Text: Jürgen Grosche, Fotos: Constantin Ranke
Imagebroschüren vieler Unternehmen sind gespickt mit Aussagen, man schätze die Mitarbeitenden und wirtschafte nachhaltig. Doch häufig spiegelt die Realität nicht den proklamierten Anspruch wider. Ob hinter wohlklingenden Phrasen eine tatsächlich gelebte Kultur steht, offenbaren letztlich die Fakten, wie beispielsweise das Wachstum, die Zufriedenheit der Kunden und Kundinnen und eine Nachfolgeregelung, die bei allen Besonderheiten auch die Finanzierer überzeugt. Hier fällt die Geschichte des Langenfelder Unternehmens Twenty20 auf. Aus einem reinen SAP-Beratungshaus entwickelte sich das IT-Unternehmen zu einem vielseitigen Softwareentwickler und Hosting-Dienstleister, der neben der SAP-Beratung eigene Applikationen, Plattformen, Cloud-Dienstleistungen sowie Management-Tools anbietet. Kreativität ist gefragt, und die gedeiht offenbar in einem Arbeitsumfeld, das Franz Crtalic als „Familienkultur“ beschreibt.
Kreativität ist bei Twenty20 gefragt
Wenn der Inhaber und Geschäftsführer des 2007 gegründeten Unternehmens aus der Firmengeschichte erzählt, wird an vielen einzelnen Begebenheiten deutlich, was er meint. Ein Beispiel: Vor etwa acht Jahren bauten die IT-Spezialisten für einen großen Kunden aus der Kommunikationsbranche ein Portal, das nicht auf Basis von SAP laufen sollte. „Ganz großartig“ fanden die Abnehmer das Ergebnis. Die Betreuung des Portals wollte der Kunde an einen kleinen Provider abgeben. Eine solche Tätigkeit hatten die Berater bis dato nicht im Programm.
Ein Mitarbeiter aus dem Twenty20-Team war aber überzeugt: „Wir können das. Wir machen einen neuen Geschäftsbereich auf und werden Provider.“ Den Businessplan hatte er schon entwickelt und den Finanzbedarf auf 40.000 Euro kalkuliert. Nach spätestens sechs Monaten verdiene man damit Geld. Der Kollege hatte untertrieben. „Wir wagten den Schritt. Nach dem ersten Hosting ist ein neuer und lukrativer Geschäftsbereich entstanden“, erinnert sich Crtalic. So ging es auch mit anderen Eigenentwicklungen, so dass die SAP-Beratung nur noch einen Anteil von 15 Prozent am Geschäft hat. Das Unternehmen ist weiter gewachsen und beschäftigt heute 20 Mitarbeitende.
Die Grundlagen für den Erfolg beschreibt der Unternehmer so: „Unsere Mannschaft ist hoch qualifiziert und sehr flexibel. Das schätzen die Kunden sehr.“ Diese Motivation wiederum werde durch eine besondere Firmenkultur gefördert. „Hauptthemen sind Vertrauen, Eigenverantwortung, der Umgang miteinander auf Augenhöhe und Achtsamkeit“, sagt Crtalic. Das beherzige nicht nur er, sondern das ganze Team. „Wenn ein Mensch für sein Projekt brennt, merkt er manchmal nicht, wie sehr er darin verhaftet ist, er opfert zum Beispiel das Wochenende. Darauf achten die Mitarbeitenden und bieten dem Kollegen Unterstützung an.“
Diese Achtsamkeitskultur entstand nicht einfach so, sondern hat einen zeitlich bestimmbaren Ursprung im Jahr 2014, den Crtalic als „Beginn unseres Transformationsprozesses von der klassischen SAP-Beratung zum kollegial geführten New Work-Unternehmen von heute“ beschreibt. „Den Stein ins Rollen gebracht“ hätten zwei Kollegen mit einer Idee. Bis zu diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsklima auch geprägt von Effizienzdenken gewesen, „und es gab nicht viel Raum für Dialoge auf Augenhöhe oder den Austausch von Bedenken“. Die Kollegen schlugen ein Treffen vor, bei dem über die Unternehmenskultur gesprochen werden sollte. Eine Woche lang lief dieses „Culture Camp“ in einem Selbstversorgerhaus im Sauerland. „Die Folge war ein intensiver Veränderungsprozess, der rückwirkend betrachtet die komplette Firma umgekrempelt hat“, sagt Crtalic heute.
