IHK-Wirtschaftsforum im Kreis Mettmann

Diskussion über Chancen und Hemmnisse für Industrie-Unternehmen

IHK-Wirtschaftsforum
Die Vizepräsidentinnen der IHK Düsseldorf, Julia Niederdrenk (links) und Desirée Bleckmann, eröffneten die Veranstaltung.

Text: Jürgen Grosche, Fotos: Melanie Zanin
Die Sorgen sind in der Industrie derzeit groß, aber die Unternehmen werden die Krisen im Schulterschluss mit der Politik und anderen Partnern bewältigen, wenn die Weichen richtig gestellt werden. So lassen sich die Diskussionen beim 16. IHK-Wirtschaftsforum im Kreis Mettmann zusammenfassen. Auf Schloss Linnep in Ratingen trafen sich Vertreter und Vertreterinnen aus Politik und Wirtschaft, um die Lage zu analysieren und Lösungswege zu diskutieren.
Moderatorin Marion Hörsken, Geschäftsführerin der IHK Düsseldorf, brachte die Grundfrage auf den Punkt: „Es geht nicht darum, ob die Industrie im Kreis Mettmann eine Zukunft hat, sondern wie.“ Dass gute Perspektiven für die Industrie wichtig sind, verdeutlichte Desirée Bleckmann, Vizepräsidentin der IHK Düsseldorf, an Zahlen: Das produzierende Gewerbe gibt 55.000 Menschen im Kreis Arbeit. Das ist ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Da auch Dienstleister und andere Branchen von der Industrie leben, hängen sogar mehr als 70.000 Stellen vom Wohl der Industrie ab. Gut bezahlte Arbeitskräfte fördern den Konsum. „Die Industrie ist also der Garant für den Wohlstand“, fasst Desirée Bleckmann zusammen.

Video zum IHK-Wirtschaftsforum „Industrie.Stark vor Ort – Wie hat die Industrie im Kreis Mettmann eine Zukunft?“

„Wir brauchen die Industrie“, betonte auch Thomas Hendele, Landrat des Kreises Mettmann, in seiner Videobotschaft zum IHK-Wirtschaftsforum. Mettmann sei in NRW der wirtschaftsstärkste Kreis. „Wir werden es schaffen, den Industriestandort weiter zu fördern, wenn wir gut zusammenarbeiten“, appellierte Hendele an die Wirtschaft. Doch die Unternehmen machen sich derzeit eben Sorgen. Energiekrise und Rohstoffpreise, Lieferengpässe und Fachkräftemangel: die aktuellen und bekannten Problemkreise wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer wieder umrissen.
Zudem leiden Unternehmen unter langwierigen Genehmigungsverfahren und anderen Restriktionen. Julia Niederdrenk, Vizepräsidentin der IHK Düsseldorf, verwies zum Beispiel auf den immer noch fehlenden Lückenschluss der A 44. „Und gibt es genug Industrie- und Gewerbeflächen?“

IHK-Wirtschaftsforum zeigt: Unternehmen leiden unter Unsicherheit

Wenn Unternehmer aus dem Alltag berichten, wird der auf ihnen lastende Druck im Detail deutlich. „Der größte Faktor ist derzeit die Unsicherheit“, sagte Peter Jülicher, Geschäftsführer der Cours GmbH & Co. KG in Velbert. Viele Unternehmen erlebten bereits einen Konjunktureinbruch; die weitere Richtung der Entwicklung sei unklar. Das in vierter Generation arbeitende Unternehmen habe immer wieder Krisen gesehen, „aber jetzt gleich zwei in Folge, damit hat niemand gerechnet“.
Olaf Tünkers, Geschäftsführer der Tünkers Maschinenbau GmbH in Ratingen, bestätigt die Sicht: „Im Risikomanagement hatten wir früher zum Beispiel die Absicherung von Währungsrisiken im Blick, aber was wir in den zurückliegenden drei Jahren erlebt haben, hatten wir nicht auf dem Schirm.“ Das Unternehmen kauft viele Komponenten zu. Wenn die Lieferung früher vier bis sechs Wochen dauerte, seien es jetzt oft vier bis sechs Monate. „Das ist nicht mehr zu kalkulieren.“

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Es diskutierten (von links) Peter Jülicher (Geschäftsführer der Cours GmbH & Co. KG), Olaf Tünkers (Geschäftsführer der Tünkers Maschinenbau GmbH), Dr. Martin Volmer (Senior Manager CO2 Transformation, Lhoist Germany Rheinkalk GmbH), Dirk Wedel MdL (FDP-Fraktion im Landtag NRW) und Udo Zimmermann (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert).

