Eine Idee schwimmt im Erfolg

Die Düsseldorfer Initiative "RhineCleanUp" mobilisiert jedes Jahr Zehntausende Helfer an den meisten deutschen Flüssen - und kann auf die Unterstützung zahlreicher Unternehmen zählen.

Text: Ute Rasch, Illustration: RhineCleanUp

Alles fließt! Jede Sekunde strömen 200.000 Liter Wasser (bei Hochwasser deutlich mehr) durch den Rhein. Und jede Menge Müll. Laut einer wissenschaftlichen Studie schwimmen allein im Oberflächenwasser acht bis zehn Tonnen Mikroplastik im Jahr. „Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, die tatsächliche Menge dürfte um ein Vielfaches höher sein“, schätzt Andreas Fath, Chemie-Professor an der Hochschule Furtwangen. Doch zwischen Quelle und Mündung ist etwas in Bewegung geraten: Die Düsseldorfer Initiative „RhineCleanUp“ räumt auf – mit dem Abfall am Ufer.

„Wenn wir wirklich etwas bewirken, mehr Öffentlichkeit erreichen wollen, dann gleich richtig“

Ingo Lentz, Mitinitiator von RhineCleanUp

Ein Spaziergang in den Oberkasseler Rheinwiesen: Obwohl die Stadt Düsseldorf alle hundert Meter Mülltonnen platziert hat, verschandeln immer wieder Pizzakartons, Cola-Dosen, Plastiktüten, Kaffeebecher und vieles mehr die Ufer – die Reste eines ganz normalen Sommerwochenendes. Viele ärgern sich über den Anblick, doch zwei Männer beschlossen zu handeln. Der eine, Joachim Umbach, war Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung und ist im Ruhestand mit seiner Familie vom Allgäu nach Düsseldorf zurückgekehrt, der andere Ingo Lentz, Mitinitiator von „Pro-Düsseldorf“. Lentz meinte damals im Frühsommer 2018: „Wenn wir wirklich etwas bewirken, mehr Öffentlichkeit erreichen wollen, dann gleich richtig. Dann deutschlandweit, besser noch international.“ So fing es an.

Sie gründeten „RhineCleanUp“, eine gemeinnützige GmbH, sprachen Initiativen entlang der Rheinschiene an: Umweltverbände, Wassersportvereine, Ehrenamt-Organisationen, Unternehmen. Und waren verblüfft von der Resonanz: Gleich im ersten Jahr meldeten sich zum Aktionstag im September über 50 Gruppen mit 10.000 Helfern, die mit Mülltüten, Greifern und Handschuhen an den Ufern unterwegs waren. Die Bilanz: 70 Tonnen Abfall, der „nicht im Rhein und damit in der Nordsee gelandet ist“, so Umbach. Vom Erfolg beflügelt und spätestens als „Tagesthemen“ und „Heute-Nachrichten“ über die Umweltaktion berichteten, wusste er: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Von der Quelle bis zur Mündung – 1.232 Kilometer

Für ihn ist „RhineCleanUp“ Herzensprojekt und nahezu Fulltime-Job. An seinem Schreibtisch verknüpft er die vielen Fäden, hält Kontakt zu den teilnehmenden Städten und gewinnt neue hinzu, reist zu Informations-Treffen und Pressekonferenzen (wie soeben nach Basel und Mainz), wirbt um Partner und Sponsoren. Zu denen zählen Unternehmen wie Garnier, UPS, Henkel, Shiseido, die Düsseldorfer Stadtsparkasse und die Deutsche Postcode Lotterie, die die Aktion mit 300.000 Euro im Jahr unterstützt. Davon wird das Material finanziert, dass die Helfer beim Aktionstag brauchen, ebenso Werbung auf 1.000 Großplakatwänden im ganzen Land. Gestiftet wurde auch ein Container, der zurzeit in den Rhein-Städten unterwegs ist – an Bord ein mobiles Mini-Labor, in dem das Team von Andreas Fath, dem Chemiker und Buchautor („Unser Rhein: Im Bann des Stroms“) Wasserproben untersucht und mit Messungen von 2014 vergleicht. Das Interesse der Öffentlichkeit erreichte er damals durch eine sportliche Aktion: Er schwamm von der Quelle bis zur Mündung – 1232 Kilometer.

2021 wollen sich 500 Gruppen aus über 200 Städten beteiligen

Zurzeit können sich Aktionsgruppen wieder auf der Internetseite von „RhineCleanUp“ zum Aktionstag am 11. September anmelden – auch Einzelkämpfer, die sich einer Gruppe anschließen möchten. Joachim Umbach rechnet mit einer Rekordbeteiligung: „500 Gruppen aus über 200 Städten werden diesmal dabei sein – auch aus der Schweiz, Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich.“ Und mittlerweile nicht nur am Rhein, sondern auch an allen seinen Nebenflüssen. Am Ende des Aktionstages 2020 wurden 350 Tonnen Abfall entsorgt, „dieses Jahr werden wir dieses Ergebnis deutlich steigern.“

In Düsseldorf kommen Großeltern mit ihren Enkeln, Mitglieder von Schützen- und Sportvereinen, Freundeskreise, Nachbarschaftsinitiativen, die Mitarbeiter des Aquazoos ebenso wie von Trivago und weiterer 30 Unternehmen, die die Teilnahme am Aktionstag auch als ein Zeichen ihrer sozialen Verantwortung sehen. Ihnen bietet „RhineCleanUp“ in Zukunft (wenn sich die Corona-Beschränkungen lockern) Tagesworkshops zum Thema Müll und darüber, wie er sich vermeiden lässt, an.

„Mein Traum ist, dass unsere Aktion irgendwann überflüssig wird“

Joachim Umbach, Mitinitiator von RhineCleanUp

Kuriose Fundstücke

Neben den üblichen Hinterlassenschaften an den Ufern entdecken die Helfer auch immer wieder kuriose Fundstücke – wie einen geöffneten Tresor (leer), einen Korb mit einem kleinen Hund (er fand eine neue Familie) und eine kostbare goldene Uhr (der Besitzer wurde gefunden). Bilanz nach drei Jahren: Die Idee schwimmt im Erfolg. „Aus kleinen Anfängen ist eine starke Bewegung geworden,“ so Umbach. Viele Menschen hätten dadurch ihr Bewusstsein verändert. Und doch bleibe es schwierig, die zum Umdenken zu bewegen, die das Müll-Problem verursachen. „Mein Traum ist, dass unsere Aktion irgendwann überflüssig wird.“

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