Was macht eigentlich … das Mercosur-Abkommen?

Mercosur
Über den Stand der Verhandlungen sprachen die Gäste aus Südamerika.

Text: Gesa van der Meyden, Fotos: Hans-Jürgen Bauer
Die Verhandlungen laufen seit Jahrzehnten, im Jahr 2019 wurde eine Einigung erzielt: ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, die sich in der Wirtschaftsorganisation Mercosur zusammengeschlossen haben, soll entstehen. Doch das EU-Mercosur-Abkommen, das eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen schaffen würde, liegt derzeit auf Eis. Grund ist unter anderem eine von der EU-Kommission vorgeschlagene Zusatzerklärung, ein so genannter Side Letter, der strengere Auflagen zum Schutz des Regenwaldes und für mehr Klimaschutz vorsieht. Um über den Stand der schwierigen Verhandlungen zu sprechen, hat eine hochkarätig besetzte Delegation aus den Mercosur-Staaten die IHK Düsseldorf besucht. Gastgeberin Katrin Lange, Referentin Internationale Märkte, stellte den Gästen zunächst die Arbeit der IHK Düsseldorf vor und welche Branchen und Industrien den Kammerbezirk Düsseldorf und Kreis Mettmann ausmachen. „Besonders am Standort Düsseldorf sind viele ausländische Unternehmen ansässig, ob aus den USA, Japan, Europa oder China. Dieses international geprägte Umfeld erleichtert es neuen Firmen aus dem Ausland, hier Fuß zu fassen“, sagte sie.

Großes Interesse am Mercosur-Abkommen

Die Hälfte der Unternehmen im IHK-Bezirk Düsseldorf und Kreis Mettmann sind allerdings kleine und mittelständische Unternehmen wie der Velberter Betrieb Mauell, der Leitwarten und Kontrollräume für Kraftwerks- und Verkehrsleitzentralen baut und bereits in den 1970er-Jahren eine Tochtergesellschaft in Brasilien gründete. Durch das Abkommen könnten sich deutlich mehr hiesige Unternehmen in Südamerika engagieren. „Die Unternehmen in unserem Kammerbezirk haben ein großes Interesse daran, dass das Abkommen zustande kommt, weil es ihnen die Chance eröffnet, neue Märkte zu erschließen“, erklärte Lange. Südamerika könnte als Lieferant von Energie und Rohstoffen die Lücke füllen, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden ist. „Auch teilen die EU und die Mercosur-Staaten gemeinsame Werte“, so die Expertin weiter. Sebastian Wölfle, Trainee im Ausbildungsprogramm der Deutschen Industrie- und Handelskammern, fasste in einem Kurzvortrag die Win-Win-Situation durch ein Abkommen zusammen: Abschaffung von Zöllen und nicht tarifären Handelshindernissen wie etwa Importquoten, einheitliche Zertifizierungsstandards, Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen oder Regeln zum Schutz von geistigem Eigentum.

Romina Gayá, Wirtschaftswissenschaftlerin aus Argentinien, sagte, es sei das erste Mal auf ihrer bisherigen Reise, dass sich jemand positiv zum Abkommen äußere. „Bislang haben wir vor allem negative Stimmen gehört, besonders von Umweltaktivisten. Auch der Side Letter der EU sorgt für Aufregung und auch Unverständnis, weil die Verhandlungen eigentlich 2019 abgeschlossen wurden“, sagte die Universitätsprofessorin. Ihr Landsmann Eugenio Marí Thomsen, Politikwissenschaftler und Berater des argentinischen Nationalkongresses, nennt das Abkommen das wichtigste außenpolitische Thema in seinem Land. „Leider zweifeln wir an der europäischen Bereitschaft. Der Side Letter wirkt auf viele wie eine Ausrede, um das Abkommen nicht ratifizieren zu müssen.” Auch Marcel van Hattem, Politikwissenschaftler, Journalist und Mitglied des brasilianischen Parlaments, kritisierte den Side Letter als ein „Dokument einer Minderheit, die aber sehr laut ist”. In Brasilien wachse der Einfluss von Russland und vor allem China, das Abkommen könne dem entgegenwirken. „Es ist eine große Chance, die wir unbedingt nutzen sollten, aber dafür erwarten die Mercosur-Staaten mehr Engagement von der europäischen Seite”, sagte van Hattem. Zumindest EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich öffentlich zum Abkommen bekannt und hoffen auf eine Umsetzung bis Ende des Jahres. „Ich glaube nicht, dass es bis dahin klappt, aber eine Ratifizierung in der ersten Hälfte 2024 halte ich für realistisch”, erklärte van Hattem.


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