Dieser Druck und die Unsicherheiten bringen viele Unternehmen an die finanzielle Belastungsgrenze. Hier appellierte Udo Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert, an die Unternehmer, frühzeitig das Gespräch mit der Bank zu suchen. „Wir wollen gemeinsam durch die schwierigen Zeiten gehen.“ Die Problemlage sei so komplex, dass man sie nur mit offener Kommunikation bewältigen könne. „Und trotz aller Probleme müssen die Unternehmen auch weiterhin strategisch investieren.“
Zum Beispiel in Zukunftstechnologien, wie Dr. Martin Volmer, Senior Manager CO2-Transformation der Lhoist Germany Rheinkalk GmbH in Wülfrath, zeigte. Das Unternehmen bereitet Kalk auf, einen Grundstoff für viele Produkte. Bei der Herstellung entstehe zurzeit mehr CO2 als Kalk, erklärte Volmer, derzeit zwei Millionen Tonnen im Jahr. Doch das Werk hat sich auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht. Zusammen mit dem Unternehmen Air Liquide arbeite man an technischen Verfahren, das Klimagas einzufangen und dabei im ersten Schritt bis zu 800.000 Tonnen einzusparen.

Lückenhafte Infrastruktur bremst

Doch auch das Kalkwerk leidet unter Restriktionen, zum Beispiel bei der Verkehrs-Infrastruktur. Von immer weiter herkommende Mitarbeiter hätten kaum Möglichkeiten zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und für den Transport sei die Bahn wichtig. „Aber die Zuverlässigkeit sinkt“, beklagte Volmer. „Die Bedeutung des Industriestandortes spiegelt sich nicht in der Verkehrs-Infrastruktur“, meinte auch Tünkers und verwies auf den immer noch ausstehenden A-44-Lückenschluss. Die Realisierung werde noch weitere fünf Jahre dauern, „und wir müssen darum kämpfen, dass es nicht noch länger dauert.“
Bei der Daten-Infrastruktur hapert es ebenfalls, jedenfalls beim Mobilfunk, beklagte Wido Weyer, Geschäftsführer der Mentor GmbH & Co. Präzisions-Bauteile KG in Erkrath-Unterfeldhaus. Das Netz sei eine „Katastrophe“. Weyer rückte außerdem das Fachkräftethema in den Blick. „Die Mitarbeiter kommen von weit her und haben hohe Kosten.“ Bezahlbarer Wohnraum sei daher auch ein „Riesenthema“.

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Dr. Christian Untrieser (MdL, CDU-Fraktion im Landtag NRW), Ina Besche-Krastl (MdL, BÜNDNIS 90/Die Grünen-Fraktion im Landtag NRW), Elizabeth Müller-Witt (MdL, SPD-Fraktion im Landtag NRW) und Wido Weyer (Geschäftsführer der MENTOR GmbH & Co. Präzisions-Bauteile KG) im Gespräch mit der Moderatorin Marion Hörsken, IHK-Geschäftsführerin (von links).

Das Unternehmen beschäftigt 235 Mitarbeiter und bildet in sechs Berufen aus. „Aber wir haben keine Garantie, dass sie bleiben.“ Weyer beschrieb aber zumindest einen Ansatz, wie Unternehmen ihre Attraktivität für Mitarbeiter unter Beweis stellen können: „Man muss eine familiäre Beziehung mit ihnen pflegen. Wenn sie mit Problemen zu uns kommen, versuchen wir zu helfen.“
Das Positive im grauen Umfeld stellten auch die anderen Unternehmer beim IHK-Wirtschaftsforum letztlich heraus: „Wichtig ist uns, dass unser Team aus älteren und jüngeren Mitarbeitern gut zusammenarbeitet“, sagte Jülicher. Die Motivation sei gerade jetzt in der Krise groß. Gemeinsam wolle man es packen. „Krisen sind auch Chancen für Neues“, fügte Tünkers hinzu. So sieht er in der Transformation zur Elektromobilität neue Möglichkeiten auch für sein Unternehmen, etwa als Zulieferer von Produkten für Batteriefabriken.

Thomas Hendele
Thomas Hendele, Landrat des Kreises Mettmann, in seiner Videobotschaft.

In einer weiteren Diskussionsrunde beim IHK-Wirtschaftsforum griffen Vertreter und Vertreterinnen aus der Politik die Anliegen der Wirtschaft auf, insbesondere Themen rund um Genehmigungsverfahren, Digitalisierung oder Infrastruktur. Schon lange rede man über die Transformation der Wirtschaft, sagte Ina Besche-Krastl aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag. Jetzt gebe es die Chance, die Wirtschaft resilienter zu machen, zum Beispiel bei der Chipherstellung auf eigene Produktion zu setzen und in erneuerbare Energien zu investieren. Die Genehmigungsverfahren müssten aber etwa bei der Photovoltaik-Installation schneller laufen. „Einer der Motoren dazu ist, die Verwaltung mehr zu digitalisieren.“

