Düsseldorfer Innenstadt macht sich noch attraktiver

Die Innenstadt Düsseldorfs erlebt gerade einen massiven Umbruch – schon wieder. Beobachter sehen darin große Chancen.

Düsseldorfer Innenstadt
Der Calatrava-Boulevard ist eines der großen Projekt in der Düsseldorfer Innenstadt.

Text: Jürgen Grosche, Grafik: CENTRUM Gruppe / Santiago Calatrava LLC
Die großen Projekte U-Bahn Wehrhahn-Linie, Kö-Bogen I (Breuninger, Apple und andere), KII (das begrünte Gebäude) und Schadowstraße sind gerade soweit fertig, jetzt folgen die Königsallee mit großen Bauprojekten auf beiden Seiten und die Umgestaltung des Heinrich-Heine-Platzes samt Carsch- Haus. „Das ist das Gute an Düsseldorf“, sagt City-Manager Frank Hermsen, „hier herrscht immer eine Aufbruchstimmung“. Das strahle Dynamik und Zukunftsperspektive aus. Die Investoren schätzen die Chancen offenbar genauso ein. Mit großem Einsatz realisieren sie gewaltige Projekte, die sich natürlich rentieren müssen. Besonders viel tut sich in der Düsseldorfer Innenstadt gerade auf beiden Seiten der Königsallee. „Es bleibt spannend“, sagt Claus Franzen, Geschäftsführer des Lifestyle-Geschäftes Hermann Franzen. Das Traditionsunternehmen wechselt zwar um die Ecke auf die Schadowstraße, bleibt damit aber der Luxusmeile nahe. „Unser Sortiment wird hochwertig bleiben, darüber hinaus aber auch den Trends Rechnung tragen, die zur Einkaufsmeile Schadowstraße passen“, sagt Franzen. Die Kö bleibe ein „sehr guter Standort für Luxus“, ist der Geschäftsmann überzeugt. Wenn nun auch auf der bisherigen Bankenseite weitere Geschäfte mit internationalen Marken einziehen, werde das internationale Profil nochmals gestärkt. Die Umbauphase sei für die Anlieger und Gäste natürlich belastend, „aber ich bin froh, dass gehandelt wird. Am schlimmsten wäre ein langer Leerstand. Diese Phase müssen wir überstehen, aber es ist gut, dass Neues entsteht. Das macht die Stadt noch spannender.“

Rund um den Kö-Graben

Einer der Investoren in der Düsseldorfer Innenstadt auf der Westseite der Kö ist der internationale Projektentwickler Hines, der das frühere Commerzbank- Gebäude in das Büro- und Geschäftsensemble „Le Coeur“ („Das Herz“) verwandelt. Künftig sei ein Rundlauf um den Kö-Graben möglich, wenn die Besucher auf beiden Seiten Läden und Restaurants aufsuchen können, beschreibt Benjamin Biehl, Managing Director bei Hines, die Zukunftsvision. Darauf setzen die Projektentwickler, die bei der Realisierung des Zieles zusammenarbeiten. Dass irgendwann einmal zu viele Geschäfte um Kundinnen und Kunden buhlen, befürchten die Investoren nicht. „Je mehr, desto besser“, ist Biehl überzeugt. Viele unterschiedliche Anbieter locken noch mehr Besucher an – ein Ansatz, der sich schon oft bestätigt hat. Daher haben auch neue Büros Chancen. „Neubauqualität ist immer rar auf der Kö“, sagt Biehl. So zieht es zum Beispiel immer mehr Anwaltskanzleien an die Straße. Die Bauphase müsse so sanft wie möglich gestaltet werden. „Wir gestalten sie so, dass die Umwelt möglichst wenig belastet wird“, sagt Biehl. Zur Gestaltung der Verkehrsflüsse um die Baustelle sei man im Gespräch mit dem zuständigen Amt, aber auch mit den anderen Projektentwicklern, die ebenfalls gerade bauen. „Uns ist bewusst, dass wir in einem sensiblen Bereich tätig sind. Wir begleiten die Arbeiten auch kommunikativ.“ Dazu gehört auch die riesige Lichterkette, die abends in großen Buchstaben den Namen des Projektes „Le Coeur“ leuchten lässt. Die Installation zieht mittlerweile sogar Fototouristen an. Auch die südliche Königsallee wird neue Impulse erhalten durch den „KöTower“, ein Hochhaus, das der Projektentwickler Catella realisiert. Auf der Ostseite der Prachtmeile hat der Projektentwickler Centrum große Pläne mit dem Calatrava- Boulevard, der parallel zur Kö zwischen König- und Steinstraße verlaufen soll. Centrum hat bereits das KII-Gebäude realisiert. Düsseldorf müsse als Metropolregion gedacht werden mit 13 Millionen Menschen im Radius einer Autostunde, sagt Rudi Purps, Geschäftsführer bei der Centrum-Gruppe. „Das findet man in Deutschland sonst nur in Frankfurt oder München.“

