Text: Daniel Boss, Fotos: Grzegorz Bieniek
IHK Quarterly: Herr Professor Hörner, was ist unter dem Begriff Digitalität zu verstehen – und was ist der Unterschied zur Digitalisierung?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Der Begriff Digitalisierung wird so breit verwendet, dass er eigentlich jede Umwandlung von analogen Prozessen und Formen in digitale Versionen bezeichnet. Das reicht von der Fotografie von Insekten im Naturkundemuseum bis hin zum Ausbau des Glasfasernetzes. Der Begriff Digitalität nimmt hingegen das Zusammenspiel von analogen und digitalen Akteurinnen und Akteuren sowie Netzwerken in den Fokus.
Haben Sie ein Beispiel?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Lassen sie mich das etwas plakativ am Beispiel der Musiktonträger verdeutlichen. Digitalisierung in diesem weiteren Sinn wäre dann ja schon durch die Entwicklung der CDs in den 1980er-Jahren erreicht. Als Medienwissenschaftler würde ich sagen, neben dem Zeichen- oder Informationsträger sind aber eben auch die Kanäle, die Akteure und die Strukturen wichtig. Digitalität würde erfassen, wie sich – natürlich unter Voraussetzung des digitalisierten Tonträgers – Produktion, Hören, Verbreitung und Geschäftsmodelle verändert haben: vom CD-Verleih zu Sharing-Plattformen bis hin zu Streaming-Diensten und Social-Media-Plattformen. Digitalität nimmt dann auch wieder die Annäherung an die analoge Welt ins Auge – etwa, wenn Mode und Gestik, die über die Musik via Social Media transportiert werden, von den Fans dieser Musik verkörpert werden.
Welche Bedeutung hat Digitalität in anderen wirtschaftlichen Zusammenhängen?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Digitalität von vornherein als analog-digitales Zusammenspiel zu denken, ist für unzählige Bereiche wichtig, egal, ob Virtual Reality, Mensch-Technik-Interaktion, beim Einsatz von künstlicher Intelligenz oder in der Architektur. Auch ein Haus, das mit digitalen Verfahren wie dem Building Information Modelling entwickelt wurde, wird schließlich von „analogen Praktiken“ – etwa kochen, essen, schlafen – mit Leben gefüllt.
Welche Ziele verfolgt die Hochschule mit dem neuen Zentrum?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Mit dem im Sommersemester gestarteten Master-Studiengang Transforming Digitality, kurz Trady, verfolgt die HSD das Ziel, Studierende auf die digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten und ihnen Zukunftskompetenzen, die sogenannten future skills, angesichts der digitalen Transformationen zu vermitteln. Kollaboratives Arbeiten, Digitalkompetenzen und agile Formen der Zusammenarbeit stehen dabei im Vordergrund. Die Lehre wird projektorientiert und digital unterstützt sein. Es werden Expertinnen und Experten ausgebildet, die digitale Transformationsprozesse in Unternehmen und Organisationen gestalten und koordinieren.
Was hat es mit dem neuen Bachelor-Studiengang auf sich, den es seit diesem Wintersemester gibt?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Der Studiengang Applied Data Science and Artificial Intelligence, kurz Daisy, bietet innovative Anwendungsfelder der Digitalisierung. Digital Health, Industrie 4.0, Computer Entertainment oder innovative Energiesysteme sind nur einige der Anwendungsbereiche, die sich verstärkt mit Data Science, künstlicher Intelligenz und intelligenten Systemen befassen. Studierende erhalten im Verlauf des Bachelor-Studiengangs eine fundierte Ausbildung in den notwendigen Grundlagen der Informatik und können daten- und wissensgetriebene Lösungskonzepte nutzen. Die können sie auf zahlreiche Fragestellungen anwenden beziehungsweise mit den jeweiligen Experten der verschiedenen Bereiche kooperativ umsetzen. Die Studienrichtung konzentriert sich einerseits auf notwendige theoretische Grundlagen und andererseits auf die effektive Umsetzung in die Praxis. Durch die Kooperation mit weiteren Lehr- und Forschungsschwerpunkten an der HSD, darunter etwa Digital Media, Digital Health, Business Analytics und Smart Cities, werden Möglichkeiten zur Vertiefung geboten. Für die Zukunft ist ein weiterer forschungs- und anwendungsbezogener Master geplant sowie ein neuer BA-Studienschwerpunkt Soziale Arbeit und Digitalität.
Stichwort „anwendungsbezogen“ – welche Vorteile ergeben sich für die hiesige Wirtschaft durch das neue Zentrum?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Ganz offensichtlich fehlen an allen Ecken und Enden Digitalexpertinnen und -experten. Damit meine ich sowohl die Tech-Spezialisten als auch Personen mit den sogenannten 21st Century Skills – also beispielsweise der Fähigkeit, Informationen durch digitale Visualisierung zu vermitteln. Auf unsere ersten Absolventinnen und Absolventen muss man allerdings noch etwas warten. Bis dahin lassen sich vielleicht auch im Rahmen des Studiums Praxispartnerschaften entwickeln.
Wie digital ist die Hochschule selbst aufgestellt?
Prof. Dr. Fernand Hörner: Auch wir haben noch Hausaufgaben zu erledigen. Wir haben zumindest aber, als eine von wenigen Hochschulen, ein eigenes Vizepräsidium für Organisations-, Qualitäts- und Digitalisierungsmanagement neu besetzt. Immerhin hat die HSD im Lockdown im März 2020 sehr schnell den Betrieb auf Home-Office und Online-Lehre umgestellt und sowohl die erforderlichen technischen Tools als auch die inhaltlichen Änderungen schnell umgesetzt.
In einer Serie zur Digitalisierung in Unternehmen werden im IHK-Online-Magazin im Laufe des Monats Beispiele vorgestellt.
Weitere Tipps zum Thema Digitalisierung gibt es auf den Internetseiten der IHK Düsseldorf.
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