Teile mehr als eine Million Kombinationsmöglichkeiten. Und mehr noch: Die Kleider von LeMoos können auch während der Hochzeit neu kombiniert werden. „Das ist die größte Auswahl an Kleidern weltweit“, erklärt Lena Moos. So toll die Auswahl ist, so wenig komfortabel war für die Kundinnen anfangs der Umgang damit. In ihren beiden Concept-Stores in Euskirchen und an der Graf-Adolf- Straße in Düsseldorf hat sie die gesamte Kollektion. 50 weitere Brautmodengeschäfte haben eine kleine Auswahl. „Doch die Kundinnen sind schnell erschlagen von den vielen Möglichkeiten, wenn sie bei uns einen Termin machen. Darum wollte ich, dass sie sich vorab in Ruhe mit der Zusammenstellung beschäftigen können“, so Moos.

Digitalisierung im Handel
Lena Moos ist seit mehr als 20 Jahren im Brautmodengeschäft.

Eine Spezialagentur hat für das Brautmodengeschäft ein Baukastenkonzept mit einen Konfigurator entwickelt, ähnlich den Konfiguratoren, die es bereits in der Automobilbranche gibt. So können sich die Bräute ihr Brautkleid auf dem Bildschirm zusammenstellen, und erst anschließend geht es zur detaillierten Planung in eines der beiden Geschäfte. Als nächstes plant Moos die Ergänzung des Systems durch eine KI. „Die KI soll Daten sammeln, die wir momentan erst im Gespräch eruieren. Zum Beispiel, welche Art von Hochzeit geplant ist, welche Art Braut die Frau sein möchte, ob die Feier eher romantisch oder modern wird. Anhand der Antworten kann die KI eine Vorauswahl für die Braut treffen“, sagt Lena Moos.

KI-Navi für die Digitalisierung im Handel

Derzeit gibt es wöchentlich neue Lösungen im KI-Bereich, darunter einige, die für den Handel einen Mehrwert bringen können. Frank Rehme von der gmvteam GmbH arbeitet unter anderem mit dem Handelsverband NRW an einem „KI-Navi für den Handel“. Ziel ist es, KI-Anwendungen zu identifizieren und zu erproben, um sie für den Handel nutzbar zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeiten sind immens, wie Rehme erklärt: „Das fängt beim System zur Stammdatenkonsolidierung an und hört bei der Anwendung, um die Sichtbarkeit in den Social-Media-Kanälen zu erhöhen, auf.“ IHK-Handelsreferent Sven Schulte sieht schon jetzt ganz praktische Anwendungsbereiche. Mit Hilfe digitaler Tools könnten Lieferbestände verwaltet, Personal koordiniert sowie Lieferketten und Routen optimiert werden. Das sorgt für Effizienz nach Innen. „Mit Hilfe verschiedener Systeme können innerhalb eines Unternehmens auch Entscheidungen getroffen werden. Basierten diese vorher vielleicht teilweise auf Bauchgefühl, können sie nun datenbasiert getroffen werden“, so Schulte.

Investoren sind willkommen

In der Außenwahrnehmung und im Service wird KI in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Für die Entwicklung entsprechender Tools braucht es aber finanzielle Mittel. Moos erhofft sich diese durch Investoren. „Ich habe die Idee auf verschiedenen Events und Netzwerktreffen vorgestellt. Aber es ist eine Herausforderung, im Einzelhandel und dazu noch in einer für viele unbekannter Nische einen Investor zu finden“, erzählt sie. Also hat sie sich wiederum die Digitalisierung im Handel zunutze gemacht, um die Reichweite zu erhöhen. Mit ihrem Content auf YouTube, Instagram, TikTok und Facebook erreicht sie in zwei Monaten mehr als 70 Millionen Nutzer. Dadurch ist sie mit möglichen Investoren ins Gespräch gekommen und zuversichtlich, dass sie ihre Ideen bald umsetzen kann. „Als nächstes will ich dann eine Franchisekette aufbauen, damit meine Kleider auf der ganzen Welt zu kaufen sind. Die Nachfrage ist da, das zeigen mir die Reaktionen auf meine Veröffentlichungen“, sagt sie.


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