Die Welt schaut auf Düsseldorf

Offenbar sehen das internationale Konzerne ähnlich. Immer mehr Markenfirmen streben – so der Experte – ein weltweites Wachstum an. Sie schauen dabei auch auf Düsseldorf und die Düsseldorfer Innenstadt. Da sie ihre Sortimente erweitern, brauchen sie tendenziell größere Läden. Das Luxussortiment sei zudem weniger vom Onlinetrend betroffen, beobachtet Purps. Kundenbindung, Service und ein Zelebrieren der Hochwertigkeit erfordere Präsenz – und zwar in passenden, hochwertigen Immobilien. Düsseldorf biete dafür die idealen Voraussetzungen: Metropolregion mit hoher Kaufkraft, dazu „die schönste Einkaufsstraße Europas“. Die allerdings noch „viel Glanz der Vergangenheit“ ausstrahle, räumt Purps ein. Es sei daher kein Zufall, dass nun beide Seiten der Kö gleichzeitig renoviert werden. Der Calatrava-Boulevard biete künftig eine Kombination von Luxus und hochwertiger Gastronomie – eine Spezialität, die dann auch international positioniert werden soll. Das dürfte die Attraktivität Düsseldorfs weiter erhöhen. An der Schadowstraße sind die Anlieger froh, endlich die Bauphase hinter sich zu haben. „Wir sind bereits wieder unter den Top 10 der deutschen Einkaufsstraßen“, sagt Thomas Görner, Geschäftsführer des Fotofachgeschäfts Koch und Vorsitzender der Standortgemeinschaft City-Ring Schadowstraße. Am Schadowplatz gibt es mehrere neue Geschäfte, „es ist interessant, was sich da alles bewegt“. Kö-Bogen I und KII seien wichtige Ankerpunkte geworden. Ein solcher fehlt noch im östlichen Teil Richtung Wehrhahn. Noch steht im Raum, an der Stelle des früheren Kaufhofs die neue Oper zu bauen. „Das wäre eine Riesenchance“, meint Görner und wirbt für den Standort: „Es soll ja eine ‚Oper für alle‘ werden. Es gibt wohl keinen geeigneteren Ort als den gut frequentierten Wehrhahn, sie den Menschen nahezubringen.“

