IHK-Außenwirtschaftsausschuss diskutierte mit Europaabgeordneten
Text: Werner Grosch, Fotos: Melanie Zanin, Aufmacherbild: stock.adobe.com – crazy cloud
Neues Europaparlament, neue EU-Kommission – alte Probleme? Die Mitglieder des IHK-Außenwirtschaftsausschusses diskutierten jüngst mit vier Europaabgeordneten die Folgen der Wahl im Juni und die dringenden Anliegen der Wirtschaft für die neue Legislaturperiode. Zu Gast waren Dr. Stefan Berger (CDU), Alexandra Geese (Grüne), Jens Geier (SPD) und Moritz Körner (FDP). Die Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen nutzten die Gelegenheit, ihnen deutliche Forderungen ins Stammbuch zu schreiben. Hauptthema wieder einmal: Überregulierung. Viel zu viel Bürokratie, die nicht nur hohen administrativen Aufwand bedeute, sondern die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft gegenüber anderen Weltregionen gefährde, so der Tenor.
„Es ist der Wahnsinn, was da auf die Unternehmen zurauscht“
Moritz Körner, FDP, zu EU-Regulierung
Ein ganz aktuelles Beispiel dafür nannte Ivonne Bollow, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses und für die Metro AG Gastgeberin der Sitzung. „Über kein Thema wird derzeit so viel diskutiert wie über CSRD.“ Gemeint ist die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU, die allein in Deutschland mehr als 15.000 Unternehmen dazu verpflichten wird, nach einem einheitlichen Standard Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Die DIHK sieht darin eine unverhältnismäßige Regulierung und fordert dringende Nachbesserungen, bevor die Verordnung in deutsches Recht umgesetzt wird. Eine Kritik, die der FDP-Parlamentarier Moritz Körner nachvollziehen kann: „Es ist der Wahnsinn, was da auf die Unternehmen zurauscht“, sagte Körner im Ausschuss mit Blick auf die CSRD und auch auf die Lieferkettengesetze sowohl auf deutscher wie auf EU-Ebene.
13.000 neue Regulierungen
Generell räumten alle Gäste aus dem Europaparlament ein Übermaß an Regulierung und Bürokratie ein. Stefan Berger (CDU) verwies beispielsweise darauf, dass allein in der vergangenen Legislaturperiode rund 13.000 Regulierungen in der EU beschlossen worden seien. In den USA seien es im selben Zeitraum nur 5.000 gewesen. „Damit ist man teils übers Ziel hinausgeschossen“, sagte Berger.
Für die Mitglieder des Ausschusses ergab sich aus dem Eingeständnis der Politik eine logische Frage, die Dr. Frank Völker (C.Ed. Schulte GmbH) aus Velbert so formulierte: „Sie sind sich doch alle einig darin. Warum dauert es dann so lange, etwas zu ändern?“ Die Antwort der Parlamentarier: Das ist das Wesen der Demokratie. Und: Auf EU-Ebene müssten eben noch mehr unterschiedliche Interessen abgewogen werden als auf nationaler – von politischen Strömungen einerseits, von einzelnen Mitgliedsstaaten andererseits. „Sie können Europa nicht führen wie Ihr Unternehmen. So funktioniert Demokratie nicht!“, sagte Körner mit Nachdruck. SPD-Politiker Geier führte die Regulierungswut auch auf die Strukturen innerhalb der EU-Kommission zurück, die „in Silos organisiert“ sei. Oft, so der einhellige Tenor der politischen Gäste, wisse der eine Kommissar nicht, was der andere tue.
Gefahr im globalen Wettbewerb
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe dies und das Generalthema Bürokratie aber zu einem Kernthema der neuen Legislatur gemacht, sagte Berger. Jeder Kommissar, jede Kommissarin werde verpflichtet, im jeweiligen Bereich ein Viertel der Regulierung abzubauen. Bei der Vorstellung der 26 neuen Kommissarinnen und Kommissare hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont: „Das gesamte College ist der Wettbewerbsfähigkeit verpflichtet. Wir haben die engen und starren Zuständigkeitskorridore abgeschafft.“ Also weniger Silos, mehr abgestimmte Politik? Die Wirtschaft wird darauf hoffen, denn die Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit ist längst nicht mehr eine abstrakte, wie im Ausschuss deutlich wurde. Mitglied Tobias Bartz etwa sagte: „Wenn Sie das nicht hinkriegen, wird Europa in der Welt keine Rolle mehr spielen!“
Ergebnis der US-Wahl – doch nicht ganz so wichtig?
Ein weiteres Thema der Diskussion waren die bevorstehenden Wahlen in den USA. Dabei wurde deutlich, dass der deutsche Blick auf dieses Ereignis oft verengt ist. Besonders wichtig, das betonten Katrin Lange und Ralf Schlindwein von der IHK in ihrer für den Ausschuss angefertigten Analyse: Es gehe nicht bloß um den Präsidenten oder die Präsidentin, sondern eben auch um beide Kammern des Kongresses – und damit um die entscheidende Frage, wie weit Trump oder Harris ihre Vorstellungen überhaupt werden durchsetzen können.
„Für Europa wird der Schulterschluss wichtiger denn je.“
Alexandra Geese, Grüne, zur US-Wahl
Dass das Wahlergebnis Folgen auch für Europa haben wird, war zwar auch im Ausschuss unstrittig. „Bei Trump würde Europa keine große Rolle mehr spielen“, sagte Grünen-Politikerin Geese. Allerdings betonten ihre Parlamentskollegen auch einhellig, dass sich wirtschaftspolitisch selbst dann gar nicht so viel ändern werde, denn auch die Biden-Regierung habe bereits eine stark protektionistische Politik verfolgt. Berger verwies in diesem Zusammenhang auf den 2022 in Kraft getretenen „Inflation Reduction Act“ – ein mehr als 700 Milliarden Dollar schweres Programm, das unter anderem massive Steueranreize enthält, die an den Erwerb von Produkten aus US-Produktion geknüpft sind.
Ivonne Bollow warf allerdings ein, dass unter Trump alte Streitigkeiten wieder hochkochen könnten. Als Beispiele nannte sie das Thema Subventionen für Airbus bzw. Boeing oder auch Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte – beides Felder, auf denen zwischen den USA und der EU aktuell noch eine Art Waffenstillstand herrscht. Klar ist unabhängig vom Wahlausgang für die EU-Parlamentarier indes eine Forderung, die Alexandra Geese so formulierte: „Für Europa wird der Schulterschluss wichtiger denn je.“
Weitere Artikel über das Thema „Internationales“