Text: Dagmar Haas-Pilwat, Foto: Messe Düsseldorf/ctillmann
Insbesondere die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die Veränderungen im Konsumentenverhalten und der Strukturwandel hinterlassen ihre Spuren – auch bei der Frage, wie sich urbanes Leben gestaltet. Energiekrise und die Pandemie wirken auf die konsumorientierten Innenstädte wie ein Brandbeschleuniger. „Alle Handelsmarken sind auf die Bremse getreten, große Player und zahlreiche kleinere Läden geraten in Schieflage, die Anzahl der Leerstände steigt. Mindestens 50 Prozent der Ware wird inzwischen online gekauft, was bedeutet, in allen Städten und Lagen haben wir viel zu viele Handelsflächen“, erklärt Klaus Schwitzke, Architekt, Markenmacher und Geschäftsführer der Schwitzke GmbH.
„Mindestens 50 Prozent der Ware wird inzwischen online gekauft“
Klaus Schwitzke, Schwitzke GmbH
Die Frage, die Stadtplaner, Politiker, Architekten und die Handelsbranche umtreibt, lautet: Wie sieht die Innenstadt von morgen aus? „Es braucht mehr Platz für Kultur, für Bildung, Spielplätze, grüne Flächen mit Aufenthaltsqualität“, betont Frank Rehme, Gründer und Geschäftsführer von Vitail, dem Kompetenzzentrum für Handel und Stadtentwicklung mit Sitz in Düsseldorf. Er sieht die City und urbanes Leben der Zukunft als sozialen Treffpunkt, wo man sich mit Freunden trifft und eventuell nebenbei etwas kauft. Auch wenn die Konsumenten zunehmend online einkaufen, und sonst viel Zeit in der digitalen Welt verbringen – „Begegnung brauchen sie aber immer noch und sie mögen eigentlich ihre Innenstädte“, betont der Handelsexperte.
Gemeinsam mit seinem Team und der Messe Düsseldorf hat Frank Rehme erstmals auf der EuroShop (weltweit die größte Handelsmesse ihrer Art) ein Future Urban Lab aufgebaut. Dort stimmten die internationalen Besucher interaktiv darüber ab, welche Zutaten ihrer Ansicht nach die Attraktivität der Innenstadt erhöhen. In den fünf Bereichen – Mobilität, Digitalisierung, Aufenthaltsqualität, Einkaufserlebnis und Nachhaltigkeit – konnten 15 Trends für vitale Zentren entdeckt und bewertet werden.
„Begegnung brauchen die Menschen immer noch“
Frank Rehme, Vitail GmbH
Fünf Favoriten wurden platziert. Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: „Die Gewinner der Umfrage, und das in allen Altersstufen, sind die Trends im Bereich der Nachhaltigkeit“, berichtet Rehme. Dazu zählen „Renaturierung von Beton-Wüsten“, „Die Innenstadt als erweitertes Wohnzimmer“ und das „Schwammstadt-Prinzip für einen natürlichen städtischen Wasserkreislauf“. Auf die drei Top-Trends folgen Mobilität: Stichwort – „Kostenfreier ÖPNV“ auf Platz 4 und zum Thema Einkaufen: „Kundennähe durch Produkterlebnis und Individualisierung“ auf Platz 5. „Damit es sich für viele Menschen lohnt, in die Innenstadt zu kommen, ist ein Masterplan, ein groß angelegter Stadtumbau, notwendig“, sagt Klaus Schwitzke. Die bisher übliche urbane Verdichtung ignoriere die Bedürfnisse der Menschen. Zukunftsfähige Konzepte für urbanes Leben entwickeln, heißt seiner Meinung nach Transformation: Handelsflächen reduzieren, dafür mehr Grünflächen schaffen und Plätze, „die den Namen verdienen“. Es muss Spaß machen, sich dort aufzuhalten. „Ohne gemischt genutzte Quartiere mit neuen Wohnmöglichkeiten, Schulen, Kitas, Gastronomie, Klempner, Schumacher und Repair-Cafés, sowie Mini-Formate von Möbelhäusern und Baumärkten um die Ecke ist eine vitale Innenstadt schwer möglich“, so Schwitzke. Auf der politischen Ebene erfordere dies zudem neue regulatorische Rahmenbedingungen.
„Es muss schnell gehandelt werden“
Sven Schulte, IHK Düsseldorf
Im Zuge der Leerstandsentwicklung großer, traditionsreicher Retail-Immobilien auch in der Landeshauptstadt fordert Sven Schulte, Referent Handel und Stadtentwicklung bei der IHK Düsseldorf, zügig neue Nutzungskonzepte zu entwickeln und zu realisieren. „Es muss schnell gehandelt werden, damit nicht an zentralen Orten Brachlandschaften entstehen. Schließlich leben vitale Großstädte von der Gesamtattraktion.“
Das Stichwort von der 15-Minuten-Stadt macht allerorten die Runde: Ziel ist es, dass die Bürger alle wesentlichen Bedürfnisse – von Wohnen und Arbeiten bis zu Bildung und Freizeit – innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad oder zu Fuß von der eigenen Haustür aus erfüllen können. Großstädte, wie Paris, Kopenhagen oder Barcelona haben sich bereits auf den Weg dahin gemacht und setzen die Idee der „Hypernähe“ bereits praktisch um. Dazu müssten jedoch – da sind sich die beiden Experten einig – Autos weitgehend aus dem Stadtkern verbannt, die Masse an Parkraum verkleinert und viel mehr Verkehrsfläche für Fußgänger und Radfahrer geöffnet werden. Die Attraktivität der Innenstadt würde sprunghaft steigen“, davon ist Klaus Schwitzke überzeugt.
Bei den Planungen der „neuen“ Königsallee in Düsseldorf plädiert er für mehr Gastronomie, gegebenenfalls auch unabhängig von den Gebäuden. Der Kö-Graben sollte mehr in das Erlebnis Kö integriert werden und als verbindendes und grünes Element zwischen Ost- und West-Kö fungieren. „Ich würde den Fahrradweg in den gemeinsam genutzten Verkehrswegen integrieren. Dadurch ließe sich wertvolle Fläche zum Verweilen am Wasser gewinnen. Die Westseite könnte sich langfristig so entwickeln, dass ein echter Rundlauf entsteht – mit dem Wasser als Zentrum.
Die IHK Düsseldorf greift das Thema mit ihren Projekten Stadt der Zukunft auf
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