Gegen den Internettrend

„Wir brauchen solche Highlights“, ist auch Sven Schulte, Referent Handel und Stadtentwicklung bei der IHK Düsseldorf, überzeugt. Er fordert mehr Tempo bei der Umsetzung. Schulte erinnert darüber hinaus an die Idee eines Rheinboulevards als Ost-West-Achse vom Wehrhahn bis zum Rhein, die jetzt eine neue Chance zur Umsetzung habe. Das gebe Besucherströmen eine neue Dynamik. Mit City-Manager Hermsen stimmt Schulte überein, dass dazu insbesondere eine Neugestaltung des Heinrich-Heine-Platzes beitragen muss. Derzeit trennt die Heinrich-Heine-Allee mit ihrem starken Verkehrsaufkommen Ost und West der Innenstadt. Hermsen ist überzeugt, dass all diese Projekte die Stadt noch attraktiver machen. Die Vielzahl von Geschäften ermöglichen zusammen mit Kulturangeboten und Events „ein völlig anderes Einkaufserlebnis, als dies beim Onlinehandel möglich ist“. So könne die Stadt ein Gegengewicht zum Internettrend aufbauen. Bei Kunst denkt City-Ring-Sprecher Görner an Skulpturen, vielleicht von Tony Cragg, oder auch an temporäre und wechselnde Ausstellungen. Videoleinwände und Bühnen mit Unterhaltungs- und Bildungsangeboten, Sitzbänke, Begrünung und öffentliche Sanitäranlagen – all das könne dazu beitragen, die Innenstadt interessant zu machen. Allerdings sollte in der Düsseldorfer Innenstadt der Fahrradweg von der Schadowstraße weg – auch darin sind sich viele einig. In der Übergangsphase müsste auch darauf geachtet werden, dass Bauzäune möglichst nicht die Schaufenster verdecken, sagt Hermsen. Überhaupt sei Kommunikation wichtig. Die Anlieger in der Düsseldorfer Innenstadt müssten unterstützt werden mit Informationen über die nächsten Schritte und Planungen zur Verkehrsführung.

Gastronomen in der Düsseldorfer Innenstadt

Zu einer lebendigen Innenstadt gehört zudem eine funktionierende Gastronomie, wie die Experten unisono betonen. Vorschläge, Straßencafés auf der Schadowstraße zu etablieren, sieht Görner indes skeptisch. „Samstags wird es dafür auf der Straße zu voll, zudem müssen Zonen für die Feuerwehr frei bleiben.“ Interessant seien aber Querverbindungen wie etwa die Wagnerstraße, die entsprechend umgestaltet werden müsste. Kerstin Rapp-Schwan, Geschäftsführerin der Schwan-Restaurants, freut sich darüber, dass man die Bedeutung der Gastronomie erkannt hat. „Die Sensibilität für das Thema ist da. Ich hoffe, dass sie nicht auf der Strecke bleibt.“ Denn wenn Gastronomie eine Chance haben soll, müsse sie finanzierbar sein, betont Rapp-Schwan, die seit 20 Jahren das Geschäft kennt. Spannend wird ein Stadtteil, wenn es dort eine Mischung von Traditions- und jungen Gastronomiebetrieben mit neuen und individuellen Konzepten gibt. „Investoren sollten überlegen, wie sie eine solche Entwicklung unterstützen können. Denkbar sind ja auch neu gedachte Shop-in-Shop-Konzepte, zum Beispiel ein Café, was bereits häufiger erfolgreich praktiziert wird.“ Als notwendig – sowohl für die Betriebe wie auch für die Aufenthaltsqualität – hält Rapp-Schwan Außenterrassen. Hier könnte auch der neue Heinrich-Heine-Platz spannende Perspektiven eröffnen. Bis alles soweit ist, vergehen aber noch ein paar Jahre. Wie könnte die Bauphase möglichst störungsarm gestaltet werden? Eine Anregung, die viele begrüßen, wäre die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Anlieger, Kundinnen und Kunden, Investoren und Behörden. Beschwerden könnten schnell an die richtige Stelle geleitet, umgekehrt Informationen über Vorhaben, Umleitungen oder Baufortschritte gezielt verbreitet werden. „Die IHK bietet gerne an, die Akteure an einen Tisch zu bringen“, sagt Sven Schulte. Eine Anlaufstelle sollte dann von der Stadt organisiert werden. Schulte verweist auf den Bau der Wehrhahn-U-Bahn, wo dies erfolgreich umgesetzt wurde. Für den aktuellen Umbau in der Innenstadt Süd (Friedrichstraße und andere) hat die Stadt für die von den Bauarbeiten Betroffenen ein Anliegermanagement etabliert. „Wichtig ist, dass der Verkehr weiter fließen kann“, sagt Schulte und verweist auf temoräre Staus auf der Königsallee, die derzeit zusätzlichen Verkehr von der Heinrich-Heine-Allee durch die Sperrung der Kasernenstraße aufnimmt.

