Baby-Brokkoli wächst im Regal

Auf ökologischen Zehenspitzen: Sarah Tuna betreibt eine Indoor-Farm mitten in Düsseldorf.

Text: Dagmar Haas-Pilwat, Firmenfoto

Der konventionelle Ackerbau stößt an seine Grenzen. Die nutzbare Fläche für die Landwirtschaft wird immer kleiner. Durch Monokulturen, Einsatz von Chemikalien, Überweidung und Versiegelung geht zunehmend fruchtbarer Boden verloren. Hinzu kommen die Folgen des Klimawandels: Wetterextreme wie Starkregen und Dürre nehmen stetig zu und führen zu immer geringeren Ernteerträgen. Kommt unser Gemüse in Zukunft nicht mehr vom Feld, sondern direkt aus der Stadt und sozusagen erntefrisch auf den Teller? Bei Sarah Tuna gedeihen schon jetzt Zuckererbsen, Daikon-, oder Purpur-Rettiche und Baby-Brokkoli, aber auch Amarant (ein Pseudogetreide wie Quinoa), Zwiebeln und Rotklee auf wenigen Quadratmetern übereinander in die Höhe – Regalboden für Regalboden. Die Düsseldorferin ist Gründerin von „Blattsache“ – eine Indoor-Farm, das heißt die Pflanzen werden komplett ohne Sonnenlicht angebaut – und das im Herzen von Düsseldorf, mitten in der Nachbarschaft.

Gemüse statt Autos

In einer 200 Quadratmeter großen Lagerhalle, dort wo früher Autos vom Band liefen, züchtet Sarah Tuna sogenannte Microgreens. Das sind Keimlinge von frischem, aromatischen Gemüse, die ein Substrat zum Wurzeln und Licht zum Wachsen brauchen. Während die Anlage fast automatisch und mit Öko-Strom funktioniert, geschieht die Aussaat auf den Kokos- oder Hanffasern per Hand. Täglich kontrolliert Sarah Tuna die Keimlinge und probiert neue Saaten aus. Bereits wenige Tage nach der Aussaat können die Pflanzen geerntet und verzehrt werden. Und das während des ganzen Jahres, unabhängig davon, wie das Wetter draußen ist.

„Ich wollte schon immer wissen, woher mein Essen kommt“

Sarah Tuna, Blattsache

Da die Keimlinge weniger Platz, Pflege und technologische Ausstattung benötigen, sind sie für junge Unternehmen wie Blattsache ein guter Start in die urbane Landwirtschaft. Doch wie kommt eine Wirtschaftswissenschaftlerin, die als Controllerin in internationalen Firmen gearbeitet hat, zur urbanen Landwirtschaft? „Ich wollte schon immer wissen, woher mein Essen kommt.

„Irgendwann habe ich angefangen, Tomaten, Zucchini und Salat auf meinem Balkon anzubauen, mich mit Pflanzenkunde zu beschäftigen und nach innovativen Lösungen zu forschen“, sagt Sarah Tuna. Während das heimische Gemüse auf Balkonien wuchs, reifte die Idee, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Bis der Markenname Blattsache gefunden und das Start-up offiziell Anfang 2020 an den Start gegangen war, hatte sich die Quereinsteigerin in der Testphase intensiv mit dem vertikalen Hydroponik-System beschäftigt.

Dieses versorgt – vereinfacht gesagt – eine Pflanze mit Wasser, Nährstoffen und Sauerstoff. „Damit unsere Microgreens, die schätzungsweise 40-mal mehr Vitalstoffe als herkömmliches Gemüse enthalten, wachsen, machen wir das Klima selbst.“ Das Minigemüse braucht eine konstante Temperatur von 20 bis 22 Grad, auch die richtige Luftfeuchtigkeit spielt eine Rolle. „Wir bringen Boden, Licht, Luft und Wasser in Einklang und geben Bio-Saatgut hinzu“, erklärt die Microgreen-Expertin.

Auf Wachstumskurs

Wer sind denn die Abnehmer der Erbsen im Kleinformat? „Gastronomen, Hotellerie, Catering- und Event-Firmen, der Großhandel für Obst und Gemüse und Feinkostläden“, sagt Tuna. Egal ob im Salat, in der Bowl, im Smoothie oder kaltgepressten Saft, einfach auf dem Brot oder als Topping für Menüs der Spitzengastronomie – Microgreens passen durch ihre Geschmacksvielfalt offenbar in jede Küche. Bei Blattsache stehen die Zeichen auf Expansion, die Anzahl der Kunden wächst im Umkreis von 100 Kilometer rund um Düsseldorf. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und lokal hergestellten Produkten wachse, betont die Jung-Unternehmerin. Da die vertikale Hydroponik-Anbautechnik in flutbaren Regalen entwickelt, den Platzbedarf auf ein Minimum reduziert, stecke viel Potenzial in den Microgreens. Pestizidfrei, klimaunabhängig, ganzjährig produzierbar seien sie eine nachhaltige und gesunde Ergänzung zum Gemüse aus der klassischen Landwirtschaft. Übrigens: Die Erbsen sind der Verkaufsschlager.

Fragen, Anregungen oder konstruktive Kritik zum Online-Magazin der IHK Düsseldorf? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.
Die Redaktion