RWWA: Rettung vor dem Vergessen

Dr. Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs (RWWA) in Köln, spricht im Interview über die Bedeutung des Archivs und dessen Angebote für Unternehmen.

RWWA

IHK-Magazin: Herr Dr. Soénius, was macht das RWWA?

Dr. Ulrich S. Soénius: Wir sind das Wirtschaftsarchiv für das gesamte Rheinland, genau gesagt die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln sowie die ehemaligen Regierungsbezirke Koblenz und Trier. Das bedeutet, wir retten Bestände der Wirtschaft vor dem Vergessen. Das können Unterlagen aus nicht mehr existierenden Unternehmen sein, Sammlungen von Fotos oder Zeitungsausschnitten, Nachlässe von Personen der Wirtschaft und nicht zuletzt auch Dokumente der IHKs, der Handwerkskammern und anderer Organisationen der Wirtschaft. Das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv sichert also Informationen und bietet diese für jede und jeden Interessierten an. Unsere Bestände reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, umfassen aber vor allem das 19. und 20. Jahrhundert. Thematisch ist das weit gefächert, umfasst die unterschiedlichsten Branchen und Regionen.

IHK-Magazin: Welche Bedeutung hat dieses Material für die Forschung?

Eine sehr große. Wir können Wirtschaftsgeschichte im Rheinland dokumentieren und bieten dazu Informationen, die sonst niemand bereitstellen kann. Die Unterlagen einer Weberei aus Langenfeld zeigen zum Beispiel, dass das Rheinland auch eine Vergangenheit als wichtiger Textilstandort hat. Die Dokumente einer Glasfabrik belegen wiederum, dass Düsseldorf quasi der Ursprungsort der Glasflaschenproduktion für die aufkommende Getränkeindustrie war, weil hier Patente für Hohlglasflaschen lagen. Und der Nachlass von Otto Breimer, der aus dem Odenwald stammte und nach dem Ersten Weltkrieg auf Umwegen ins Rheinland kam, gewährt ganz persönliche Einblicke in die Brauereigeschichte, denn er war Braumeister bei der Schwabenbräu Aktiengesellschaft, die 1895 in Düsseldorf gegründet worden war. Es gibt hunderte solcher Beispiele. Besonders spannende Geschichten finden sich oft in Briefwechseln.

IHK-Magazin: Und welche Angebote haben Sie für Unternehmen?

Wir helfen bei der Einrichtung eines eigenen Unternehmensarchivs. Das fängt oft schon damit an, dass wir beim Wiederfinden von Unterlagen unterstützen, die gerade bei kleinen Unternehmen manchmal irgendwo auf dem Speicher oder im Keller liegen. Wir helfen bei der Bewertung und Beschreibung der Dokumente, damit man sie auch später wieder gezielt suchen kann. Was ist überhaupt archivwürdig, was kann und sollte digitalisiert werden, so dass es auch in 50 Jahren noch lesbar ist, wie schützt man Daten vor dem Zugriff Dritter – all diese Fragen stellen sich in Unternehmen. Anlass für Anfragen bei uns sind oft die Auflösung von Unternehmen, Jubiläen oder auch die bisweilen verzweifelte Suche nach alten Unterlagen, etwa zu Grundstücken, die dringend gebraucht werden. Nicht selten steuern wir zu den Daten aus den Unternehmen auch Informationen bei, etwa aus den Beständen der Kammern.

IHK-Magazin: Wie hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren verändert?

Natürlich spielt auch bei uns die Digitalisierung eine große Rolle. Unser Online-Angebot wächst deshalb immer weiter, wir haben bislang schon etwa 35.000 Fotos im Netz. Seit 2014 stellen wir Bestände online zur Verfügung. Alle Interessierten können bequem mithilfe unserer Online-Findbücher recherchieren, derzeit sind 400 Bestände mit rund 420.000 Verzeichnungseinheiten im Internet abrufbar. Und wir konnten im vergangenen Jahr etwa 8.000 Digitalisate von Reklamemarken, Vignetten, Wertpapieren, Notgeldscheinen, Prospekten und Preislisten erstellen. Viele Papierdokumente sind damit erstmals vollständig erfasst. Künftig wird es hierzu eine eigene Datenbank geben, in der Benutzerinnen und Benutzer online recherchieren können.

IHK-Magazin: Das Allermeiste existiert aber weiterhin in Papierform?

Ja, und diese Bestände werden auch vorerst jedenfalls noch weiter wachsen. Derzeit haben wir in unseren Magazinen etwa 21,5 Regalkilometer an Archivalien. Vieles davon kann man auch nicht einfach digitalisieren. Deshalb wird unser Lesesaal, wo wir auf Bestellung Dokumente zur Einsicht bereitstellen, sicher auch in Zukunft noch stark genutzt.

RWWA
Bis in das 16. Jahrhundert zurück reichen die Wirtschaftsakten und Geschäftsbücher aus dem Rheinland. Zunehmend übernimmt das RWWA digitale Unterlagen.

Text: Werner Grosch, Fotos: Michael Claushallmann, RWWA

Das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv
Die Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) ist seit 1906 das regionale Wirtschaftsarchiv für das Rheinland. Es hat die Aufgabe, Wirtschaft zu dokumentieren. Das RWWA bietet circa 700 Bestände aus dem 16. bis zum 21. Jahrhundert zur Benutzung an: 21,5 Regalkilometer Akten, Fotos, Filme, Drucksachen, Firmenfestschriften und Zeitungsausschnitte. Es berät Unternehmen bei der Einrichtung von Archiven.
Ansprechpartner:
Dr. Ulrich S. Soénius (Direktor),
Tel. 0221-1640-4800,
E-Mail: rwwa@koeln.ihk.de,

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