Politiker fordern beim IHK Wirtschaftsforum schnellere Genehmigungsverfahren

Heute sei Konsens, dass die Umstellung auf Klimaneutralität notwendig sei, sagte Dr. Christian Untrieser aus der CDU-Fraktion im Landtag NRW. Allen sei klar: „Wenn wir das nicht schaffen, kommen die Produkte von woanders.“ Die Landesregierung hat das Ziel ausgegeben, erste klimaneutrale Industrieregion Europas zu werden. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien seien Flächenfestlegungen notwendig, wo Windenergieanlagen stehen können, sagte Untrieser. LNG-Terminals zeigten, wie es gehen könne, wenn es nur ein halbes Jahr von der Planfeststellung bis zum Bau dauere. „Das muss zur Regel werden, sonst sind die Klimaziele nicht zu erreichen.“
Die Politiker räumten beim IHK-Wirtschaftsforum indes ein, dass es bei Genehmigungsverfahren oder der Umsetzung von Programmen und Hilfsmaßnahmen oft hakt. Hohe Energiepreise und lange Verfahrenswege stellten aber Wettbewerbsnachteile für die deutsche Industrie dar, sagte Dirk Wedel aus der FDP-Fraktion im Landtag NRW. Man sei sich einig über die Zielvorstellungen, aber im Konkreten werde es schwierig, etwa in der Frage, welche Schritte und Maßnahmen eingedampft werden können.

Auch auf Themen des Kreises gingen die Politiker und Politikerinnen ein. So griff Untrieser die zuvor von Volmer (Lhoist/Rheinkalk) erwähnte Idee einer CO2-Pipeline auf, die das Klimagas abtransportieren könnte. Das sei ein „interessanter Ansatz“. Allerdings dauerten die Genehmigungsverfahren viel zu lange, räumte auch er ein. Hier schaltete sich Elisabeth Müller-Witt aus der SPD-Fraktion im Landtag NRW ein und verwies auf die vor Jahren gebaute, aber nie in Betrieb gegangene CO-Pipeline von Bayer. Die Kohlenmonoxid-Leitung hatte Ängste in der Bevölkerung geweckt. „Wir hatten alle zugestimmt“. Die Genehmigung von Pipelines sei nicht das Problem, eher die rechtlichen Verfahren. „Wichtig ist eine ordentliche Transparenz und Dokumentation, um was es geht“, riet die Politikerin.

Die Region muss mehr zusammenarbeiten

Weitere Themen: Gewerbeflächen und Verkehr. Beim Thema Flächenverbrauch zeigten sich Nuancen. „Man muss Flächen und den Verbrauch handelbar machen“, schlug Wedel vor. Dazu könnten auch so genannte weiße Zertifikate gehören, wenn Flächen wieder rückgebaut werden. „An den Flächenverbrauch sollte man mit Maß gehen“, riet indes Elisabeth Müller-Witt. Mehr Verbrauch sei nicht unbedingt nötig, man solle zunächst leerstehende Flächen nutzen und „sinnvolle Lücken füllen, um nicht immer weiter in die Breite zu gehen“. „Wir müssen sparsamer mit Flächen umgehen“, meinte auch Ina Besche-Krastl.
Bei einem weiteren Ausbau der A 3 sieht die Politikerin Probleme. Nötig sei eine Balance von Umwelt und Wirtschaft. „Wir müssen auch den Lebenswert des Kreises erhalten.“ Wedel bringt die Pläne für den Ausbau der Westbahn für Personenverkehr ins Spiel: „Das wäre sehr attraktiv. Da müssen wir investieren, nicht nur in den RRX.“ Eigentlich habe der Kreis Mettmann, zwischen großen Ballungsgebieten gelegen, gerade deswegen immer gute Chancen, meinte der Politiker. Andere sehen Mettmann hingegen als „verlorenen Kreis“, zitierte Olaf Tünkers, der auch stellvertretender Vorsitzender des Industrieausschusses der IHK Düsseldorf ist, in seinem Fazit zum IHK-Wirtschaftsforum Stimmen aus dem Kreis. Daher sei es wichtig, dass die Wirtschaft den Dialog mit der Politik und anderen Partnern intensiviere. Die Region müsse mehr Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. „Wenn wir den Verbund intensiver leben, hätte die Industrie noch interessantere Perspektiven.“

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Beim IHK-Wirtschaftsforum im Kreis Mettmann diskutierten (hintere Reihe von links) Olaf Tünkers (Geschäftsführer der Tünkers Maschinenbau GmbH), Dirk Wedel MdL (FDP-Fraktion im Landtag NRW), Dr. Martin Volmer (Senior Manager CO2 Transformation, Lhoist Germany Rheinkalk GmbH), Wido Weyer (Geschäftsführer der MENTOR GmbH & Co. Präzisions-Bauteile KG), Peter Jülicher, (Geschäftsführer der Cours GmbH & Co. KG) sowie (vordere Reihe von links) Ina Besche-Krastl (MdL, BÜNDNIS 90/Die Grünen-Fraktion im Landtag NRW), Elizabeth Müller-Witt (MdL, SPD-Fraktion im Landtag NRW), Desirée Bleckmann (Vizepräsidentin der IHK Düsseldorf), Julia Niederdrenk (Vizepräsidentin der IHK Düsseldorf), Marion Hörsken (Geschäftsführerin der IHK Düsseldorf), Udo Zimmermann (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert) und Dr. Christian Untrieser (MdL, CDU-Fraktion im Landtag NRW).

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