Incluyou baut Barrieren ab

Mit ihrem Unternehmen helfen Katja Fellenberg und Giulia Mier Menschen mit Behinderung, Assistentinnen und Assistenten zu finden.

Incluyou
Katja Fellenberg (links) und Giulia Mier, die Gründerinnen von Incluyou.

Text, Fotos, Audio: Piet Keusen
Barrieren sind dafür da, sie abzubauen. So könnte man das Motto von Katja Fellenberg und Giulia Mier bezeichnen. Zusammen haben sie am 1. Januar 2023 das Unternehmen Incluyou in Erkrath gegründet. Gemeinsam helfen Sie jetzt Menschen mit Behinderung, Assistentinnen und Assistenten zu finden. Bevor sie erfolgreiche Gründerinnen wurden, mussten sie selbst erst einige Hürden aus dem Weg räumen. Dass sie sich kennengelernt haben, war dabei reiner Zufall.
2020 hatte Katja Fellenberg selbst eine neue Assistentin gesucht. Die heute 40-Jährige sitzt wegen einer neuromuskulären Erkrankung im Rollstuhl und benötigt rund um die Uhr Unterstützung, um ihr Leben selbstbestimmt meistern zu können. Da gibt es vielfältige Aufgaben, sagt sie: „Im Prinzip hilft man mir bei allem, was man sich in Sachen Alltag so vorstellt. Vom Wickeln meines Kindes bis zu Notizen im beruflichen Meeting.“ Giulia Mier war 2020 ebenfalls auf der Suche – auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Die gelernte Handelsfachwirtin entwickelte mit der Zeit den Wunsch, einen sozialen Beruf auszuüben und stieß bei ihrer Recherche auf die Stellenanzeige von Katja Fellenberg. Und so kam es, wie es kommen sollte.

Die Idee für Incluyou wird geboren

Giulia, heute 28, vergrößerte das achtköpfige Team, das Katja Fellenberg zuvor bereits 24 Stunden am Tag unterstützte. Diesen Anspruch hat jeder Mensch mit Behinderung, der ohne fremde Hilfe nicht am Berufsleben teilnehmen kann. So steht es im Bundesteilhabegesetz. Möglich ist es, Dienstleister zu beauftragen oder wie im Fall von Katja Fellenberg im Arbeitgebermodell über das sogenannte persönliche Budget Assistentinnen und Assistenten direkt anzustellen. Das Problem hier: Viele Menschen wissen von diesen Möglichkeiten gar nicht oder trauen sich die Bürokratie nicht zu.
Katja Fellenberg wusste um diese Problematik und hatte deshalb schon länger die unbestimmte Idee im Kopf, ein Unternehmen zu gründen. Aber sie wusste nicht so recht, wie. „Mein Steckenpferd ist das persönliche Budget, aber Ahnung von Steuern, Rechtsform und so weiter habe ich nicht.“ Dieses Know-how brachte Giulia als gelernte Handelsfachwirtin dann mit. „Eines Tages habe ich wieder mal gesagt, da muss man doch was machen“, erinnert sich Fellenberg heute, „Und Giulia hat einfach gesagt, dann machen wir das!“ Die Idee für Incluyou war geboren.


Katja Fellenberg und Giulia Mier im Gespräch mit IHK-Inside.


Dann ging die Arbeit richtig los: Marktanalyse, Businessplan, Rechtsform und andere Themen standen auf der Agenda. Viele grundsätzliche Fragen konnten mit Hilfe der IHK Düsseldorf geklärt werden – noch bevor das Unternehmen an den Start ging. Die Motivation bei den beiden Gründerinnen war groß, ebenso der Respekt. Denn einerseits war der Bedarf ihrer Dienstleistung vorhanden, andererseits gab es noch keine Kundinnen oder Kunden. Hinzu kam: Giulia Mier war zum damaligen Zeitpunkt der Gründung gerade schwanger. Also gingen die beiden auf Nummer sicher. „Wir haben beide unsere sozialversicherungspflichtigen Jobs behalten“, berichtet Mier, „So waren wir abgesichert, wenn irgendetwas schief gehen sollte.“ Ging es aber zum Glück nicht, im Gegenteil.
„Man sagt, Frauen seien generell risikobewusster“, erklärt Stephan Jäger, Berater für Fachkräftesicherung der IHK Düsseldorf. „Sie gründen zwar seltener als Männer, aber wenn sie gründen, dann ist das oft nachhaltiger und solider, weil sie vorab das Risiko besser abgewogen haben.“ Und auch in diesem Fall lief es besser als erwartet. Schnell hatte Incluyou deutlich mehr Aufträge als Zeit.

„Der Bedarf ist einfach riesig“

Giulia Mier, Incluyou

Seit dem 1. Januar 2023 helfen die beiden Gründerinnen jetzt Menschen mit Behinderung dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Helfen bei der Beantragung des persönlichen Budgets, kommunizieren mit Kostenträgern, schalten Stellenanzeigen, geben Support bei Arbeitsverträgen, der Abrechnung oder im Krisenfall. Katja Fellenberg hat jetzt zwei Jobs: Sie ist Unternehmerin bei Incluyou und arbeitet weiterhin beim Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben in Düsseldorf: „Ich bin glücklich, so wie es ist, und möchte derzeit keinen der beiden Berufe aufgeben.“ Für Giulia Mier ist Incluyou inzwischen zum Hauptberuf geworden, Assistentin ist sie nur noch dreimal im Monat. Sie ist zufrieden: „Unsere Befürchtungen haben sich in Luft aufgelöst, weil der Bedarf einfach riesig ist.“

„Frauen bringen als Gründerinnen oft einen frischen Wind in die Wirtschaft“

Stephan Jäger, IHK Düsseldorf

Das Projekt Incluyou ist für die die IHK Düsseldorf gleich doppelt interessant. Denn einerseits haben Katja Fellenberg und Giulia Mier ihre Arbeitsplätze selbst gegründet. Andererseits helfen sie, Menschen mit Behinderung dabei, dank Assistenz ihren Weg im Berufsleben zu finden. „Das ist ganz in unserem Sinne“, sagt Stephan Jäger, „Es ist wichtig, dass sich viel mehr Menschen wie die Damen von Incluyou fürs Unternehmertum entscheiden, um die Wirtschaft zu beleben. Frauen bringen als Gründerinnen oft einen frischen Wind in die Wirtschaft. Sie haben einen besonderen sozialen und nachhaltigen Blick auf die Gesellschaft und das tut allen gut.“
Incluyou versucht genau das. Wirtschaft und Soziales zu verbinden. Gerade wurde eine Kooperation mit dem Assistenzdienstleistungs-Unternehmen „Gemeinsam Bewegen“ gegründet und die Nachfrage nach weiterer Beratung ist sehr groß.
Und trotzdem: Nicht einmal zehn Prozent der Menschen mit Behinderung in Deutschland bekommen bisher ihr persönliches Budget und damit Hilfe im Alltag. Es gibt folglich noch viele Barrieren, die Giulia Mier und Katja Fellenberg aus dem Weg räumen werden.

Die Inklusionsberatung der IHK Düsseldorf – die einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber/EAA – hilft Unternehmen dabei, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und auszubilden. Unterstützung gibt es insbesondere bei Fragen zu Förderleistungen und technischen Arbeitshilfen.


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