Der Rhein: hochverehrt und oft unterschätzt

Die Wasserstraße könnte als Wirtschaftsweg noch weitaus wichtiger werden

Text: Werner Grosch, Fotos: Paul Esser, Unternehmen

Das wochenlange Niedrigwasser im Rhein 2018 hat gezeigt: Deutschlands größter Fluss ist für den Güterverkehr essenziell. Frachter konnten teils nur zu einem Viertel beladen werden, viele Unternehmen mussten auf Bahn oder Lkw ausweichen, die aber auch nicht ausreichend zur Verfügung standen. Industriebetriebe bekamen Probleme mit dem Rohstoffnachschub, Tankstellen konnten zeitweise nicht mit Benzin beliefert werden.
Vielleicht war das Rekord-Niedrigwasser von 2018 ja ein heilsamer Schock auch für Politiker in Bund und Land, hoffen Unternehmer wie Robert Lamers, Geschäftsführer der Fortin Mühlenwerke GmbH & Co. KG, die ihren Sitz im Düsseldorfer Hafen haben. Der Traditionsbetrieb, der vor allem Haferflocken produziert, erhält pro Jahr etwa 130.000 Tonnen Getreide, und zwar komplett per Schiff. „Es gibt für uns gar keine Alternative zum Wasserweg“, sagt Lamers. „Würden wir auf den Straßenweg umsteigen, müssten wir jährlich mehr als 5.000 Lkw beladen und quer durch Düsseldorf schicken.“

Rund 130.000 Tonnen Getreide kommen jedes Jahr über den Rhein zu den Fortin Mühlenwerken in Düsseldorf.

Für den Unternehmer ist klar, dass der Ausbau der Häfen am Rhein ebenso notwendig ist wie die Optimierung der Fahrrinne auf verschiedenen Abschnitten, die seit Jahren in der Planung ist. Während am Mittelrhein zwischen St. Goar und Mainz in den nächsten Jahren schon konkrete Maßnahmen zu erwarten sind, wird es mit der geplanten Optimierung zwischen Duisburg und Dormagen aber wohl noch mindestens zehn Jahre dauern.
Dabei ist das Potenzial groß: Experten schätzen, dass sich der Anteil der Binnenschifffahrt an der Gütertransportleistung von derzeit rund zehn Prozent durchaus verdoppeln ließe. Gut zwei Drittel dieser Leistung entfallen auf den Rhein. „Die Kapazitäten des Rheins sind noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt auch Jan Sönke Eckel, Geschäftsführer der Rheincargo GmbH & Co. KG, in der sich die Hafenbetreiber aus Neuss, Düsseldorf und Köln zusammengeschlossen haben. Er ist wie Lamers der Ansicht, dass das Rekord-Niedrigwasser manchem erst die Augen geöffnet hat.

Niedrigwasser bremst die Schiffahrt

Der trockene Sommer 2018 bescherte Rheincargo einen Rückgang des Güterumschlags um zwei Millionen Tonnen, relativ um rund zehn Prozent. „Bund und Land haben das Problem erkannt, und die Binnenschifffahrt hat wieder eine stärkere Lobby“, meint Eckel.
Über Jahrzehnte konnte von einer solchen Lobby kaum die Rede sein. Zwar transportierten Binnenschiffe schon im Jahr 1950 rund 72 Millionen Tonnen an Gütern, und bis in die 1970er Jahre hinein verdreifachte sich diese Leistung sogar.

Seither aber herrscht im Großen und Ganzen Stagnation, die Transportleistung 2017 lag mit knapp 223 Millionen Tonnen auf dem Wert von 1985. Wenn dieser Anteil nun deutlich steigen soll, muss ein Kriterium unbedingt erfüllt sein: Zuverlässigkeit. „Von den Kunden, die wir 2018 verloren haben, kommen manche auch nicht wieder, weil sie durch den Klimawandel häufigere Niedrigwasser befürchten“, sagt Eckel. Wenn Häfen und Fahrrinne nicht ausgebaut würden, besteht seiner Ansicht nach sogar die Gefahr, dass große Unternehmen ihre Standorte verlagern.

„Der Boom der Flusskreuzfahrten wird anhalten.“

KD-Geschäftsführer Dr. Achim Schloemer

Von diesen Entwicklungen betroffen ist natürlich auch die Personenschifffahrt, die nach Zahl der Schiffe in Deutschland mehr als ein Drittel der gewerblichen Binnenschifffahrt ausmacht und rund zehn Millionen Fahrgäste pro Jahr verzeichnet. Allein 1,5 Millionen davon entfallen auf die Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt GmbH. KD-Geschäftsführer Dr. Achim Schloemer sieht gute Chancen für weiteres Wachstum: „Die Beliebtheit des Stroms für Freizeit- und Reisezwecke wird in den nächsten zehn Jahren weiter zunehmen. Vor allem der Boom der Flusskreuzfahrten wird anhalten und Düsseldorf von diesem in Zukunft sicher noch stärker profitieren können.“

Die KD betreibt in Düsseldorf vier eigene Anlegestelleneitere. Die Fahrgastzahlen allein für diesen Standort sollen von derzeit rund 80.000 auf 100.000 im Jahr 2021 steigen. Dafür investiert KD allein in Düsseldorf zwischen 2017 und 2020 rund 25 Millionen Euro, erklärt Schloemer: „Gut die Hälfte davon investieren wir in ein neues Eventschiff, die MS Rhein Galaxie, die im Mai 2020 ihre Taufe in Düsseldorf erleben wird.“

Kurz vorgestellt: Thomas Vieten, Referent für Verkehrswirtschaft

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