Zum Kuckuck mit der Gründung

Kuckucksuhren sind spießige Relikte aus vergangener Zeit? Zwei Selbständige beweisen das Gegenteil.

Zwei junge Frauen verpassen Omas Kuckucksuhr einen frischen Anstrich.

Die traditionellen Uhren haben es ihnen angetan: Katrin Weskamp (links) und Manuela Richter bearbeiten sie in liebevoller Handarbeit.

Text: Ute Rasch, Foto: Unternehmen

Ja, ticken die noch richtig? Da holen zwei junge Frauen Omas Kuckucksuhr aus der angestaubten Ecke und verpassen einer alten Handwerkskunst aus dem Schwarzwald einen frischen Anstrich. Nun glänzt dieses vermeintliche Relikt aus einer vergangenen Zeit wieder zeitgeistfrisch an Wohnungswänden und zeigt ihren Bewohnern, wie die Zeit verrinnt – inklusive Kuckuck, der zu jeder Stunde zwitschernd erscheint, seinen roten Schnabel öffnet und mit den Flügeln flattert. „MyKuckoo“ haben Manuela Richter und Katrin Weskamp ihr Start-up genannt – ein Business, das Tradition mit modernem Design verbandelt. Die Idee mit dem Kuckuck ist ihnen buchstäblich zugeflogen. Am Küchentisch, mit einem Glas Wein und einem Gespräch unter Freundinnen. Manuela Richter stammt aus dem Schwarzwald, eine Kuckucksuhr gehört dort noch heute zum Alltag, gilt als bedeutender Wirtschaftsfaktor und wird in einem Atemzug genannt mit anderen Symbolen der Schwarzwald-Romantik: von der Kirschtorte bis zum Bollenhut. Außerdem: Selbst Angela Merkel hat Wladimir Putin ein Original mit Vogel geschenkt. Der russische Präsident soll so angetan gewesen sein, dass vom Kreml gleich noch drei weitere Exemplare nachbestellt wurden.

„UNSERE GÄSTE FANDEN DIE UHR
ZIEMLICH COOL.“

Manuela Richter, MyKuckoo

Wer sie erfunden hat, ist nicht exakt belegt, aber Ende des 17.Jahrhunderts sollen die Schwarzwald-Bauern nach einer Möglichkeit gesucht haben, sich in den langen Wintermonaten ein Zubrot zu verdienen und saßen mit dem Schnitzmesser abends am Feuer. Die älteste Kuckucksuhr, durch eine Signatur von Johannes Wildi ungefähr datierbar, weil seine Lebensdaten bekannt sind (1755 bis 1820), hängt im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen. Bis heute hat sich das Prinzip kaum verändert, noch immer ist das Wesen einer Kuckucksuhr ein Pendel, zwei Gewichte für Uhr und Schlagwerk – und natürlich der kleine Schreihals, der sich zur vollen Stunde bemerkbar macht. So viel zur Geschichte. Als Manuela Richter 2013 zum BWL-Studium nach Düsseldorf zog, hatte sie ein solches Stück Tradition im Gepäck – vielleicht auch als Mittel gegen Heimweh. Sie bemalte ihre Uhr himmelblau, damit sie besser zur modernen Einrichtung passte, und war verblüfft über die Reaktion ihrer Gäste. „Die fanden die Uhr ziemlich cool.“ Vor allem ihre Freundin Katrin Weskamp, die von Island stammt – einer Weltregion mit ganz eigenen Traditionen. Kuckucksuhren gehören gewiss nicht dazu.

Kleiner Schreihals zur vollen Stunde

Die Freundinnen beschlossen vor drei Jahren, die coole Idee zu vermarkten. Nach intensiver Vorbereitung beziehen sie ihre Rohlinge heute von einem Schreiner aus dem Schwarzwald, der seine Uhren, zerlegt in Einzelteile, nun regelmäßig nach Düsseldorf verschickt – inklusive Blätterdekor und Hirschkopf, der jedes Exemplar krönt. Hier werden die Teile von den beiden Gründerinnen in ihrer Kellerwerkstatt individuell bemalt und zusammengesetzt. Der Renner im Sortiment ist „Black Beauty“, ein Exemplar in mattem Schwarz mit goldenen oder silbernen Akzenten besprüht. Beliebt sind auch „Blue Mountain“ in kräftigem Blau oder „Deep Forest“ in Wald-Grün. Je nach Kundenwunsch sind Einzelanfertigungen möglich, wie das pistaziengrüne Stück, das ein Kunde exakt in der Farbe seines Sofas haben wollte. Eine Kundin aus Gelsenkirchen bestellte gleich vier Stück für ihre Familie, die unter einem Dach lebt, eine Uhr für jede Generation. Aber mittlerweile reisen die Ku ckucksuhren aus Düsseldorf in die Welt, so bestellte ein Händler in Australien zehn Stück „good old Germany“. Auch Menschen in Indien, Kanada und vor allem in den USA zeigt der Kuckuck, was die Stunde schlägt. Ein Exemplar fand seinen Weg über eine internationale Plattform nach Dubai, ebenfalls ein Spezialauftrag, bestückt mit 1.400 Swarovski-Steinen. „Wir mussten viel experimentieren, bis die Steine perfekt hielten“, so Manuela Richter. Zum Kuckuck, ein glänzender Auftritt dürfte dem Stück gewiss sein, wo immer es heute hängen mag.

„SICH NICHT ABHÄNGIG MACHEN VON DER MEINUNG ANDERER.“

Manuela Richters Tipp für andere Existenzgründer

Die beiden Gründerinnen bieten ihre Uhren im eigenen Internetshop und auf Designmessen an. Außerdem suchen sie nun Partner im Handel, in Design- und Möbelgeschäften. Nach einem rasanten Erfolgsjahr 2019 blicken sie optimistisch in die Zukunft. „Am Anfang sind wir viel Skepsis begegnet. Kuckucksuhren, so die gängige Meinung, passen doch überhaupt nicht in die Zeit“, erinnert sich Manuela Richter. Die Zweifler haben mittlerweile verstanden, dass die beiden Frauen einen Vogel haben – aber einen mit Zukunftspotenzial. Ihr Tipp an andere Gründer: „Sich nicht abhängig zu machen von der Meinung anderer.“ Noch in diesem Jahr wollen sie einen eigenen Showroom eröffnen. Dort wird dann als Blickfang ein mächtiges Hirschgeweih hängen – vermutlich mit Farbe angesprüht. Wie auch die kleineren Exemplare, die jetzt schon angeboten werden: mit rosa Lack, um Schmuck oder Schlüssel daran aufzuhängen. Nur das goldene Geweih, das Manuela Richters Wohnzimmer schmückt, ist unverkäuflich. Stammt sicher auch aus dem Schwarzwald und ist mit Familientraditionen verbunden? „Nein, das hat meine Mutter auf einem Berliner Trödelmarkt gefunden.“

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