Kommentar zu Düsseldorfer Innenstadt

Wir müssen dringend nachsteuern

Düsseldorfer Innenstadt
Von Marcel Abel, geschäftsführender Direktor bei JLL Germany sowie Vizepräsident der IHK Düsseldorf
Foto: Jones Lang LaSalle SE

Gleich fünf Großprojekte werden die Königsallee und deren Laufbeziehungen grundlegend verändern. Die geplante Oper wird Akzente weit über die Stadt hinaus setzen. Der Heinrich-Heine-Platz wird mit Sicherheit ein neuer, sehr attraktiver Anziehungspunkt werden, verkehrsberuhigt und inmitten städtebaulich zentraler Objekte gelegen. Ohne Zweifel: Düsseldorf erlebt gerade einen Immobilienwandel, den es in diesem Maße in den zurückliegenden drei Dekaden nicht gegeben hat. Die Achsen der Königsallee werden verschoben und die Laufwege in der Innenstadt neu ausgerichtet. Die lange ersehnte durchgehende Verbindung vom Wehrhahn zum Rheinufer kann jetzt zusammenhängend gestalten werden. Die Innenstadt bekommt neue Publikumsmagnete, viele einzelne Attraktionen werden die Menschen anziehen. Reicht dies alles aus, um Düsseldorf für die nächsten Jahrzehnte so gut aufzustellen, dass die Stadt fit und attraktiv bleibt? Wahrscheinlich nicht. Es bleiben Fragen, die dringend beantwortet werden müssen: Wir sehen viele neue Einzelprojekte. Aber was zahlen sie insgesamt auf das Bild und die Attraktivität der Stadt, das Destinationsmarketing, den Nutzen für die Menschen, die Klimaresilienz ein? Viel zu wenig. Beispiele: Die Oper soll ein multifunktionales Kulturzentrum werden. Es fehlen aber Analysen dazu, was das Projekt in seinem nahen Umfeld bewirkt. Wie soll die Architektur mit den anderen Großprojekten korrespondieren? Und bei diesen Großprojekten wurde versäumt, strukturell mehr Nutzen für die Gesamtheit einzufordern. Anforderungen dafür gäbe es viele: Möglich wäre zum Beispiel ein Gesamtkonzept für Tiefgaragen. Sie könnten so ausgebaut werden, dass sie beim Starkregenereignis als Wasserspeicher dienen könnten oder aber auch als Datacenter oder Logistik-Hubs könnten sie genutzt werden – wo was sinnvoll ist, müsste ein städtisches Gesamtkonzept beschreiben. Um Raum zu gewinnen und den Autoverkehr von der Straße zu holen, könnte man die Umsetzbarkeit ambitionierter Ideen prüfen, etwa eine Tiefgarage unter dem Kö-Graben. Dafür könnten Teile der Königsallee verkehrsfrei gemacht werden. Nächster Punkt: die immer drängendere Frage nach der Klimaresilienz einer Stadt. Was tragen die vielen neuen Bauten hier insgesamt bei? Zu wenig. Jedes einzelne Projekt wird für sich genommen höchsten Standards entsprechen. Aber helfen sie auch, ein erträgliches Klima im Straßenraum zu schaffen? Eine positive Aufenthaltsqualität braucht mehr Grün und neue Konzepte, als derzeit geplant sind. An all diesen Punkten muss die Stadt dringend nachsteuern. Noch gibt es Chancen dafür. Die Weiterentwicklung des neuen Konzeptes „Königsallee“ steht erst am Anfang; weitere Großprojekte werden zwangsläufig folgen. Alle Beteiligten müssten verpflichtet werden, mehr auf das Wohl der Allgemeinheit einzuzahlen. Warum nicht zum Beispiel einen Beitrag zu einer attraktiveren Gestaltung öffentlicher Plätze wie den Park am Graf-Adolf-Platz einfordern, eine intelligentere Vernetzung der Energie- und Klimakonzepte der Einzelprojekte planen. Die Stadt muss hier ein Masterkonzept „Kö für alle“ entwickeln. Vieles wird bislang zu kurz gedacht. Wir brauchen eine Perspektive 2040.


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