Bei Twenty20 werden Leitsätze gelebt
Die Mitarbeitenden definierten gemeinsam die Unternehmenswerte. „Wir arbeiteten zehn ‚Core Values‘ als Leitsätze heraus, die bis heute als Basis für das gemeinsame Arbeiten und Leben im Unternehmen dienen“, beschreibt Crtalic das Ergebnis. „Jeder dieser Grundwerte geht dabei vom Menschen aus und bemisst sich nicht etwa an Effizienz- oder Umsatzzielen.“ Offenbar werden diese Leitsätze tatsächlich gelebt. Zum Beispiel beim Einstellen neuer Mitarbeitenden. Crtalic und die Kollegen sprechen mit den Kandidatinnen und Kandidaten zunächst nur zum gegenseitigen Kennenlernen. Erst wenn hier alles passt, geht es in einer zweiten Runde ums fachliche Know-how.
Die Leitlinien umfassen Werte wie Eigenverantwortung, Vertrauen und Begegnung auf Augenhöhe. „Meine Stimme zählt so viel wie die der anderen“, sagt Crtalic. „Strategische Entscheidungen treffen wir gemeinsam.“ Die Mitarbeitenden erfahren auch wichtige Unternehmensdaten wie Umsatz, Kostenstruktur oder Liquiditätsplanung und können dazu ihre Einschätzungen geben. So sei eine familiäre Gemeinschaft entstanden, in der jeder Verantwortung für das Unternehmen sowie die Kolleginnen und Kollegen trage. Eine Gemeinschaft, die auch eine besondere Nachfolgeregelung ermöglicht.
Mitarbeitende als Nachfolger
Bereits 1986 hatte Crtalic als 24-Jähriger sein erstes Unternehmen gegründet. Mit 61 plant er nun die Übergabe der rechtlichen Verantwortung in die Hände der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und begleitet die Firma weiter. Als er die Kolleginnen und Kollegen darüber informierte, dass er sich zurückziehen wolle, fragten sie zunächst besorgt, wie es nun weitergehen würde. Denn ihnen war bekannt, dass manche Unternehmen Schwierigkeiten mit der Nachfolge haben. Crtalic teilte ihnen mit, dass er wie andere Unternehmer auch die Firma verkaufen würde, aber auch, dass es sein Wunsch sei, das Unternehmen in die Hände der Menschen zu legen, die mit an der Entwicklung der Twenty20 gearbeitet haben und mit dafür verantwortlich sind, dass sie sich so entwickeln konnte.
Die Bank, die die Finanzierung des Verkaufs begleitet, war zunächst vorsichtig. Doch das Unternehmen konnte glaubhaft darlegen, dass die Mitarbeitenden längst über die wichtigen Daten Bescheid wissen und an der Steuerung des Unternehmens aktiv beteiligt sind. Das kommt bei den Finanzierern gut an, mit denen gerade die Gespräche laufen.
Wir haben mit Franz Crtalic gesprochen und ihn gefragt, wie bei Twenty20 gearbeitet wird, welche Werte er für wichtig hält, und warum er sich für diese Form der Übergabe entschieden hat. Jetzt reinhören!
Für den Übernahmeprozess zog Twenty20 auch die Expertise der IHK-Nachfolgeexpertinnen und -experten zu Rate. Besonders erwähnenswert findet Crtalic, der selbst Mitglied des Mittelstandsausschusses der IHK ist, die Unterstützung und die Tipps der IHK zur Finanzierung der geplanten Übernahme. Gut dargestellt werde zum Beispiel die Gestaltung der Gespräche mit der Bank. Auch die Auskünfte darüber, was die Bank erwartet und benötigt und wie ihr Geschäftsmodell überhaupt funktioniert, seien sehr hilfreich.
Unternehmerinnen und Unernehmer profitieren zudem, so Crtalic, vom Netzwerk der IHK. Dazu zählen zum Beispiel auch Steuerfachleute. Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, die eine passgenaue Nachfolge suchen, bekämen darüber hinaus hervorragend aufbereitete Darstellungen des Übernahmeprozesses mit Informationen zu Themen wie Unternehmensbewertung oder Auswahl des richtigen Partners.
Weitere Beiträge zum Thema Nachfolge und Existenzgründung im Online-Magazin der IHK Düsseldorf